Olaf Meister (GRÜNE): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Selten war in jüngerer Zeit die Haushaltslage dermaßen angespannt wie derzeit. Von einem ausgeglichenen Haushalt kann nicht ernsthaft gesprochen werden. Der Ausgleich kann nur hergestellt werden, indem die Rücklagen auf null gefahren und über verschiedenste Wege üppig Schulden aufgenommen werden. Coronanotlage - zwinker, zwinker. 

Es ist völlig offen, wie wir nach 2026 die umfangreichen Mittel, die jetzt im Corona-Sondervermögen sind und die Belange des Haupthaushaltes bedienen, zurückführen sollen. Das ist eine ganz große Baustelle. 

Die globale Minderausgabe wird auf 2,5 % festgesetzt. Guido Heuer, CDU-Fraktionsvorsitzender, hatte bei den Beratungen zum letzten Haushalt eine globale Minderausgabe von 1 % angekündigt. Das wurde aufgrund eines Antrages der Koalitionsfraktion sogar beschlossen. Ich frage mich, ob es dazu noch einen Änderungsantrag gibt. Hebt ihr den Beschluss mit den 1 % noch auf? Das wäre natürlich konsequent. 

Das filigrane Werk der Personalplanung wird mit dem Hammer der Besetzungssperre traktiert. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Die schwierige Lage ist natürlich nicht allein die Schuld der aktuellen Landesregierung in der CDU-SPD-FDP-Koalition. Die allgemeine Lage geht auch an den Landeshaushalten, so auch in Sachsen-Anhalt, nicht spurlos vorbei. Trotzdem ist ein Teil der Probleme hausgemacht. 

Wir beobachten seit einiger Zeit enger werdende finanzielle Handlungsspielräume. Daher seit Langem schon das Mantra: Wir müssen Prioritäten setzen. Wir brauchen eine Aufgabenkritik, gerade im Hinblick auf die Personalkosten. Wir müssen an Subventionen herangehen, zumindest dann, wenn sie nicht zur Lösung der aktuellen Krise beitragen. 

Ich behaupte nicht, dass das einfach ist. Der Minister sagte: Dafür brauchen wir Zeit. Das ist richtig. Aber diese Diskussion führen wir schon über Jahre hinweg. 

Diesbezüglich treffen wir bei der Koalition auf eine große inhaltliche Leere. Ich nehme einmal mein Lieblingsbeispiel, weil es exemplarisch für die Denk- und Handlungsweise steht. Wir haben uns in der Kenia-Koalition gefetzt, wirklich gefetzt, ob wir die sinnlose Subventionierung der Tierkörperbeseitigung weiterführen oder nicht. Das ist keine irgendwie ideologische Frage, sondern das ist Fiskalpolitik, das Hinterfragen des Sinns von Subventionen. 

(Zuruf von der CDU)

Nach langen Runden wurde sie dann unter der Kenia-Koalition schrittweise abgeschafft. In der Praxis gab es keine Probleme.

Mit dem Regierungswechsel kam dann die FDP in die Regierung und der Einsatz für den kritischen Blick auf Subventionen war Geschichte. 

(Andreas Silbersack, FDP, lacht)

Ohne Not wurde die Subvention wieder eingeführt. Wo ist die positive Wirkung für das Land? Ja, dieser Punkt allein rettet den Haushalt nicht, das ist klar. Aber das macht die Handlungsspielräume enger und die Haltung. Es war für die FDP auch nicht irgendwie nützlich - zumindest habe ich das nicht wahrgenommen. Es wirkte auf mich ein bisschen wie Desinteresse. Man trottet halt wieder zurück in die alten Bahnen und zieht eben diese Furche.

Wie will man mit dieser Einstellung jetzt eine Aufgabenkritik machen? Wie will man so den Mittel- und den Personaleinsatz hinterfragen? 

Wirklich ärgerlich ist das Schleifen von Erfolgen der Vergangenheit auch an anderen Punkten. Lange wurde hier darum gerungen, bei der Bewirtschaftung unserer Immobilien marktwirtschaftliche Prinzipien einzubringen, effizienter zu werden. Wir wollten weg von verfallenen Polizeirevieren und bröckelnden Verwaltungsbauten mit Sanierungsstau. 

