Ulrich Siegmund (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer in den letzten Jahren in einem deutschen Krankenhaus war, der wird festgestellt haben, dass es an allen Ecken und Enden Probleme gibt. Es gibt Probleme bei der Infrastruktur, es gibt Probleme beim Personal. Überhaupt funktionieren die Krankenhäuser derzeit nur, weil Ärzte, Pfleger und auch Mitarbeiter in der Verwaltung trotz dieser desaströsen Politik aufopferungsvoll einen guten Job machen. Auch beim Essen gibt es Probleme; das muss ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber sei es drum.
Ich möchte meine Zeit heute darauf verwenden, wirklich über die Grundursachen zu sprechen, die Grundprobleme aufzuzeigen, weil ich mir mittlerweile vorkomme wie bei einer Drehorgel, wie es der Kollege Tillschneider einmal gesagt hat: Wir holen immer und immer wieder das gleiche Thema hervor, ohne auf die wirklichen Grundprobleme einzugehen und sie auch anzupacken. Deswegen gehe ich sie jetzt der Reihe nach durch, weil wirklich konkret gehandelt werden muss.
Erstens: die finanzielle Belastung. Wir haben bis heute das DRG-System. Das heißt, wir haben eine Fallpauschalenfinanzierung; wir brauchen aber eine individuelle Vergütung. Die Leistung, die erbracht wurde, muss auch so bezahlt werden, wie sie erbracht wurde. Das wäre der ganz, ganz große Wurf für die Krankenhäuser.
Zweitens: Personalmangel. Das ist ein Teufelskreis. Wenn ich zu wenig Personal habe, den Schlüssel immer und immer wieder ausreize, dann ist es natürlich für die Mitarbeiter, die noch am Patienten sind, schwierig, diesen Job gern zu machen. Deswegen brauchen wir eine Entlastung, damit die Pfleger ihren Job auch gern machen. Das gilt natürlich auch für die Ärzte.
Drittens: Digitalisierung und Infrastruktur. Es wird immer gesagt, das sei ein typisch deutsches Problem, dass man immer den fünften Schritt vor dem ersten plant. Man muss das, wenn man Krankenhäuser digitalisieren will, wenn man eine vernünftige Infrastruktur haben will, allumfassend denken, und zwar von A bis Z durchgeplant, und sich nicht irgendetwas zurechtwurschteln. Denn genau das passiert gerade. Deshalb haben noch immer viel zu viele Krankenhäuser ineffiziente Systeme und eine veraltete IT-Infrastruktur.
Viertens: Bürokratie. Wir haben die Situation, dass die Pfleger zum Teil mehr am Schreibtisch sitzen als am Patienten. Das geht nicht. Das möchten weder die Pfleger noch die Patienten. Wir müssen die Bürokratie endlich verschlanken und nicht immer nur darüber reden.
Fünftens: Die Grundursache ist in meinen Augen die Demografie. Es ist eine tickende Zeitbombe, wenn ich immer mehr ältere Menschen habe, die natürlich statistisch gesehen auch zunehmend chronisch krank sind, immer mehr Arztkontakte haben müssen, einfach altersbedingt. Es ist ganz normal, dass wir hierbei auf eine tickende Zeitbombe zusteuern. Deswegen müssen wir endlich eine vernünftige Familienpolitik in diesem Land machen. Das sagen wir schon seit zehn Jahren, auch wenn das, leider Gottes, kaum jemand hören möchte.
Sechstens: die schwierige Finanzierung von Investitionen. Das fällt uns jetzt natürlich auf die Füße. Auch das habe ich auch schon tausendmal gesagt: Mit dem Regierungseintritt der SPD in diesem Land im Jahr 2015 war es, glaube ich, oder sogar schon davor gab es eine gigantische Reduzierung der Investitionsmittel um 80 %. Natürlich kann man all das im Nachhinein kritisieren. Das tue ich auch gern. Aber irgendwann muss es aufgearbeitet werden. Das sind Größenordnungen, die wirklich sehr, sehr schwer zu stemmen sind, und die fallen uns jetzt auf die Füße.
Siebentens ein Punkt, den natürlich nur wir als AfD aussprechen : Wir haben einfach viel zu viele Menschen in diesen Versicherungssystemen, die einfach nicht dorthin gehören, die nie eingezahlt haben, die illegal hier sind und die auch gar keinen Beitrag leisten möchten. Diese müssen wir jetzt alle mitfinanzieren. Das wollen wir natürlich nicht. Deswegen ist auch im Sinne einer vernünftigen Struktur der Krankenhäuser, der medizinischen Versorgung die konsequente Abschiebung ein ganz, ganz wichtiger Punkt, der einfach mitgedacht werden muss.
