Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche für die Landesregierung und nicht für ir-gendeine Partei.
(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)
Zu der Motivation der CDU hat der zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz alles Erforderliche ge-sagt. Das muss ich jetzt nicht wiederholen.
Für die Landesregierung gilt im Übrigen auch: Wir haben jetzt eine Grundgesetzänderung. Zu den umzusetzenden Bundesgesetzen ich habe es vorhin gesagt ist bisher nichts bekannt. Wir beginnen gerade erst die Gespräche mit dem Bund, die am Ende dazu führen sollen, dass wir zwei Bundesge-setze, die ich gerade erläutert habe, bekommen, die letztlich auch der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
Ich erwarte dazu einen Konsens unter den Ländern, der am Ende auch von allen getragen werden kann. Es geht nicht um einen Wettstreit zwischen den Großen und den Kleinen, nicht um Diskrepan-zen zwischen West und Ost. Vielmehr brauchen wir konkretisierende Gesetze, die für uns alle um-setzbar sind.
Im Übrigen stehen wir insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland in einer Situation, die uns her-ausfordert, nach vorn zu schauen und nach vorn zu arbeiten, statt jetzt im Landtag von Sachsen-Anhalt irgendwelche Nachhutgefechte zu führen, sehr geehrter Herr Meister.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Es gibt ich habe es gesagt eine Änderung von Artikel 109 Grundgesetz. Ich habe Ihrem Dialog mit Herrn Gallert aufmerksam zugehört. Additionalität, Zusätzlichkeit - das ist eine gestaltbare und dis-kussionswürdige Frage.
Ich erinnere an das Zukunftsinvestitionsgesetz aus dem Jahr 2009. Darin haben wir Zusätzlichkeit vorhabenkonkret definiert. Das steht im Gesetz: vorhabenkonkret. Jetzt werden makroökonomische Modelle diskutiert, die wir in der Tat auch aus dem Blickwinkel der Länder und der Kommunen näher betrachten müssen. Welches Modell es am Ende sein wird, das weiß ich nicht. Wir werden uns mit dem Bund und in der Gemeinschaft der Länder auf einen vernünftig zu handhabenden Schlüssel ver-ständigen müssen.
Dasselbe gilt für die Wahl des Verteilungsschlüssels der Verschuldensspielräume auf die Länder. Auch dazu werden jetzt informell schon einige Varianten diskutiert: Einwohnerschlüssel, Bruttoinlands-produkt, Königsteiner Schlüssel und vieles andere mehr. Allein für unser Land ergäbe es, je nachdem wofür man sich entscheidet, einen Kreditspielraum von 280 Millionen € bis 400 Millionen € pro Jahr. Wir haben sehr weitreichende Diskussionen darüber zu führen, welcher Verteilungsschlüssel gilt.
Ähnlich verhält es sich am Ende auch das habe ich eben bereits erwähnt bei dem Gesetz zur Um-setzung von Artikel 143h Abs. 2, in dem es heißt: Das Nähere regelt ein Bundesgesetz mit der Zu-stimmung des Bundesrates, wenn es darum geht, die 100 Milliarden €, die auch für Investitionen der Länder in deren Infrastruktur zur Verfügung stehen, operationell zu untersetzen. Wer bekommt wie viel für welche Zwecke? Gibt es Unterschiede in den Zweckbestimmungen zwischen Bund und Län-dern oder richten wir uns alle nach denselben Maßstäben?
Ich will aber gern noch in Erinnerung rufen, was der Anlass für diese Änderung des Grundgesetzes gewesen ist. Es waren erstens ich beziehe mich wieder ausdrücklich auf die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages fundamentale Veränderungen der Sicher-heitsarchitektur. Auch das muss ich hier nicht näher ausführen; wir erleben das jeden Tag. Für mich persönlich wird immer beängstigender, was uns an Herausforderungen weltweit begegnet.
Wir haben zweitens auch das finden Sie in der Beschlussempfehlung näher ausgeführt herausfor-dernde Finanzsituationen der Länder und der Kommunen zu verzeichnen. Wer wollte bestreiten, dass wir vor herausfordernden Situationen in der Finanzverfassung von Ländern und Kommunen stehen?
Drittens haben wir auch das ist in der Beschlussempfehlung nachzulesen einen gesteigerten Inves-titionsbedarf im Infrastrukturbereich zu verzeichnen.
