Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ein Land hochfahren? - Nein, ich will das Rednerpult hochfahren.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich hätte es wirklich nicht für möglich gehalten, dass wir zehn Jahre nach dem beschlossenen Atomausstieg hier über das Thema debattieren müssen. Ich bin Ihnen, Herr Minister Willingmann, wirklich sehr dankbar für Ihre klaren Worte in der vorangegangenen Woche.
(Zustimmung)
Unmissverständlich haben Sie auf allen möglichen Kanälen zu verstehen gegeben, dass eine Verlängerung mit Ihnen nicht machbar ist. Wir haben die Aktuelle Debatte beantragt, weil wir wegen der Äußerungen in der Öffentlichkeit einerseits aufzeigen müssen, dass eine Verlängerung der Laufzeiten völliger Unsinn ist. Andererseits will ich zum wiederholten Male hier im Hause aufzeigen, was eigentlich unsere Aufgabe ist, wenn wir über die Energieversorgung reden.
Daher, Herr Willingmann, bin ich Ihnen noch für eine weitere Aussage dankbar, nämlich für Ihr Bekenntnis zu dem Ziel des Ausbaus der Windkraft. Bereits in unserem Wahlprogramm haben wir das Ziel verankert, 2 % der Landesfläche für Windkraft vorzusehen. Ich bin dankbar für Ihr Bekenntnis zu diesem Ziel, insbesondere da die CDU, Ihr Koalitionspartner, und der Ministerpräsident dieses Ziel negieren und stets mit dem Finger in Richtung Baden-Württemberg zeigen.
(Zustimmung - Zuruf: Richtig! Genau so ist das! - Weitere Zurufe - Unruhe)
- Ja, ja. - Das Motto lautet: Sollen die erst mal was machen, dann reden wir und schauen, ob wir nachziehen.
Aber jetzt einmal im Ernst, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und Herr Ministerpräsident: Ist das das Niveau, auf dem wir über zentrale Zukunftsfragen reden wollen?
(Zustimmung)
Wenn wir schon einmal an der Spitze sind das ist unser Land im Bereich der erneuerbaren Energien , dann müssen wir doch alles daran setzen, dass es so bleibt. Es darf kein Rollback geben.
(Zuruf: Doch! Genau den brauchen wir!)
Vielmehr muss es das Ziel sein, die erneuerbaren Energien voller Kraft voraus auszubauen.
(Zustimmung - Zurufe)
Der Ausbau der erneuerbaren Energien schafft in Verbindung
(Zuruf: Wir sind doch schon spitze bei den Preisen! - Weitere Zurufe)
- Möchten Sie mir zuhören? - Gut, danke.
(Zuruf: Bitte!)
Der Ausbau der erneuerbaren Energien schafft in Verbindung mit Speichern perspektivisch Sicherheit. Der Ausbau der erneuerbaren Energien schafft Preisstabilität. Er sichert und schafft in unserem Bundesland neue Arbeitsplätze. Es wird Zeit, dass das verstanden wird und Sie dieser Entwicklung nicht länger im Weg stehen - auch mit solchen unbedachten Äußerungen zum Atomausstieg.
(Zuruf: Die waren ja nicht unbedacht!)
Sie haben anscheinend gar nicht im Blick, dass wir kurz vor dem Abschluss des Ausstiegsprozesses stehen. Gemäß Atomgesetz werden die drei jüngsten Reaktoren im Jahr 2022 abgeschaltet. Die Betreiber selbst sagen, dass eine Verlängerung der Laufzeit gar nicht möglich ist bzw. dass sie daran gar kein Interesse haben.
(Zuruf)
Sämtliche Vereinbarungen, die bezüglich des Ausstiegs getroffen wurden,
(Zurufe)
die Regelungen zum Schadensersatz und die Regelungen zum Atomforum würden infrage gestellt werden. Klagen wären vorprogrammiert. Hinzu kommt die technische Inkompatibilität, die in den Diskussionen immer viel zu kurz kommt. Wir alle wissen, dass Wind- und Solarenergie volatil sind, also schwankend eingespeist werden. Sie sind die Leistungsträger der Energiewende.
Wir brauchen also in Zukunft schnell regelbare Gegenstücke. Das werden neben dem Lastenmanagement in Zukunft vor allem die Speicher sein.
(Zuruf)
Die Technologie für stundenweise und tagelange Speicherung ist vorhanden.
(Zuruf)
Wir müssen beim Aufbau der Infrastruktur schneller werden. Bei den saisonalen Speichern, die im Endspurt der Energiewende richtig relevant werden, brauchen wir noch einige technologische Quantensprünge. Aber wenn ich mir die Entwicklung in den letzten Jahren bei der Speichertechnologie anschaue, dann bin ich völlig entspannt.
(Zuruf: Oh!)
Klar ist: Für die Übergangszeit wird es vermutlich auf schnell und stark regelbare Gaskraftwerke hinauslaufen. Diese müssen allerdings so realisiert werden,
(Zuruf: Wir bauen Gaskraftwerke und lassen die anderen, modernen stehen! Leute!)
dass sie mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Alles andere wäre eine Fehlinvestition.
