Tagesordnungspunkt 5

Beratung

Niemand soll frieren - Energiepreise jetzt deckeln, Mehrwertsteuer senken!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/344

Alternativantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/374


Einbringerin des Antrages der LINKEN ist Frau Eisenreich. - Verzeihung! Ich weiß, ich bin immer sehr schnell. An dieser Stelle möchte ich noch zwei Entschuldigungen vorbringen. Ich habe gestern bereits darauf hingewiesen: Heute werden der Ministerpräsident und der Wissenschaftsminister wegen einer Bundesratssitzung nicht anwesend seien. Ich möchte das für diejenigen wiederholen, die das gestern möglicherweise nicht mitbekommen haben. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Monaten treibt vor allem die gesteigerte Weltmarktumfrage bei uns die Preise für Öl und Gas in die Höhe. Die Preise für Energie, Heiz- und Kraftstoffe haben das Niveau vor der Coronakrise längst erreicht und wesentlich überschritten. Ja, machtvolle Kartelle und Global Player nutzen zudem die hohe Nachfrage zur Profitmaximierung. Diese Preisspirale gefährdet alle, die für niedrige Löhne schuften, unter Armut leiden, wegen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit Einkommensverluste erleiden oder aus anderen Gründen jeden einzelnen Euro zweimal umdrehen müssen. All diese Menschen können die hohen Energiepreise einfach nicht mehr verkraften. Energie droht, zum Luxusgut zu werden.

In der nun anstehenden kalten Jahreszeit hat das zur Folge, dass Menschen frierend zu Hause sitzen müssen. Über diesen Befund haben wir am Beispiel der Gaspreise in der letzten Landtagssitzung im Oktober debattiert. Aber diese Feststellung muss nun dringend auch zum politischen Handeln auf allen Ebenen werden. Das hat im Übrigen auch die Europäische Kommission erkannt und hat die sogenannte Toolbox geöffnet, mit der die Mitgliedstaaten die Energiepreise senken können.

Ja, in der jetzigen Situation ist es unbedingt notwendig, die Energiepreise zu deckeln. Andere Länder haben es vorgemacht, zum Beispiel Frankreich, Italien oder Spanien. Aber in der Bundesrepublik ist bisher dazu nichts passiert. Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass alle Haushalte einen bezahlbaren Zugang zur Energieversorgung haben und dass Menschen, die in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind, mobil bleiben und eben nicht frieren müssen.

(Beifall)

Deshalb fordert die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Antrag und mit konkreten Maßnahmen die Landesregierung zu entschlossenem Handeln bei der spürbaren und unverzüglichen Entlastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf. Die Menschen müssen vor Energiearmut geschützt werden.

(Beifall - Zuruf)

Diese Energiearmut hat sich in vielen Haushalten seit Jahren verfestigt und spitzt sich durch die enormen Preissteigerungen weiter zu.

(Zuruf: Durch den Kohleausstieg!)

Mit Verlaub: Appelle zum Sparen von Energie sind für diese Menschen der blanke Hohn.

(Zustimmung)

Wer Grundsicherungsleistungen bezieht, der muss sich doch schon lange massiv bei Energie und Mobilität einschränken, weil die Regelsätze längst nicht mehr den Bedarf decken. Diese Kosten müssen beim Lebensunterhalt endlich richtig berücksichtigt werden. Deshalb fordern wir, die Regelsätze auf der Bundesebene endlich deutlich anzuheben.

Ein Großteil der Kosten für die Haushalte machen Strom und Mehrwertsteuer aus. Beide haben aber keinerlei gezielte Steuerungswirkung hinsichtlich des Klimaschutzes. Deshalb soll die Landesregierung im Bund darauf hinwirken, dass der Mehrwertsteuersatz für Energie-, Heiz-, Brenn- und Kraftstoffpreise für private Haushalte möglichst schnell auf 7 % abgesenkt wird. Immerhin hat der Staat mit dem bisherigen Steuersatz stark von den steigenden Preisen profitiert. Deshalb wäre die Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 % finanzierbar, sozial und gerecht.

(Beifall)

Heizen und Tanken müssen bezahlbar bleiben. Auch die Stromsteuer muss endlich auf das von der EU zugelassene Niveau abgesenkt werden. Mit der Reduzierung von derzeit 2,05 Cent/kWh auf 0,1 Cent/kWh könnten Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar entlastet werden. Dies fordert DIE LINKE übrigens seit Jahren auch in diesem Hohen Hause. Hier haben wir diese Forderung inzwischen mehrfach gestellt.

Als Teil eines Maßnahmenpaketes „Sozialgerechter Umbau der Energieversorgung“ soll dies auf der Bundesebene umgesetzt werden. Dies erfordert den entsprechenden Einsatz der Landesregierung.

In diesem Rahmen fordern wir daher auch ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperren. Auch diese Forderung haben wir hier bereits gestellt. Von einem solchen Verbot werden besonders schutzbedürftige Personengruppen wie Familien mit Kindern, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen, Seniorinnen und Senioren sowie pflegebedürftige Menschen profitieren.

