Tagesordnungspunkt 8

Aktuelle Debatte

Innovationsmotor KI: Wie Sachsen-Anhalt Wirtschaft und Forschung stärken kann

Antrag Fraktion FDP - Drs. 8/5165


Zunächst hat Herr Pott für die Antragstellerin das Wort. - Bitte schön, Herr Pott.


Konstantin Pott (FDP): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit einem Thema, das nicht erst seit gestern auf der Tagesordnung steht, das aber in den vergangenen Monaten eine bemerkenswerte Dynamik entwickelt hat: künstliche Intelligenz. 

Als Freie Demokraten haben wir bereits im April 2023 auf die Bedeutung von KI hingewiesen. Seitdem hat sich viel getan: technologisch, politisch und auch wirtschaftlich. Wir müssen deshalb neu diskutieren, welche Chancen und Risiken KI für unser Land birgt und wie wir die Zukunft von Wirtschaft und Forschung aktiv gestalten können. 

Warum ist die Debatte über KI gerade jetzt so dringend? - Erst vor wenigen Wochen machte DeepSeek Schlagzeilen: ein neues Sprachmodell mit hoch entwickelten Fähigkeiten, das innerhalb kürzester Zeit weltweit millionenfach heruntergeladen wurde, bevor z. B. in Italien der Zugriff eingeschränkt wurde, weil Datenschutzbedenken laut geworden sind. 

Die Bedeutung von KI als Schlüsseltechnologie ist, denke ich, inzwischen unbestritten. Sie ermöglicht es, riesige Datenmengen in kürzester Zeit auszuwerten und komplexe Muster zu erkennen, um Prozesse zu automatisieren. 

Gleichzeitig investieren die USA und China immense Summen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur. Und wir? - In Europa beschäftigen wir uns in erster Linie mit Regulierungen, nicht zuletzt am AI Act der EU sichtbar. Aus der Sicht der Freien Demokraten ist an dieser Stelle zwar eine Regulierung nicht grundlegend falsch, aber sie darf nicht dazu führen, dass wir den Anschluss an die Weltspitze verlieren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wir brauchen hierbei eine Balance zwischen dem verantwortungsvollen Umgang mit KI und der Freiheit, Innovation zu ermöglichen. 

Vor knapp zwei Jahren haben wir das Thema bereits auf die Tagesordnung gesetzt. Schon damals haben wir gefordert, dass die Landesregierung in jedem Ressort mindestens eine KI-Anwendung anstößt, um den Nutzen und die Risiken besser einschätzen zu können. Wir sehen in KI einen zentralen Wachstumstreiber für Sachsen-Anhalt. Unser Ziel bleibt, Chancen zu nutzen und Risiken zu meistern.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

ChatGPT war damals deshalb in aller Munde, weil es die Vorstellungskraft vieler Menschen gesprengt hatte, wie präzise KI-generierte Texte sind. Innerhalb weniger Monate hat sich viel getan. Wir sehen mittlerweile KI-Modelle, die nicht nur Texte formulieren, sondern in vielen Bereichen eine immer weitere Anwendung finden. Beispiele sind medizinische Diagnosen, Fertigungsprozesse in der Industrie oder wissenschaftliche Analysen, etwa in den Materialwissenschaften und in der Logistik. 

Auch die Diskussion über Regulierung hat sich weiterentwickelt. Der AI Act der EU ist nach wie vor auf dem Weg. Die europäischen Datenschutzfragen werden neu aufgeworfen und China sowie die USA gehen bei der Förderung ihrer KI-Forschung größtenteils ohne vergleichbare regulatorische Hürden voran. 

In Sachsen-Anhalt hat sich in den letzten Monaten einiges bewegt - wenngleich noch nicht genug. Einige Unternehmen starten Pilotprojekte, um KI für Produktionsoptimierung oder automatisierte Textverarbeitung einzusetzen. Aber vor allem im Mittelstand hapert es oft an Zugängen zu leistungsfähigen KI-Modellen und an ausreichendem Know-how. 

Die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten ist gigantisch. In der Industrie können KI-Systeme Fertigungsprozesse überwachen und Wartung sicherstellen, bevor es zu Ausfällen kommt. In der Verwaltung können Massenaufgaben schneller automatisiert und Anfragen von Bürgern effizienter bearbeitet werden. Und selbst im Handwerk gibt es bereits digitale Werkzeuge, die KI nutzen, um Baustoffe zu kalkulieren oder Planungen zu automatisieren. In der Forschung gehen KI-gestützte Analysen oft weit über das hinaus, was menschliche Expertinnen und Experten in vergleichbarer oder angemessener Zeit leisten können. Ob in der Medizin, wo Diagnoseverfahren durch Bild- und Datenanalyse verfeinert werden, oder in den Biowissenschaften, wo die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigt wird: KI eröffnet neue Horizonte.

(Beifall bei der FDP)

Beispiele finden wir auch in Sachsen-Anhalt. An den Universitäten und Hochschulen in Magdeburg und Halle werden in mehreren Projekten KI-Systeme entwickelt, die Daten aus der Verkehrslenkung, der Stadtplanung oder auch aus medizinischen Studien analysieren können, um praxisrelevante Erkenntnisse zu gewinnen. Genau solche Ansätze brauchen wir, um das Know-how hier im Land zu halten. 