(Beifall bei der AfD)
Dann auch das wollen viele nicht hören -: Schutz vor Vandalismus. Wenn man mit Pflegern spricht, mit Ärzten spricht, dann ist das ein Punkt, den man nicht mehr negieren kann. Wir haben mittlerweile Sicherheitsmaßnahmen in Krankenhäusern wie in einer Bank, mit irgendwelchen schusssicheren Scheiben, mit Kameraüberwachungssystemen. Und warum? - Weil wir mittlerweile eine Patientenstruktur, eine Klientel haben, die wir durch den vorherigen Punkt in dieses Land geholt haben, die wir vorher nicht kannten, die die Menschen ausbaden müssen. Das ist ein Punkt, der viele Pfleger und auch Ärzte belastet. Auch in diesem Bereich müssen wir durch eine konsequente Politik Abhilfe schaffen.
Achtens der letzte achte Punkt : Energiekosten. Das ist ein Punkt, der nicht vorhersehbar war, weil politisch eingegriffen wurde. Wir brauchen endlich günstige Energie für alle Menschen in diesem Land und damit auch für die Krankenhäuser, was natürlich in der Energiegesamtbilanz endlich eine Entlastung bringen würde.
Das wären konkrete Punkte, mit denen man nicht immer nur an der Oberfläche herummurkelt, an den Symptomen herumdoktert, sondern mit denen man auf die Grundursachen eingeht.
Zum Schluss ich habe es vorhin schon gesagt ein Punkt, der vielleicht nichts mit der Gesamtstruktur zu tun hat, aber ich muss ihn ansprechen. Ich finde, es ist ein Unding, was man in deutschen Krankenhäusern zu essen bekommt. Ich finde das ekelhaft. Ich habe es mit meiner Familie erlebt. Was man dort serviert bekomm, das ist dieses Land unwürdig. Davon geht man kranker nach Hause, als man hineingekommen ist. Dort gibt es irgendwelche Puddingsuppen zu Mittag, obwohl man, auch wenn man sich das Bein gebrochen hat, von der Verdauungsstruktur her kerngesund ist. Das geht nicht. Das ist ekelhaft. Man sollte 1 € oder 2 € mehr bezahlen, um ein vernünftiges, gesundes Essen zu haben. Ich glaube, das ist ein Punkt, über den viel zu wenig gesprochen wird. Ich sehe an Ihren schmunzelnden Gesichtern, dass auch der eine oder andere das in deutschen Krankenhäusern schon erlebt hat. Also: vernünftiges Essen.
Einen letzten Punkt will ich noch ansprechen: das DIVI-Intensivregister. Wir haben es bei Corona erlebt: Damals war das ganz große Argument, wir müssten unsere Gesellschaft an die Wand fahren, damit wir die Krankenhäuser nicht überlasten. Das zweite Argument ist jetzt: Wir brauchen dieses Corona-Sondervermögen, damit wir uns auf zukünftige Krisen vorbereiten und in das Gesundheitssystem investieren können.
Zu Beginn der Coronazeit hatten wir in Sachsen-Anhalt 1 300 Intensivbetten, inklusive der Notfallvorsorge, jetzt haben wir noch ungefähr 800. Das heißt, Sie haben es in Ihrer riesengroßen Pandemie hinbekommen, zusätzlich zu Ihrem Sondervermögen die Zahl der verfügbaren Intensivbetten um 40 % zu reduzieren. Das ist also Ihre Vorbereitung auf zukünftige Katastrophen? Dass ich nicht lache! Auch darüber muss bei der Krankenhauslandschaft nachgedacht werden.
Ich sage einmal: Wer die Grundursachen wirklich bekämpfen möchte, der kann das gern mit der AfD machen; denn wir sprechen genau diese an. - Danke schön.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Siegmund, es gibt ein Fragebegehren von Herrn Gebhardt. Wollen Sie das zulassen?
Ulrich Siegmund (AfD):
Natürlich.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Bitte.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Siegmund, ich habe in Ihrer Rede ich habe genau zugehört , etwas vermisst, was Sie früher immer mit viel Verve vorgetragen haben. Ich habe nachgeschaut, auch in Ihrem aktuellen Bundestagswahlprogramm, und habe dazu erstaunlicherweise weder in Ihrer Rede heute noch in Ihrem Bundestagswahlprogramm etwas dazu gefunden, dass die Gesundheit in die öffentliche Hand gehört.