Parallel dazu fordern wir die Landesregierung auf, sich für eine Änderung der Stromgrundversorgungsordnung einzusetzen. Mit dieser Änderung sollen Energiedienstleister verpflichtet werden, die Sozialbehörden bei Zahlungsunfähigkeit privater Haushalte zu unterrichten. Hilfe für die Betroffenen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit bzw. auch zur Vermeidung der Überschuldung kann doch nur dann angeboten werden, wenn die Behörden auch Kenntnis von solchen Notsituationen haben. Auch das haben wir hier mehrfach gefordert.

Gegen Energiearmut und zur Sicherung der Grundversorgung mit Energie muss auch die Tarifstruktur bei Strom und Gas zwingend geändert werden. Dass dies der Markt nicht regelt, habe ich schon auf der letzten Landtagssitzung festgestellt. Alle Energieversorgungsunternehmen sollen eine Tarifstruktur anbieten müssen, die sozial gerechte und ökologische Anreize bietet.

(Beifall)

Dazu schlagen wir vor, dass als Sockel ein an der jeweiligen Haushaltsgröße orientiertes festes, möglichst kostenfreies Grundkontingent angeboten wird. Mit diesem soll eine angemessene Grundversorgung sichergestellt werden. Doch anders als die bisher gängige Praxis bei den Tarifen, die besagt, dass die Preise mit zunehmendem Verbrauch immer günstiger werden, soll das System vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden.

(Beifall)

Das heißt, mit zunehmendem Verbrauch sollen die Tarife steigen. Diese Idee teilt im Übrigen auch der Paritätische Gesamtverband. Denn wie ungerecht das jetzige System ist, verdeutlich eine Zeitungsmeldung vor Kurzem, in der Envia-M Preissteigerungen für Kunden ankündigte, die aufgrund der erhöhten Beschaffungskosten notwendig würden. Während sich jedoch - so hieß es in dem Artikel - die Stromrechnung für Haushalte erhöhe, würden bei den Gewerbekunden mit einem höheren Verbrauch die Preise sogar sinken. Das ist auf gar keinen Fall gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das schafft auch keine Anreize, sich um Energieeffizienz und  einsparungen zu bemühen. Da stellt sich im Übrigen auch hier wieder die Frage: Wer bezahlt hier eigentlich die Krise? Das sind die Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen. Das muss sich ändern.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahr 2007 wurde der Strommarkt liberalisiert und wurde die staatliche Strompreisaufsicht abgeschafft. Das hatte dramatische Folgen für die Haushalte, die sich in zunehmender Energiearmut zeigen. Deshalb fordern wir in diesem Rahmen, dass die staatliche Strompreisaufsicht wieder eingeführt wird, um Marktmachtmissbrauch, Manipulation am Strommarkt sowie anderweitige leistungslos erzielte und preistreibende Extraprofite und damit den unbegründeten, willkürlichen Anstieg der Strompreise zu verhindern.

Verbraucherstrompreise müssen künftig durch die Landeskartellbehörden genehmigt werden. Ein Strompreisbeirat aus Vertreterinnen und Vertretern von Gewerkschaften, Verbraucher-, Umwelt- und Sozialverbänden soll in diese Kontrolle zwingend einbezogen werden.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Energie ist eine Ressource und sie ist endlich.

Deshalb führt auch an der Energieeinsparung kein Weg vorbei - nicht nur für private Haushalte, sondern für die gesamte Wirtschaft und Industrie. Um den privaten Haushalten hierbei unter die Arme zu greifen, sollen die Beratungsangebote zum sparsamen Umgang mit Energie aus unserer Sicht für alle kostenlos zur Verfügung stehen.

Das rechnet sich letztendlich nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern eben für alle. Die von der Energieberatung unterbreiteten Vorschläge zur Energieeinsparung machen allerdings auch Investitionen der Verbraucherinnen und Verbraucher erforderlich, die sich nicht alle in gleichem Maße leisten können, vor allem dann nicht, wenn es um größere Anschaffungen geht.

Deshalb setzt an dieser Stelle eine weitere Forderung von uns an, nämlich dass Menschen, die Hartz IV, Sozialhilfe, Wohngeld oder einen Kinderzuschlag beziehen, Zuschüsse bekommen, wenn sie energieintensive Altgeräte gegen energiesparende Haushaltsgeräte austauschen. Das soll im Übrigen auch für Haushaltsinstallationen gelten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aktuellen Verwerfungen des Marktes mit der Explosion der Energiepreise gefährden die energetische Grundversorgung zahlreicher Menschen in unserem Land und damit auch deren gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb sind aus unserer Sicht für die Verbraucherinnen und Verbraucher gerade jetzt staatliche Garantien und unverzügliche Maßnahmen notwendig, damit sie im Winter nicht zu Hause frieren und nicht im Dunkeln sitzen müssen, weil Energie für sie unbezahlbar geworden ist.

Lassen Sie die Menschen nicht die Zeche für eine verfehlte Energiepolitik zahlen, die immer noch zu stark auf fossile Energieträger setzt und damit Abhängigkeiten schafft, statt den Ausbau der erneuerbaren Energien konsequent voranzutreiben.

(Zustimmung)

Es ist eine Energiepolitik, die einen hohen Verbrauch von Energie belohnt und einen geringen Verbrauch mit höheren Tarifen bestraft. Das ist sozial ungerecht sowie ökologisch absolut unsinnig und muss dringend geändert werden. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Zustimmung)