Olaf Meister (GRÜNE):

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich für die sehr sachliche Debatte bedanken. Herrn Korells Rede hat mich beschäftigt. Denn ich meine schon, dass Sie ein Zerrbild zeichnen. Ich glaube Ihnen, dass Sie es so wahrnehmen. Wenn man aber 1990 hier im Osten, in der DDR gelebt hat, dann braucht man sich nur die damalige und die heutige Lebensqualität ansehen in all den Lebensbereichen wie Wohnen, Verkehr oder auch Infrastruktur. Wir jammern hier auf einem sehr hohen Niveau. Darüber haben wir gestern groß geklagt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Anne-Marie Keding, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)

Im Verhältnis zu dem, was wir in der DDR erlebt haben, ist es ein hohes Niveau. Gehen Sie heute einmal durch Quedlinburg und schauen Sie sich die alten Bilder an. Die Stadt würde es heute so in dieser Form nicht geben, wenn nicht genau zu jenem Zeitpunkt die Wende gekommen wäre.

Die Umweltpolitik treibt meine Fraktion immer um. Schauen Sie einmal auf die Elbe. Damals wäre niemand auf die Idee gekommen, in der Elbe zu baden. Das war absolut undenkbar. Tatsächlich hat sich in sehr vielen Bereichen sehr viel getan. Die Aussage, es gebe eine Politik des Stillstands, ist schlicht falsch.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Anne-Marie Keding, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)

Trotzdem - dafür brauchen wir nur auf die Statistiken zu schauen - wissen wir auch alle, dass Einkommen und Vermögen unterschiedlich verteilt sind und dass wir insbesondere auch - fast alle Vorrednerinnen und Vorredner sind darauf eingegangen - bei der Repräsentanz tatsächlich ein Problem haben. Dass der Osten nicht so repräsentiert wird, wie es auch nach seiner Bevölkerungsstärke der Fall sein müsste, ist ein Punkt.

Frau Pähle auf die Minister und Ministerinnen aus Ostdeutschland eingegangen. Ja, es müssen am besten Leute am Kabinettstisch sitzen, die das machen. Ich meine, dass der Ostbeauftragte tatsächlich auch diesbezüglich eine Funktion hätte.

Das Zukunftszentrum wurde erwähnt. Tatsächlich ist auch das eine Möglichkeit zu wirken. Es geht so in die Richtung, die ich auch eingefordert habe, nämlich dieses Suchen nach neuen Wegen, damit nicht einfach so weitergemacht wird. Der Ministerpräsident ist auf die Koalitionsverhandlungen eingegangen. Das ist mir eigentlich fast zu klein. Wir müssen eigentlich nach anderen Wegen suchen. Wir müssen schauen, wie das hier weitergeht.

Das betrifft nicht nur Fragen zu Wirtschaft, Umwelt, Infrastruktur und dergleichen, sondern auch die Frage, wie es mit unserer Demokratie weitergeht. Wie erreichen wir die Menschen? Wir haben die Wahlergebnisse gesehen. Diesbezüglich muss etwas passieren. Ich meine, das muss passieren.

Herr Kurze meinte, dass sich die GRÜNEN auf einmal darum kümmern. Dazu kam der Zwischenruf „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“. - Jawohl! Tatsächlich fühle ich mich sehr gut aufgehoben in Ostdeutschland und im BÜNDNIS 90.

Dann will ich noch etwas zu Herrn Tillschneider sagen. Herr Tillschneider, Sie sind geradezu der Prototyp dafür, wozu wir früher „der Wessi“ gesagt haben. Sie sind wirklich westdeutsch sozialisiert, kommen dann hierher, rufen „Ost-, Ost-, Ostdeutschland“ und erklären uns, dass es super ist, dass die Römer nicht hier waren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Die Slawen waren aber da. Ich will darauf hinweisen, dass Sie möglicherweise Ihr Geschichtsbild noch korrigieren müssen. Ich will Ihnen das Ostdeutsch-Sein trotzdem nicht absprechen. Denn ich habe es in meiner Rede erwähnt: Es geht darum, hier Wurzeln zu schlagen. Das haben Sie möglicherweise gemacht. Das weiß ich nicht. Manchmal sollte man sich vielleicht bei einem solchen Thema, zu dem man nicht so ganz einen authentischen Zugang hat, ein bisschen zurückhalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der Linken und bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. - Dann folgt erwartungsgemäß eine Intervention vom Kollegen Tillschneider. - Herr Tillschneider, Sie haben das Wort.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich bin jetzt persönlich herausgefordert worden. Ich will erklären, dass ich im Jahr 2000 zum ersten Mal in meinem Leben in den Osten gekommen bin, und zwar nach Leipzig. Ich war damals begeistert davon, wie schön   d e u t s c h   die Städte hier noch sind

(Oh! bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und habe deshalb beschlossen, dass mich keine zehn Pferde mehr in den Westen bekommen. Ich bin sozusagen zum Wahl-Ossi geworden. Damit haben Sie aber ein großes Problem. Darauf wird immer herumgeritten. Ich finde es doch sehr bezeichnend, dass Sie mit den Syrern, die hierherkommen, überhaupt kein Problem haben. Die werden alle willkommen geheißen. Wenn aber Deutsche aus einem Teil Deutschlands in den anderen wandern, weil sie den besser finden, dann ist das das große Problem. Das lässt sehr tief blicken.

(Kathrin Tarricone, FDP: Wer hat denn von einem Problem geredet?)


Olaf Meister (GRÜNE):

Das war jetzt ein schwieriger Einwand. Denn wenn jemand aus dem Ausland kommt und mir als erstes Ostdeutschland erklärt, dann würde ich auch stutzen. Insofern das ist jetzt nicht so sinnvoll. Wie gesagt, das Ostdeutsch-Sein will ich Ihnen gar nicht absprechen. Ich meine aber, dass man sich ein bisschen einen Blick für Authentizität bewahren sollte. Ich empfinde Sie nicht als Fürsprecher für den Osten.