Ulrich Siegmund (AfD):
Ja.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Das haben Sie hier immer mit großer Deutlichkeit vorgetragen. Dazu haben Sie jetzt geschwiegen. In früheren Bundestagswahlprogrammen der AfD oder in früheren Wahlprogrammen war das auch klar verankert; jetzt ist davon nichts mehr zu finden. Können Sie dem Parlament einmal erklären, was zu diesem Sinneswandel bei Ihnen geführt hat und warum Sie nicht mehr für Gesundheit in öffentlicher Hand sind, sondern jetzt, wie es in Ihrem Arbeitskreis in der Bundestagsfraktion steht, auf mehr Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten setzen?
Ulrich Siegmund (AfD):
Herr Gebhardt, vielen Dank für die sachliche Frage. Es ist gut, dass ich das klarstellen kann.
Ich sehe diesen Punkt insofern weiterhin kritisch, als ich Ihnen darin zustimme, dass Gesundheit kein Geschäft bzw. keine Ware sein darf und dass sich die medizinische Versorgung nicht ausschließlich daran ausrichten darf, womit man das meiste Geld verdient. Diesbezüglich bin ich voll bei Ihnen. Die medizinische Versorgung darf sich ausschließlich an der Frage ausrichten, was das Beste für die Menschen in diesem Land ist. Insofern möchte ich meinen, dass diese Position weiter diskutabel bleibt.
Um Ihre Frage zu beantworten: Die große Gemengelage hat einfach gezeigt, dass das nicht die Grundursache für die aktuelle Schieflage in der Krankenhauslandschaft ist. Deswegen habe ich meinen Redebeitrag dafür verwendet, die Grundprobleme in den Fokus zu rücken, die zu dieser Schieflage geführt haben.
Wir können uns aber trotzdem sehr gern weiter darüber unterhalten; denn unsere Positionen dazu liegen weiterhin nicht vollständig auseinander. Wir können gern über Details sprechen.
Ich habe in meiner Rede noch etwas vergessen, danke, dass ich noch die Chance habe, darauf einzugehen nämlich Ihren Antrag. Dieser Antrag ist mir, wie immer, viel zu oberflächlich, obwohl er einige gute Punkte enthält. Ich würde eine Überweisung an den Sozialausschuss beantragen, damit wir darüber intensiver sprechen können.
Herr Gebhardt, gemeinsam können AfD und Linke, Hand in Hand, die besten Lösungen für dieses Land entwickeln. - Danke schön.
(Lachen und Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Noch eine Bemerkung, Herr Gebhardt, oder eine Nachfrage? - Bitte.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Herr Siegmund, ich bin ein Freund von Deutlichkeit. Um es richtig zu verstehen: Sie haben eben gesagt, dass Sie es nicht mehr für das Grundproblem halten, dass das Gesundheitssystem auf Wettbewerb ausgerichtet ist und nicht dem Allgemeinwohl dient, und deswegen haben Sie es in Ihrer Rede nicht benannt und deswegen findet es in Ihrem Wahlprogramm nicht mehr statt? Sie haben sich von dieser Position also quasi verabschiedet? Das haben Sie jetzt klar gesagt.
Ulrich Siegmund (AfD):
Nein, überhaupt nicht. Wir differenzieren nur zwischen einer hundertprozentigen Privatwirtschaft, wie sie in diesem Land in den allermeisten Fällen richtig ist, und Themen der Grundinfrastruktur, bei denen ein staatlicher Eingriff absolut erforderlich ist. Das ist beim Gesundheitswesen der Fall. Das Gesundheitswesen muss einfach so gedacht werden, dass es den Menschen dient und nicht irgendwelchen Finanzierungsstrukturen. Deswegen muss man sich das im Einzelfall ansehen.
Das Krankenhaus Havelberg ist nach wie vor das beste Beispiel. Wer hat sich verabschiedet? Man hätte es rekommunalisieren können. Man hätte staatlich eingreifen können und kann es heute noch immer. Doch darauf warte ich heute noch immer. Diese Diskussion haben wir schon ewig lange.
Wenn ich mich richtig erinnere, sind Sie nicht Mitglied im Sozialausschuss, deswegen lade ich Sie gern ein. Ich sage es noch einmal: Wir sind dabei nicht weit auseinander; lassen Sie uns gemeinsam, Hand in Hand und über Brandmauern hinweg, die besten Lösungen für die gesundheitliche Versorgung in diesem Land finden. - Danke schön.