Eva von Angern (Die Linke): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich aus-drücklich bei den Kolleginnen für die sehr sachlichen Redebeiträge bedanken.

Frau Gensecke, ich habe die Hoffnung auch noch nicht aufgegeben. Allerdings alles, was aus den Sondierungsgesprächen   ich erinnere noch einmal an den Wahlkampf   hervorgegangen ist, lässt mein Vertrauen tatsächlich mit Sorge zurück.

Ich habe natürlich auch Herrn Krull heute zugehört, der auf seine besondere Art deutlich gemacht hat, dass er Äußerungen, die aus der eigenen Partei gekommen sind, die in die Richtung gingen, dass vermeintlichen Totalverweigerern kein Cent mehr gezahlt werden dürfte, ausdrücklich nicht teilt. Das begrüße ich durchaus.

Ich weiß allerdings auch, dass Sie nicht mit am Verhandlungstisch sitzen. Ich bin gespannt, inwiefern sich die Sozialdemokratie bei ihrem Prestigeprojekt   das muss man ganz klar sagen   der letzten Wahlperiode, das in den letzten Jahren nicht so umgesetzt worden ist, wie Sie sich das wahrscheinlich gewünscht hätten, durchsetzt.

So sehr ich mich für die Sachlichkeit meiner Kolleginnen bedanke, so sehr bedauere ich, dass es nicht gelingt, auch innerhalb einer Koalition einer Ministerin zuzuhören. Frau Grimm-Benne, Sie haben aus meiner Sicht, auch wenn Sie nur die Botschafterin der Zahlen waren, eine wichtige Funktion einge-nommen. Wenn man zugehört hätte, dann hätte man bestimmte Dinge aus der eigenen Rede strei-chen können, wenn nicht gar müssen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP! Ihr Redebeitrag   das finde ich tatsächlich frevel-haft   zeigt, dass Sie ein Menschenbild pflegen, das vor allem von Missbrauchenden geprägt ist.

(Ulrich Siegmund, AfD: Was!)

Das ist nicht das erste Mal. Das ist auch an Äußerungen an vielen anderen Stellen zu sehen. Ich be-dauere das sehr. Ich bedauere das deswegen, weil Sie damit ein Klima anheizen. Ich finde auch   das sage ich ganz deutlich  , damit sind Sie von dem Weg der Liberalität, den Sie eigentlich vertreten woll-ten   zumindest in den Gründungsdokumenten der FDP kann man davon lesen   abgekommen.

Das bedauere ich tatsächlich sehr; denn solche Sätze wie „Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten“ verbietet sich einfach einmal nach den Zahlen, die Frau Ministerin vorgetragen hat.

(Zustimmung bei der Linken - Guido Kosmehl, FDP: Warum denn?)

Das ist ein Schlag ins Gesicht der Alleinerziehenden. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Aufstockerinnen und Aufstocker.

(Ulrich Siegmund, AfD: Aufstockerinnen und Aufstocker! - Guido Kosmehl, FDP: Die gehen doch aber arbeiten!)

Sie müssen doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass es nicht wenige Menschen in unserem Land gibt, für die das Gehalt zum Leben nicht reicht. Ich kann Ihnen sagen: Die schämen sich, dass sie trotz Arbeit noch zum Amt gehen müssen. Ich kenne nicht wenige Alleinerziehende, die würden gern mit dem Geld klarkommen, das sie verdienen, aber es wird ihnen nicht möglich gemacht, allein von diesem Geld zu leben. Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen.

Zu dem ganzen Quark mit Fehlanreizen und mit „was kümmert uns die Verfassung“. Nein, ich finde, auch Sie haben eine Verantwortung dafür, dass solche Debatten sachlich geführt werden, dass Sie die Zahlen zur Kenntnis nehmen und dass Sie an dieser Stelle nicht einfach so darüber hinweggehen.

Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen, bin ich mir sehr sicher, dass wir das Thema an dieser Stelle wieder aufrufen werden. - Danke.

(Beifall bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es gibt eine Intervention von Herrn Pott.


Konstantin Pott (FDP):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegin! Offensichtlich haben Sie mir nicht ganz richtig zugehört.

(Ulrich Siegmund, AfD: Ja!)

Sie haben das Zitat gebracht „Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten“. - Das ist vollkommen richtig. Sie haben danach aber Beispiele von Leuten gebracht, die alle arbeiten gehen und die wir auch unter-stützen wollen.

(Zustimmung bei der FDP)

Genau das habe ich in meinem Redebeitrag deutlich gemacht. Sozialstaat heißt nicht, dass die einen immer nehmen und die anderen immer geben, sondern Sozialstaat heißt: Wenn man Hilfe braucht, dann wird einem geholfen.

(Zustimmung bei der FDP)

Aber man sollte immer versuchen   das ist das liberale Menschenbild und das liberale Weltbild, das wir haben  , dass die Menschen in die Lage versetzt werden, auf eigenen Beinen zu stehen und dass sie nicht von Sozialleistungen abhängig sind.

Auch dafür, wie wir das angehen können, habe ich mehrere Beispiele genannt, bspw. über steuerli-che Anreize, nämlich, dass wir direkt bei den Menschen, die wenig verdienen, mehr lassen, bspw. über Weiterbildungsmöglichkeiten, über Aufstiegschancen und über Chancengerechtigkeit. Das sind die Punkte, die wir doch voranbringen müssen, damit es in diesem Land auch wieder vorangeht.

(Zustimmung bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau von Angern, wollen Sie doch reagieren?


Eva von Angern (Die Linke): 

Ja. Danke, Frau Präsidentin. - Ich bin gespannt, wie das ankommt, wenn Sie so einen Redebeitrag ei-ner alleinerziehenden Mutter erzählen. Das können Sie gern machen. Das wird nur nicht ankommen.

(Guido Kosmehl, FDP: Das machen wir auch! Wir reden auch mit denen! Was haben Sie denn für ein Bild von uns?)

Ich glaube, dass das Bild, das ich von Ihnen habe, realitätsnah ist.

(Kathrin Tarricone, FDP: Nein! - Jörg Bernstein, FDP: Nein! Realitätsnah sind Sie ganz bestimmt nicht! - Guido Kosmehl, FDP: Mit einer Viertelmillion Jahresgehalt! - Weitere Zurufe von der FDP)

Herr Pott, ich nehme aber zur Kenntnis, dass Sie die neuen Verfechter und Unterstützer der Linken, der GRÜNEN und der SPD hinsichtlich der Forderung sind, dass der Mindestlohn dringend erhöht werden muss; denn der Mindestlohn sorgt derzeit nicht dafür, dass man nicht aufstocken muss und dass man nicht später im Alter in Armut leben muss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Wir sind am Ende der Debatte angelangt.