Dr. Falko Grube (SPD):
Das hat mich die ganze Zeit gestört. - Herr Präsident! Hohes Haus! Der Bundesrat hat am letzten Frei-tag die Reform der Schuldenbremse beschlossen. Damit wird ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden € für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 eingerichtet. Weitere 500 Milliarden € sollen in die Verteidigungs-fähigkeit der Bundesrepublik und in die Bündnisfähigkeit der Bundeswehr im Zusammenspiel mit den europäischen Partnern und mit dem transatlantischen NATO-Restbündnis fließen. 100 Milliarden € sollen an Länder und Kommunen gehen.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund muss man keine prophetische Gabe haben, um zwei Dinge vorherzusagen:
Erstens. Wir werden hier in Sachsen-Anhalt und in allen anderen Bundesländern sehen, dass sich auch diejenigen, die im Brustton der Überzeugung erklären, wie schlimm das mit der Reform der Schuldenbremse sei, mit Vorschlägen überbieten werden, was mit dem Geld anzustellen ist.
(Zustimmung bei der SPD - Guido Kosmehl, FDP: Man kommt doch gar nicht zu Wort!)
Es wird dann pflichtgemäß noch die eine oder andere Krokodilsträne vergossen werden um das, was die in Berlin der armen, heiligen, geschundenen Schuldenbremse angetan haben. Dann wird mit dem tränennassen Taschentuch gleichzeitig der Stapel an Änderungsanträgen zum Haushalt auf den Tisch geknallt werden, verbunden mit dem Hinweis, eigentlich reicht das Geld nicht. Wir werden in diesem Haus viel fortgeschrittene Schauspielkunst erleben. Für all diejenigen, die auf derlei mimische Glanz-leistungen stehen, sei schon heute die Vorbestellung von reichlich Popcorn angeraten.
Zweitens. Man kann vorhersagen, dass die Schuldenbremsenpuristen noch Hoffnung haben können. Noch bremst die Schuldenbremse nicht auf der Felge. Die im Bundestag und Bundesrat können be-schließen, was sie wollen, noch gibt es einen zuverlässigen, unzerstörbaren Bremsbelag: das deut-sche Planungsrecht. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann stehen die Milliarden nur auf dem Papier, dann hat der Bundesrat am Freitag die größte globale Minderausgabe der deutschen Ge-schichte beschlossen.
Die 1 000 Milliarden € - 1 Billion €! - sollen in zwölf Jahren ausgegeben werden, aber wenn alles so bleibt, wie es ist, dann haben wir in zwölf Jahren vielleicht zehn Baugenehmigungen für drei Kaser-nen, zwei Panzergaragen und fünf Brückenneubauten,
(Zuruf von der FDP: Ja!)
aber wir haben nicht das, was wir brauchen: eine funktionierende Infrastruktur und eine einsatzfähi-ge Bundeswehr. Deshalb muss sich daran etwas ändern.
Das, was ich eben ein bisschen pointiert vorgetragen habe, hat einen realen Hintergrund. Vor sechs Tagen, am 21. März 2025, wurde der letzte Abschnitt der A 49
(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)
zwischen dem Anschluss Schwalmstadt und dem Autobahndreieck Ohmtal freigegeben.
(Guido Kosmehl, FDP: Genau!)
Das Ganze hat 50 Jahre gedauert, für 98,8 km, also für 2 km im Jahr - fast.
(Guido Kosmehl, FDP: Wer hat gebremst?)
- Die GRÜNEN.
(Zustimmung bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Richtige Antwort! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, lacht)
Gemessen daran ist der Bau des Berliner Flughafens ein glattes Schnellverfahren gewesen. Nun müs-sen wir gar nicht so weit in die Ferne schweifen. Auch wir haben ein Beispiel für lange Verfahren mit der A 14 bei uns vor der Haustür. Seit dem Jahr 2004 steht die heute im Bau befindliche Variante fest. Es sollte damals 700 Millionen € kosten. Heute sind wir schon bei geschätzten Kosten in Höhe von 2,3 Milliarden € und bei einem Bauende im Jahr 2030.
(Sven Rosomkiewicz, CDU: Na ja! Und wer bremst dabei!)
Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Das Thema Planungsbeschleunigung ist nicht erst seit letztem Freitag ein Thema. Wir müssen das nicht nur beschleunigen, weil wir die Bundeswehr auf Vordermann bringen müssen. Wir müssen das auch machen, weil wir neue Radwege brauchen, bar-rierefreie Haltestellen, Schulen, Kitas, noch ein paar Kilometer Autobahn, Brücken und elektrifizierte Schienenwege. Vor diesem Hintergrund bin ich den Kolleginnen und Kollegen der CDU dafür dankbar, dass sie das Thema heute so prominent auf die Tagesordnung gebracht haben.
Die Feststellung, die hier alle Vorredner getroffen haben und die wahrscheinlich auch alle nachfol-genden Reden beinhalten werden, ist aber nicht neu. Die Forderung nach einer Planungs-, Genehmi-gungs- und Umsetzungsbeschleunigung ist es auch nicht. Wenn wir heute hier den Antrag stellten, der Landtag wolle beschließen, dass die Planung und Realisierung von Bauvorhaben beschleunigt werden, dann würde das eine breite Mehrheit finden. Das ginge wahrscheinlich einstimmig aus.
Was kann man denn nun konkret machen, außer, diese Forderung zu erheben? Ich will ein paar Punkte nennen. Der eine oder andere ist möglicherweise ein bisschen ungewöhnlich.
Erstens. Wir brauchen eine Überprüfung der Tatbestände, für die ein Planfeststellungsverfahren notwendig ist.
(Kathrin Tarricone, FDP: Ja!)
Warum muss es für den Ersatzneubau einer Brücke ein Planfeststellungsverfahren geben?
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Katrin Gensecke, SPD)
Warum muss das für eine barrierefreie Haltestelle so sein, obwohl nur der Bordstein ein bisschen hö-her gelegt wird?
(Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD)
Warum muss es ein Planfeststellungsverfahren geben für die Elektrifizierung einer Bahnstrecke oder für den Bau einer Strecke auf einer Trasse, die einfach nur stillgelegt wurde?
Wenn man die Frage so stellt, dann fallen einem bestimmt noch ein paar andere Tatbestände ein. Das zu ändern, ist zunächst Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Aber, ja, auch wir als Land sollten mittun. Ich weiß, dass das MID an der einen oder anderen Frage schon arbeitet. Vorschläge sind bald zu er-warten.
Zweitens. Wir müssen das Vergaberecht überarbeiten. Nein, die FDP - die SPD! die FDP mit Sicherheit anders - will das Landesvergabegesetz nicht abschaffen.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Ach, schade!)
Keine Sorge. Ich will auf etwas anderes hinaus. Der Brückenbau hier in Magdeburg an der Strombrü-cke wurde verzögert, weil es im Vergabeverfahren einen minimalsten Fehler gab. Wir brauchen eine Regelung, dass solche Dinge in Zukunft Vergaben nicht mehr ungültig machen.
(Guido Kosmehl, FDP: Aha!)
- Ich sage ja, ein paar unkonventionelle Sachen. - Viele Baufirmen beklagen, dass heute in den Ver-waltungen immer mehr Juristen und immer weniger Planer zu finden sind.
(Kathrin Tarricone, FDP: Ich weiß!)
Das liegt genau an solchem Irrsinn. Ich sehe dabei großen Handlungsbedarf.
(Zustimmung bei der FDP und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)
Drittens. Wir brauchen im Hochbau einen breiten Katalog von Musterbauten, nicht nur für die Kaser-nen und Panzergaragen, die ich schon genannt habe, sondern gern auch für Kitas, für Schulen und für was auch immer. Das kann im Land überall gleich oder ähnlich aussehen. Dann braucht man auch nicht jedes Mal eine neue Baugenehmigung. Wir brauchen einen Katalog dieser Bauten. Für diese muss grundsätzlich und generell eine Genehmigungsfiktion gelten. Wenn sich das Amt nach drei Mo-naten nicht meldet, dann kann gebaut werden.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Genau!)