(Zustimmung)
Atomkraftwerke hingegen würden nur die Stromnetze verstopfen und den Ausbau von erneuerbaren Energien und von Speichern bremsen.
(Zustimmung - Zuruf)
Sie könnten selbst bei einer größeren AKW-Erzeugungskapazität als heute maximal 10 % der Volatilität ausgleichen und müssen dafür im Lastfolgebetrieb gefahren werden. Das war bisher eine absolute Ausnahme und nicht die Regel als nachvollziehbarer Grund. Denn dadurch würde das Störfallrisiko signifikant steigen.
Sowohl der Neubau als auch der Weiterbetrieb der AKW sind dementsprechend weiterhin ein Irrweg. Deswegen ist es so verheerend, dass dies auf europäischer Ebene überhaupt zur Debatte steht: bei der EU-Taxonomie, also der Definition, was nachhaltige Investitionen sind und was damit via Green Deal finanziert werden könnte. Die Atomkraft als nachhaltig zu labeln, ist ein fataler Etikettenschwindel.
(Zustimmung - Zuruf: Was ihr macht, ist Etikettenschwindel!)
Immer wieder höre ich in Debatten, die Klimakrise muss mit technischen Innovationen gelöst werden. Das ist völlig richtig. Nur wurden diese schon längst erfunden und heißen Wind-, Solar- und Bioenergie, Wasserkraft sowie Wasserkraftspeicher. Sie erfüllen das Versprechen, das mit der Atomkraft nie gehalten wurde. Deswegen bleiben wir weiterhin bei unserer Forderung nach einem konsequenten und beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere in unserem Bundesland. - Vielen Dank.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Aldag, es gibt zwei Fragen: eine von Herrn Lizureck und eine von Herrn Erben. Möchten Sie diese beantworten?
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ich werde es versuchen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Sie werden es versuchen. - Herr Lizureck, bitte.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Ich vermisse bei Ihren Ausführungen immer die Frage der Qualität des Netzes. Wir müssen 50 Hz absichern. Ich kann Ihnen versichern, dass wir das selbst jetzt nicht tun. Die Technik entwickelt sich weiter, wie es hier schon gesagt wurde.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ja.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Es gibt hochsensible Werkzeuge, die eine gewisse Qualität des Stromnetzes brauchen.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Haben Sie kein Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst? - Zurufe: Oh! - Weitere Zurufe)
Mit Windenergie und mit Solarenergie kann man keine Grundlast absichern. Wir haben bereits jetzt
(Zurufe - Unruhe)
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Entschuldigung, ich kann Ihre Frage nicht hören, weil hier Tut mir leid.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja, es soll eigentlich eine Debatte sein.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Die ist gerade nicht möglich.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Hier sollen keine Zwischenrufe ausgetauscht werden. - Herr Lizureck, können Sie vielleicht zwei Sätze wiederholen?
Frank Otto Lizureck (AfD):
Meine Frage dazu ist: Haben Sie nicht wahrgenommen, dass Deutschland der einzige Staat in Europa ist, der nicht auf Kernenergie setzt?
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ja.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Kernenergie wird in vielen Staaten gerade zu grüner Energie erklärt.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Das ist ja der Fehler.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Frankreich baut viele Kernkraftwerke. Wir müssen die Diskussion darüber einfach neu entfachen. Wenn Sie auf Solarkraft und auf Windenergie setzen, müssen Sie vorher absichern, dass wir hier eine vernünftige Versorgung haben. Auch wenn Sie fünf, 20 oder 5 000 Windräder haben, sind die Anlagen aus, wenn der Wind nicht bläst. Dann wird uns hier das Licht ausgehen und wir können nicht weiterarbeiten.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Aldag, bitte.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Ich verstehe gar nicht, warum Sie so große Angst davor haben, dass uns hier das Licht ausgeht. Ich habe diese Angst überhaupt nicht.
Herr Striegel hat es richtigerweise erwähnt: Haben Sie Vertrauen in die deutschen Ingenieurinnen und Ingenieure, die in der Lage sind
(Beifall - Zurufe)
- Ach was, wir stehen doch nicht vor einem Blackout. Woher haben Sie denn das?
(Lachen - Unruhe)
- Ach Quatsch! Hör doch auf!
(Lachen - Unruhe)
Ich sehe diese Gefahr nicht. Das einzige Ziel kann doch nur sein
(Zurufe)
- Wir können doch nicht zur Atomkraft zurückkehren. Dieser Prozess ist doch längst zu Ende.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Aldag.
(Anhaltende Unruhe)
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Es kann doch nur Aufgabe, Ziel und Weg sein, die erneuerbaren Energien konsequent auszubauen. Da müssen wir mehr machen und dann können wir auch das Loch stopfen.
(Unruhe - Zurufe)
- Na klar!
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Das waren eine Zwischenfrage und eine Antwort. - Herr Lizureck, Sie haben noch eine Nachfrage? - Aber kurz, bitte.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Herr Aldag, Ihr Vertrauen grenzt an Gottvertrauen.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Nein, weil deutsche Ingenieure eine Lösung haben.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Bevor Sie keine Lösungen haben, können Sie die Atomkraftwerke und die Braunkohlenkraftwerke nicht abschalten; das wird nämlich ins Chaos führen.
