Henriette Quade (fraktionslos):

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Vorblatt und in der Begründung zum Gesetzentwurf lesen wir von der Zielstellung, das Aufnahmegesetz in Sachsen-Anhalt fortzuentwi-ckeln und zu modernisieren. Was wir im Gesetzentwurf finden, ist die unumgängliche Anpassung der Verweilstellen, die so ein Gesetz eben nun einmal hat einerseits und eine verfassungsrechtlich hoch-gradig bedenkliche Einschränkung von Grundrechten andererseits. Sachsen-Anhalt - Land der Mo-derne.

Das ist definitiv nicht die Fortentwicklung, die man braucht und die diejenigen, die den Alltag in Ge-meinschaftsunterkünften und seine vielfältigen Probleme kennen, seit Jahren einfordern. Eingefor-dert werden verbindliche Mindeststandards für die Unterbringung Geflüchteter und Asylsuchender, die Festschreibung bedarfsgerechter psychologischer Betreuung und Behandlung, eine klare Benen-nung aller vulnerablen Gruppen entsprechend der EU-Aufnahmerichtlinie, verbindliche landesweite Vorgaben, was eigentlich geeignete Gewaltschutzmaßnahmen sind, genauso verbindliche Vorgaben für die Feststellung der Schutzbedarfe, die Verpflichtung zu spezifischen Gewaltschutzkonzepten, die Etablierung eines unabhängigen Beschwerde- und Monitoringsystems und nicht zuletzt eine grund-sätzliche Überwindung des in so vieler Hinsicht problematischen, schädlichen und teuren Prinzips Gemeinschaftsunterbringung als Regelunterbringung.

Das alles findet wir nicht im Gesetzentwurf, dafür aber eine verfassungsrechtlich hoch problemati-sche Einschränkung, eine Ermächtigung privater Dritter, wie z. B. Security-Firmen, die ohnehin be-schädigte und eingeschränkte Privatsphäre derjenigen, die ohne irgendeine Wahl zu haben, auf An-ordnung einer Behörde in Zimmern oftmals mit fremden Menschen zum Teil für lange Zeit zwangs-weise wohnen müssen, noch weiter verletzen zu dürfen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

In der Praxis heißt das, dass Menschen, die weder dafür ausgebildet sind noch beamtenrechtlich da-ran gebunden sind, die Abwägung von Verfassungsgütern wie den Grundrechten eines Menschen, an die das Bundesverfassungsgericht besonders hohe Hürden stellt, vornehmen dürfen. Das ist we-der verhältnismäßig noch genügt es dem Grundsatz der Bestimmtheit. 

Das Psychosoziale Zentrum weist darauf hin, dass mit solchen Verletzungen der Privatsphäre ver-bundene Retraumatisierungen von Bewohnerinnen keineswegs ein theoretisches Problem benannt wird, sondern ein praktisches. Das sind die Probleme, die das PSZ vor dem Hintergrund der Praxis hier in Sachsen-Anhalt bereits benennt.

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Die überfällige Klarstellung, dass Wohlfahrtsverbänden und Beratungs- und Unterstützungsstruktu-ren Zugang zu Gemeinschaftsstrukturen zu gewähren ist - das ist der einzige positive Punkt in diesem Gesetzentwurf  , kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gesetzentwurf das Gegenteil dessen ist, was man eigentlich braucht. Ich lehne ihn deshalb ab. - Vielen Dank.