Andreas Henke (Die Linke):
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Jahr bin ich seit 35 Jahren in der Kommunalpolitik tätig, davon rund 22 Jahre im Kreistag. Ich habe in dieser Zeit ein Auf und Ab erlebt, mal mehr, mal weniger gute Jahre, auch mal schlechte Jahre, aber dann gab es immer wieder einen Hoffnungsschimmer. Aber die jetzt wirklich langanhaltende Phase der schlechten Zeiten für die Landkreise, für die überwiegende Zahl der Landkreise, was ihre Finanzsituation angeht, das ist schon von dramatischem Ausmaß. Insofern gibt dieser Gesetzentwurf, auch wenn wir heute nicht über das FAG reden, doch noch einmal explizit Gelegenheit, darauf hinzuweisen.
Die Landkreise stehen seit Jahren vor immensen Herausforderungen, deren Bewältigung bis heute nicht nur viel Kraft, sondern vor allem viel Geld kostet. Die Handlungsspielräume der Landkreise sind mittlerweile auf das Äußerste strapaziert. Da sind die stetig steigenden Sozialausgaben, die - wir haben es eben schon gehört -wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine, die Unterbringung Geflüchteter, die Integration Geflüchteter. Wir haben höhere Investitionskosten, nicht nur, weil wir mehr investieren, sondern auch, weil es extreme Kostensteigerungen und Preissteigerungen in den verschiedensten Gewerken gibt. Hinzu kommen die Kosten für die Erreichung der Klimaneutralitätsziele und nicht zuletzt die stark gestiegenen Personalausgaben in den Landkreisen. Das geschieht alles bei einer ohnehin seit Langem bestehenden chronischen Unterfinanzierung, die letztlich im letzten Jahr zu einem Rekorddefizit aller Landkreise bundesweit in Milliardenhöhe geführt hat - und nicht nur das, sondern auch die bisherigen Konsolidierungsbemühungen der Landkreise zunichtegemacht hat.
Das Beispiel des Landkreises Harz. Vorgestern Abend: Diskussion - Beschluss Haushaltssatzung, Haushaltsplan, Konsolidierungskonzept. Das voraussichtliche Jahresergebnis des Landkreises Harz liegt bei etwa minus 21 Millionen €. Das geplante Jahresergebnis für den Landkreis Harz für das Jahr 2025 liegt bei etwas über minus 6 Millionen €. Die Konsolidierung nimmt Prozesse, Personal, Beteiligungen, Standorte, Fahrzeuge und natürlich auch freiwillige Aufgaben in den Blick, die aber mit einem Anteil von etwas mehr als 3 % an den Gesamtaufwendungen ohnehin nur noch einen marginalen Anteil ausmachen.
Der hohen Belastung auf der Aufgabenseite stehen nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten auf der Einnahmenseite gegenüber. Gebühren, Fischerei- oder Jagdsteuer sind nun wirklich nicht die großen Hebel. Das einzig nennenswerte Instrument ist die Kreisumlage, allerdings nach einer sehr umfangreichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch nur noch eingeschränkt, da bei der Abwägung des Finanzbedarfs einerseits der Landkreise und andererseits der Gemeinden deren finanzielle Mindestausstattung nicht verletzt werden darf.
Die jetzt zu diskutierende Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes, die Definition der Kriterien und Kennzahlen zur Beurteilung der Finanzkraft der Kommunen, wird nach meiner Einschätzung den Interessenkonflikt zwischen beiden Seiten zwar nicht befrieden, wohl aber - auch das ist festzustellen - mehr Rechtssicherheit bieten.
Es ist richtig, dass der Saldo aus Einzahlungen und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit ein Indikator für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen ist. Allerdings - das vermisse ich in diesem Gesetzentwurf - ist zu berücksichtigen, dass die Städte und Gemeinden aus einem positiven Saldo zunächst auch die Tilgungen für Investitionskredite, die Rückzahlungen für Darlehen, für Kassenkredite leisten müssen und natürlich auch Abschreibungen bilden müssen. Erst die danach verbleibenden Mittel stehen für andere Aufgaben, z. B. zur Finanzierung neuer Investitionen, zur Verfügung.
Was aus dem Gesetzentwurf nicht hervorgeht, ist der Aspekt, dass neben dem Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit auch der Saldo aus der Finanzierungstätigkeit, der Finanzierungssaldo, ein wichtiger Indikator ist. Er beschreibt das Verhältnis zwischen den Ein- und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit und den Ein- und Auszahlungen für Investitionen. Erst die Gesamtbetrachtung beider Salden lässt den Schluss zu, ob am Ende des Jahres noch Geld übrig ist, um neue Aufgaben zu erfüllen, neue Investitionen zu tätigen, oder ob wieder Geld von der Hausbank geliehen werden muss.
Alles in allem bietet der Gesetzentwurf mit dieser Festlegung richtige Ansätze. Aber erst die Betrachtung beider Salden lässt eine realistische Einschätzung der Finanzkraft der Kommunen zu. Insofern werden wir in den Ausschüssen über diese Details reden müssen. Deshalb empfehlen auch wir die Überweisung an die Ausschüsse. - Vielen Dank.