Es gibt auch das will ich nicht unerwähnt lassen bisher noch gar keine Änderung der Schulden-bremse, sondern wir haben zu der noch fortbestehenden Schuldenbremse in zwei Bereichen Modifi-kationen. Wir haben einen erweiterten Verschuldungsspielraum in Bereichen, die mit qualifizierten Rahmenbedingungen von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Und wir haben ein Sonderver-mögen in Höhe von 500 Milliarden €, das in der Tat 300 Milliarden € für Zwecke des Bundes und 100 Milliarden € für die Erreichung der Klimaneutralität vorsieht, wobei noch nicht klar ist, ob auf der Bundesebene oder auch auf der Länderebene oder auch auf der kommunalen Ebene.
Darüber hinaus werden den Ländern von vornherein 100 Milliarden € zur Verfügung stehen mit der Maßgabe, das Bundesgesetz umzusetzen.
Letztlich haben wir für die weitere Debatte über die Schuldenbremse, die jetzt erst neu beginnt, die Erwartung - so ist es in den Debatten auf Bundesebene zum Ausdruck gebracht worden und so steht es in den Sondierungsergebnissen der sich jetzt hoffentlich bildenden Koalition -, dass eine Kommis-sion eingerichtet wird, an der wir uns aus Ländersicht natürlich auch beteiligen wollen. Diese wird in einer wirklich ausführlichen, sachverständig begleiteten und alle Aspekte berücksichtigenden Diskus-sion über die Veränderungen der Schuldenbremse verhandeln. Das steht noch aus.
Zunächst geht es erst einmal nur um die Umsetzung der spezifischen Verschuldungsmöglichkeiten für die Verteidigung, für den Bereich des Zivilschutzes und eben für die Länder, bei denen wir, wie ge-sagt, Mitgestaltungsmöglichkeiten sowie eine hohe Verantwortung haben und auch wahrnehmen wollen.
Ich denke, das ist aus meiner derzeitigen Sicht das, wozu man sich aus der Perspektive der Landesre-gierung verhalten kann. Ich habe vorhin schon gesagt, für mich gehört das in das Format der Minis-terpräsidentenkonferenz. Es ist bereits vorgeklärt, dass Sachsen als Vorsitzland die Themen, die da-mit im Zusammenhang stehen, in die Ministerpräsidentenkonferenz einbinden wird, weil es - an die-ser Stelle ist dieses Einstimmigkeitsprinzip auch einmal nützlich - am Ende Regelungen geben muss, die überall in Deutschland funktionieren, im Westen und im Osten, im ländlichen Raum wie in den Großstädten, im Norden und im Süden. Andernfalls werden wir die Herausforderungen, die Anlass für diese Grundgesetzänderung gewesen sind, nicht bewältigen können.
Sachsen-Anhalt beteiligt sich daran konstruktiv und inhaltlich förderlich. Ich bin auch den Koalitions-partnern dankbar. Wir haben uns im Bundesrat der Stimme enthalten. Das entspricht unserer Koali-tionsvereinbarung, so wie es in anderen Ländern auch der Fall gewesen ist.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Jetzt haben wir eine Änderung des Grundgesetzes, mit der gehen wir so um, dass die Belange der ostdeutschen Länder, vor allen Dingen aber natürlich auch die Belange des Landes Sachsen-Anhalt im Streit der Ideen und der Konzepte durchdringen werden. Das ist unser Ziel.
(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Minister Robra. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert. - Herr Gallert, bitte schön.
Wulf Gallert (Die Linke):
Also, Herr Robra, die Grundgesetzänderungen sind jetzt durch. Jetzt wird es natürlich Ausführungs-gesetze geben. Ich habe eine Frage. Wenn ich die Rede von Herrn Meister richtig verstanden habe, ist er sich relativ sicher, dass die Verschuldungsmöglichkeit von 0,35 % des BIP für die Länder auch dann gilt, wenn es anderslautende Landesregelungen in der Verfassung gibt.
(Stefan Ruland, CDU: Schauen Sie doch ins Grundgesetz; da können Sie es nachlesen! - Zurufe von den GRÜNEN)
Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen.
(Stefan Ruland, CDU: Nein, das kann man im Gesetzestext nachlesen!)