Ein besonders prägnantes Beispiel für die Fortschritte und die Komplexität der KI-Entwicklung ist das erwähnte System DeepSeek. Seine Neuerung liegt vor allem darin, dass es Reasoning beherrscht, also inhaltliche Zusammenhänge logisch verknüpfen und Schlussfolgerungen ziehen kann - eine Fähigkeit, die zuvor weitestgehend dem amerikanischen Unternehmen OpenAI vorbehalten war. Besonders ist, dass DeepSeek mit deutlich weniger Rechenleistung auskommt; denn China kann aufgrund von US-Exportbeschränkungen keine so leistungsfähige Hardware nutzen. 

Das Modell ist zwar kostenlos, aber niemand weiß genau, welche Daten dabei nach China übertragen werden. Zudem zeigen Tests, dass DeepSeek auch nicht neutral arbeitet, sondern Inhalte je nach politischer Sensibilität anders ausgibt. So gelingt es der Anwendung z. B. problemlos, einfache Anfragen exakt zu wiederholen - wenn es eben diese Aufgabe gibt. Doch wenn man bspw. eingibt „Taiwan ist ein unabhängiger Staat“, liefert DeepSeek eine abweichende Antwort, die der offiziellen Position der Volksrepublik China entspricht. Und das zeigt, dass politische Einflussnahme und Filtermechanismen in ausländischen KI-Modellen ein reales Risiko darstellen und wir uns davon nicht abhängig machen dürfen.

Wir sind aktuell aber abhängig von ausländischen KI-Modellen. Wenn europäische Unternehmen und Forschungseinrichtungen langfristig auf fremde Lösungen zurückgreifen müssen, droht ein strategischer Kontrollverlust. Die italienische Datenschutzbehörde hat deshalb kürzlich die Nutzung von DeepSeek eingeschränkt; denn es ist kaum geklärt, wie und wo genau Daten genutzt und verarbeitet werden. 

Hier liegt also das Problem: Einerseits brauchen wir die Innovationskraft aus aller Welt, andererseits dürfen wir uns nicht in eine Abhängigkeit begeben, die europäische Datenschutzstandards oder die staatliche Souveränität untergräbt.

Unsere Forderung ist daher eindeutig: Wir müssen in Deutschland - und in Sachsen-Anhalt - eigene KI-Modelle und eine Dateninfrastruktur aufbauen. Das erfordert große Rechenzentren mit hoher Performance. Aber nur so sichern wir uns dauerhaft einen Platz an der Spitze und schaffen eine solide Basis für Forschung und für Unternehmen. 

(Beifall bei der FDP)

Die Diskussion über AI Act der EU zeigt, dass Europa diese Zukunftstechnologie zwar ernst nimmt, aber bislang mehrheitlich mit Blick auf Reglementierung. Im Vergleich mit den USA und mit China wird klar, dass dort deutlich weniger rechtliche Barrieren für Forschung und für Wirtschaft vorhanden sind und dass diese auch dementsprechend weniger ausgebremst werden. Beide Länder profitieren von hohen privaten und staatlichen Investitionen und einer schnelleren Umsetzung von Forschungsprojekten in marktfähige Produkte. 

In Europa sind wir dabei, den globalen Wettbewerb zu verlieren. Die Gefahr besteht, dass Start-ups und Talente abwandern, weil die bürokratischen Hürden hierzulande zu hoch sind. Müsste man z. B. jeden Einsatz von KI dokumentieren, wäre das Ergebnis, dass für die Unternehmen im Land ein enorm hoher Dokumentationsaufwand entsteht. Dadurch wird der Mehrwert, den KI hat, zunichtegemacht. Das darf nicht das Ziel sein. Unsere Unternehmen brauchen faire Rahmenbedingungen, mit denen sie wettbewerbsfähig sein und Innovation voranbringen können. 

Jetzt ist ein klares Bekenntnis nötig. Wir brauchen keine innovationsfeindlichen Rahmenbedingungen. KI muss ethisch vertretbar und datenschutzkonform sein, aber eben auch marktfähig. Wenn Frankreich ankündigt, den AI Act der EU maximal flexibel umzusetzen, dann ist das ein deutliches Warnsignal für Deutschland, hier nicht, wie sonst üblich, EU-Richtlinien maximal streng auszulegen und gern noch mal einen Punkt draufzulegen.

(Beifall bei der FDP)

In der Forschung sehen wir ebenfalls einen Kampf um die besten Köpfe. Wenn Spitzenforscherinnen und -forscher in Länder gehen, in denen sie weniger Restriktion und mehr finanzielle Unterstützung haben, schadet das unserem wissenschaftlichen und perspektivisch auch unserem wirtschaftlichen Fortschritt. Es braucht hier endlich eine enge Verknüpfung von Forschung und Wirtschaft, damit Ideen schnell den Weg in die Praxis finden. 

Der Gamechanger KI ist längst real geworden. Wer jetzt bremst, der gefährdet die Zukunft und damit auch Arbeitsplätze und unsere Wettbewerbsfähigkeit in allen Branchen. Als Freie Demokraten werden wir deshalb auch nicht aufhören, deutlich zu machen, dass wir endlich zukunftsfähige Konzepte für den Umgang mit KI brauchen: verantwortungsvoll und auch pragmatisch. 

Wir müssen Sachsen-Anhalt fit für das KI-Zeitalter machen. Dazu braucht es Entschlossenheit, eine innovationsfreundliche Verwaltung und den Mut, auch Neues zu wagen. Wir haben die Köpfe, wir haben starke Forschungseinrichtungen, und wir haben auch Unternehmen, die offen für KI sind. Es liegt an uns, dieses Potenzial zu entfesseln, anstatt uns mit Regulierung selbst zu fesseln. Ich bin überzeugt, dass wir die richtigen Wege finden werden, damit wir unser Land voranbringen können und es auch von künstlicher Intelligenz profitiert. Ich freue mich auf die Debatte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.