(Unruhe)
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Das ist kein Gottvertrauen, sondern Vertrauen in deutsche Ingenieurinnen und an die Technologie hier im Land.
(Anhaltende Unruhe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Das war eine Frage, auf die Herr Aldag geantwortet hat. - Jetzt ist Herr Erben dran, der auch eine Frage hat. - Herr Erben, möchten Sie eine Frage stellen?
Rüdiger Erben (SPD):
Lieber Kollege Aldag, das Meiste von dem, was Sie zum Thema Atomausstieg gesagt haben, teile ich. Ich halte das im Übrigen für eine Gespensterdebatte. Aber Sie haben an einem Punkt etwas erwähnt, was den Bezug zu etwas hat, worüber wir uns beim Kohleausstieg sehr schnell wieder unterhalten werden.
Sie haben erwähnt, dass Erdgaskraftwerke, die man neu baut, die Voraussetzung erfüllen müssen, dass sie später mit Wasserstoff betrieben werden können. Nun wollen wir - jedenfalls Sie nicht - die Kraftwerke nicht im Jahr 2040 bauen dann würden sie ja für den Kohleausstieg nicht mehr viel nützen , sondern sie sollen schnell gebaut werden. Können Sie mir einen Kraftwerkshersteller nennen, der in der Lage ist, heute für Deutschland ein großes Erdgaskraftwerk zu bauen, das Sie anschließend mit Wasserstoff betreiben können?
(Zurufe: Ingenieurskunst ist das! - Vertrauen!)
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Das kann ich im Moment nicht.
(Zurufe)
Aber ich glaube daran. Das habe ich in meiner Rede auch gesagt. Die Entwicklung der letzten Jahre ist doch rasant noch vorne gegangen. Ich habe Vertrauen darin, dass die Entwicklung hier weitergehen wird, die Forschung weitergehen wird.
(Unruhe)
Wir sind doch auf dem Weg. Diesen Weg kann man doch nicht zurückgehen. Man muss ihn doch nach vorne gehen.
(Zuruf: Das ist lächerlich! - Weitere Zurufe)
Ich muss doch Vertrauen haben und in die Forschung investieren, damit wir auf diesem Weg weiterkommen. Ich bin davon überzeugt, dass uns Letzteres gelingen wird.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Erben, Sie haben eine Nachfrage?
Rüdiger Erben (SPD):
Ja. - Nun beharren Sie darauf, dass das letzte Braunkohlekraftwerk in Deutschland im Jahr 2030 vom Netz gehen soll.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Das habe ich nicht gesagt.
Rüdiger Erben (SPD):
Wenn Sie das durch Erdgaskraftwerke ersetzen wollen, müssten Sie langsam darauf hinwirken, dass die anschließend Wasserstoff als Energiequelle nutzen können. Die müssten langsam gebaut werden. Wann wollen Sie denn damit anfangen, wenn Sie heute wissen, dass es noch kein solches Kraftwerk gibt? Letzteres haben Sie heute bestätigt.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Man kann die Kraftwerke auch umrüsten; das ist richtig. Wie gesagt: Wir sind noch in einem Prozess. Ich kann nicht immer sagen, es geht nicht, es geht nicht, es geht nicht. Ich muss doch auch nach draußen die Zuversicht geben, dass wir daran glauben und dass wir zuversichtlich sind, dass das funktionieren wird.
(Unruhe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Wir machen hier keine Zwiegespräche. Ich habe vorhin schon gesagt: „Eine Debatte“.
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Es wäre aber schön, wenn man mit Zuversicht nach vorn geht und nicht ständig auf der Bremse steht.
(Unruhe - Zuruf von Guido Heuer, CDU - Weitere Zurufe)
Das ist doch auch keine Lösung, den Prozess auf den Weg zu bringen, auf der Bremse zu stehen. Das funktioniert doch nicht. Mensch!
(Anhaltende Unruhe - Zurufe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Heuer und Herr Aldag!
Wolfgang Aldag (GRÜNE):
Würdet Ihr seit 16 Jahren nach vorn gehen, dann wären wir schon viel weiter.
(Glocke der Präsidentin)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Nun reicht es langsam! So geht es nicht!
(Unruhe)
Ich kann mich hier nicht auf Zwischenrufe hin auf ein Wortgefecht einlassen. Wir haben hier eine Verabredung, wie das Prozedere ist. - Herr Rausch hat jetzt eine Frage. - Herr Aldag, beantworten Sie noch die Frage von Herrn Rausch?
(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Nein!)
- Nein. Damit wird die Frage auch nicht gestellt.
(Anhaltende Unruhe)
Ich weiß, dass das eine Debatte ist, die einen sehr, sehr langen Vorlauf hat. Die meisten werden sich noch aus Schulzeiten daran erinnern.
(Anhaltende Unruhe)
Aber die werden wir jetzt nicht innerhalb einer halben Stunde hier vollumfänglich nachzeichnen können.