Ich würde ganz gern von Ihnen noch eine klare Antwort auf die Frage bekommen, ob das so ist oder ob die Notwendigkeit besteht. Die Möglichkeit haben wir immer. Besteht die Notwendigkeit, um in den Genuss dieser Regelung zu kommen, unsere Landesverfassung zu ändern?
(Stefan Ruland, CDU: Ist es nicht!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Robra.
Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):
Ich kann im Moment noch gar nicht absehen, wofür wir Verfassungsänderungen auf Landesebene brauchen, wofür wir Gesetzesänderungen, möglicherweise auch einen Nachtragshaushalt mit einem entsprechend veränderten Haushaltsgesetz benötigen und an welchen Stellen wir das administrativ regeln können. Das wird zunächst die entscheidende Frage sein im Zusammenhang mit der Erarbei-tung des umzusetzenden Bundesgesetzes, das auch erst einmal regeln wird, wie dieser Verschul-dungsspielraum von 0,35 % des BIP auf die Länder aufgeteilt wird. Auch dazu - das habe ich gerade gesagt - kursiert derzeit eine Reihe von Varianten. Von Modellen will ich an dieser Stelle nicht spre-chen; denn das greift schon fast zu weit. Es geht um Varianten, die möglich erscheinen, die aber für Sachsen-Anhalt und auch für andere Länder extrem unterschiedliche Konsequenzen haben werden.
Auf den ersten Blick erscheint der Königsteiner Schlüssel, der bekanntermaßen für ganz andere Zwe-cke konstruiert worden ist, für uns günstig, aber das wird zu diskutieren sein. Es heißt weiter im ge-änderten Grundgesetz: Die nähere Ausgestaltung für die Haushalte der Länder regeln diese im Rah-men ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen.
Es bleiben Gestaltungsspielräume, die das Land Sachsen-Anhalt auch nutzen wird. Aber dem kann ich beim besten Willen noch nicht vorgreifen, weil wir zunächst einmal die bundesrechtlichen Rahmen-bedingungen regeln müssen. Für mich ist klar: Wir werden bei jedem Paragrafen, bei jedem Absatz und bei jedem Satz des Bundesgesetzes immer auch darauf achten, was das für uns und die Umset-zungsvoraussetzungen bei uns bedeutet. Denn letztlich wollen wir, dass es uns allen mit dieser Grundgesetzänderung besser geht und dass die damit intendierten Ziele erreicht werden, und zwar möglichst ohne nachwachsende Generationen in besonderer Weise zu belasten. Auch das ist natür-lich eine Verantwortung, die wir haben, der wir uns mit oder ohne Grundgesetzänderung nicht ent-ziehen und die wir immer im Blick behalten werden.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Gallert, Sie haben eine Nachfrage?
Wulf Gallert (Die Linke):
Herr Robra, Sie haben ganz viele Fragen beantwortet, die ich nicht gestellt habe.
(Guido Kosmehl, FDP: Dienstleister! - Weitere Zurufe von der Linken und von den GRÜNEN)
Das Einzige, was ich eigentlich von Ihnen wissen wollte, ist, ob Sie die Position, die Herr Meister vor-getragen hat, teilen, dass wir, um die diese Schuldenregelung in Anspruch nehmen zu können, und zwar völlig unabhängig davon, welcher Berechnungsschlüssel gilt, unsere Landesverfassung ändern müssen, oder ob Sie meinen, dass wir sie nicht ändern müssen.
Herr Meister hat gesagt, wir müssten sie nicht ändern. Es gibt verschiedene Positionen dazu. Ich woll-te Ihre hören.
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Robra.
Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):
Das - ich dachte, ich hätte es deutlich gemacht - hängt davon ab, wie wir das im Bundesgesetz vorbe-reitend behandeln und welche Konsequenzen sich daraus für die landesrechtliche Umsetzung erge-ben. Ich kann im Moment nicht beurteilen, ob wir die Verfassung ändern müssen, ob wir ein Nach-tragshaushaltsgesetz brauchen oder ob wir es auf andere Weise bewältigen könne, bspw. mit einem Gesetz zur Errichtung eines weiteren Sondervermögens, wie wir es auf Bundesebene realisiert haben. Das wird sich zeigen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Staatsminister.