Viertens: Digitalisierung. Es muss möglich sein, die Prozesse zu beschleunigen, weil die Zeiten Ge-schichte sein werden - in vielen Teilen dieses Landes ist es heute schon Geschichte -, in denen man Anträge per Papier einreicht. Wenn ich Bauanträge elektronisch einreiche, dann muss es in Zukunft eine KI geben, die eine Plausibilitätsprüfung vornimmt.
(Zustimmung bei der FDP - Kathrin Tarricone, FDP: Jawohl!)
Ehrlich gesagt, wenn die damit durch ist und das Dokument angenommen wurde, dann sollte es auf-grund von Formfehlern auch keine Klagemöglichkeit mehr geben.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
Wenn einmal geprüft und bestätigt worden ist, dass alles da ist, dann kann hinterher nicht geklagt werden, weil irgendetwas fehlt - einmal da, einmal durch.
Fünftens. Der Punkt ist für uns ein bisschen heikler. Die CDU hat ja das Thema der Abschaffung des Verbandsklagerechts aufgerufen. Eines vorab: Wir wollen diese heilige Kuh nicht schlachten.
(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Seid doch einmal mutig!)
Ich finde aber, wir müssen einmal darüber reden, ob die heiligen Kühe überall ihr Häufchen machen dürfen.
(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)
Ich finde, wir müssen das einmal evaluieren. Wenn das Verbandsklagerecht dazu dient, wirkliche Verbesserungen für die Umwelt zu erreichen, dann ist das ein gutes Recht, dann ist das ein notwen-diges Recht. Wenn es nur dazu dient, Dinge „teuer zu klagen“, dann ist es das nicht.
(Zustimmung bei der FDP)
Wenn man sich die Geschichte der Klageverfahren um die A 14 anschaut, dann gibt es bei den vielen Verfahren wenige Urteile. Es gibt aber viele Einigungen und zurückgezogene Klagen. Mich würde am Ende, wenn das Ding irgendwann fertig ist, schon einmal interessieren, wie viele der Fledermaus- und Wildbrücken von den Tieren wirklich genutzt werden oder ob das einfach teure Trophäen zur Ge-sichtswahrung sind.
(Zustimmung von Detlef Gürth, CDU)
Meine Damen und Herren! Wir als Land werden das Unsere dafür tun. Die Landesbauordnung ist schon angesprochen worden. Sie wird gerade novelliert. Wir haben im Ausschuss alle Beteiligten dazu aufgerufen, Vorschläge zu machen. Wir haben uns als Fraktion, aber auch als Koalition dazu ver-pflichtet, das, was umsetzbar ist, auch tatsächlich umzusetzen. Auch die Bundesregierung muss das Ihre tun. Ich hoffe, dass sie wirklich Substanzielles auf die Straße bringt, damit wir substanziell besse-re Straßen kriegen.
Wir sind gespannt darauf und werden uns weiter einbringen. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Grube, es gibt zwei Nachfragebedarfe oder Interventionen. Das war jetzt nicht ganz klar. Ich ge-he davon aus, dass Sie das beides zulassen. Dann würde ich Herrn Borgwardt als Erstem das Wort geben. - Bitte sehr.
Siegfried Borgwardt (CDU):
Herr Präsident, danke. Ich hatte es nach dem üblichen Verfahren mit Melden angezeigt. Das gilt zu-mindest, wie ich es noch weiß, als Anfrage.
Ich teile im Grundsatz, lieber Falko Grube, deine Ausführungen. Es gibt für mich zwei Punkte, die ich gern hinterfragen würde.
Verbandsklagerecht: Wer schon länger in diesem Hohen Hause sitzen darf, der weiß, dass wir einmal einen hatten, der hieß: Wendenkampf, BUND. Er ist bei den GRÜNEN gewesen - weil ich das vorhin hörte: nicht ideologisch. Dem haben wir mehrere Millionen Euro bei der A 14 durch Zusatzmaßnah-men im Vertrag gewährt. Es gab einen Richterspruch und dann gab es eine Einigung. Dann hatte er sich aus irgendwelchen Gründen mit den GRÜNEN überworfen,
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das ist 25 Jahre her!)
ist vom BUND weggegangen - der hatte das damals genehmigt - und hat eine andere Organisation gegründet. Jetzt klagt er wieder. Ist das nicht ein Missbrauch des Verbandsklagerechts, wenn man schon einmal die Forderung derselben Person realisiert hatte und diese jetzt ein anderes Mal klagt? Das wäre meine Frage.
Außerdem halte ich nicht allzu viel von der Einlassung der GRÜNEN, dass das nicht aus ideologischen Gründen passierte. Welche Sachgründe gäbe es denn sonst, wenn man vorher eine Einigung an-nimmt, dann wechselt und für einen neuen Verband wieder klagt mit denselben Argumenten?
Dr. Falko Grube (SPD):
Also, die Frage an die GRÜNEN will ich jetzt nicht beantworten. Das wollen sie nicht und ich will es auch nicht. Das ist aber völlig in Ordnung.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Verbandsklagerecht!)
- Ja, das mache ich schon. - Es gibt mit Sicherheit Klagen, die nicht dafür da sind, der Umwelt zu hel-fen, sondern um es „teuer zu klagen“. Das finde ich kritikwürdig. Darüber müsste man reden. Ob das alle Klagen des Akteurs betrifft, den Sie gerade genannt haben, das kann ich nicht einschätzen. Ich will auch nicht sagen, dass alles, was der BUND oder die Naturfreunde gegen die A 14 vorgebracht ha-ben, immer nur aus ideologischen und verzögerungstaktischen Gründen geschehen ist. Dann müsste man sich die Sachen angucken. Es gibt aber auf jeden Fall solche, und es gibt auch Äußerungen, es soll geklagt werden, um es am Ende so teuer zu machen, dass man es verhindert.
Ich finde, wir sollten das Verbandsklagerecht auch noch aus einem anderen Grund evaluieren. Bis jetzt haben Leute immer nur gegen Autobahnen geklagt. Wenn man sich die Geschichte der USA an-schaut - wir haben dort ein paar MAGA-Fans sitzen -, dann weiß man, es gibt die Gebrüder Koch. Die haben in weiten Teilen des mittleren Westens der USA viel Geld ausgegeben, um gegen einen ÖPNV vorzugehen. Klassische Autofahrlobby. Sie wollten keinen ÖPNV haben.
Was passiert eigentlich, wenn sich hier Verbände aus dem politischen Bereich einmal aufmachen, um gegen die Elektrifizierung von Schienenwegen oder gegen Radwege zu klagen? Ich will das nicht. Ich hätte gern elektrifizierte Schienenwege. Ich hätte auch gern Radwege. Das ist auch ein Grund, warum ich sage, das muss man zumindest einmal besprechen.
Das Verbandsklagerecht ist eingeführt worden, bevor es eine umfangreiche Umweltgesetzgebung und auch eine umfangreiche Rechtsprechung dazu gab. Wir sind heute auf einem anderen Level. Umweltschutz passiert heute schon in den Planungsverfahren, sicherlich nicht immer richtig, dann muss man es sich angucken. Aber trotzdem: Abschaffen wollen wir es nicht.
(Ministerin Eva Feußner: Na, was denn dann!)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Bevor Frau Tarricone das Wort ergreift, möchte ich sagen: Wir haben es manchmal, dass sich jemand zu einer Frage meldet, sich dann aber überlegt, doch lieber eine Intervention zu machen, und an das Mikro geht. Wer am Mikro steht, der hat keine Frage, sondern eine Intervention. Ich kann mich in die Gedanken der jeweils Fragenden nicht so tief eingraben und sage deshalb, am Ende ist es mir egal. Sie können reden und er kann antworten. - Frau Tarricone, Sie haben das Wort.
Kathrin Tarricone (FDP):
Vielen Dank. - Meine Wortmeldung ist eine Intervention. Das klingt ja immer so negativ. Das ist gar nicht meine Absicht. Ich will nämlich etwas ganz Positives sagen. Vielen Dank, Herr Dr. Grube. Das war nämlich ein Paradebeispiel dafür, wie man Lösungen bringt, statt mobile Klagemauer zu spielen. Vielen Dank.
(Zustimmung bei der FDP - Zuruf: Richtig!)
Dr. Falko Grube (SPD):
Den Dank gebe ich zurück, Frau Kollegin.
(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann sind wir am Ende des Redebeitrags angelangt.