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Guido Kosmehl, FDP: Ach!)

Die Lösung war das sogenannte Mieter-Vermieter-Modell. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Auch bei landeseigenen Liegenschaften sollten annähernd Marktpreise im Haushalt stehen und an den Baubetrieb des Landes abgeführt werden. Der Aufwand war damit transparent; die Mittel standen konkret zur Verfügung; die Situation der Liegenschaften wurde besser. - In diesem Haushalt wird das Modell geschrottet. Es gibt jetzt wieder einen Sammelhaushaltstitel   um die 70 Millionen €   für die Bewirtschaftung, der nach Belieben wieder zurückgefahren werden kann. Und genau das wird passieren im Rahmen von Haushaltsnöten, die man so hat. Die Folge wird sein: schlechtere Polizeireviere, versteckte Schulden in Form von bröckelndem Putz und Sanierungsstau. 

Der Baubetrieb soll auch wieder die Hochbauverwaltung werden. Auch das ist ja ein Ziel, das verfolgt wird und damit im Zusammenhang steht.

Ihr, liebe FDP, ermöglicht diese Rückabwicklung des wirtschaftlichen Handelns der Verwaltung. Auf Wahlplakaten steht das dann jeweils nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Das ist schon falsch!)

- Nein, ich bin da wirklich sauer, weil die Liberalen solche liberalen Dinge, die in der Vergangenheit errungen wurden, abreißen. Dazu schweigt ihr zu oder das interessiert euch nicht weiter. Das finde ich wirklich negativ.

Zu einer negativen Prioritätensetzung konnte sich die Koalition aber verständigen. Die Ausgaben im Umweltbereich wurden deutlich zusammengestrichen. Dort will man deutlich weniger machen. Darin drückt sich die Auffassung der Koalition aus, dass man es dabei mehr so mit einer verzichtbaren Liebhaberei zu tun hat. 

Dass es dabei vor allem um unsere Existenzgrundlagen geht und Investitionen in die Umwelt, in den Artenschutz und in die Biodiversität ein wichtiger Teil der Antwort auf die Krisen unserer Zeit sind und wir aus eigenem Interesse hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft müssen, wird, nicht ganz unerwartet, ausgeblendet. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Wenn wir vor den vielen drängenden Problemen stehen, marode Infrastruktur, Aufbau der Digitalisierung, Klimaschutz, neue außenpolitische Konstellationen mit den entsprechenden Sicherheitsfragen, die daran hängen, Verkehrswende, Umbau der Energieversorgung, demografischer Wandel mit den Folgen, Migration, aufkommender Protektionismus mit ernsten wirtschaftlichen Folgen auch für unser Land, Verlust der Biodiversität, Ausfinanzierung der kommunalen Aufgaben etc. - ich könnte meine ganze Redezeit mit der Auflistung der Probleme  , um nur einmal einige Problemhighlights zu nennen, 

(Zuruf von der CDU)

muss klar sein, dass wir zur Bewältigung einen finanzpolitisch stark aufgestellten Staat brauchen werden. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Das kriegt man in Gänze nicht mehr so nebenbei aus dem normalen Haushalt gestemmt, selbst bei vorbildlichster Aufgabenkritik und Ausgabenverhalten. 

Der Zustand der Brücken allein in dieser Stadt - das war vorhin schon Thema - beweist es. Diese Aufgaben muss man finanzieren. Wenn wir das nicht mit den aktuellen Einnahmen können oder wollen - allerorten hört man Versprechen von Steuersenkungen; sie sind immer nicht gegenfinanziert, ich staune  , müssen wir über eine Kreditfinanzierung reden. Ansonsten wird es nichts mit der Brückensanierung.

Ein Nachtwächterstaat wird nicht in der Lage sein, die Aufgaben auch nur ansatzweise anzugehen. Da müssen wir, Bund wie Länder, über die Form der Schuldenbremse reden. Auch dabei schaue ich noch einmal grimmig in die Richtung der FDP,

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!) 

die zwar im Bund die aktuelle Fassung der Schuldenbremse zum religiösen Text verklärt, auf der Landesebene es aber nicht merkwürdig findet, laut „Corona“ zu rufen und per Notlage die Mittel in dreistelliger Millionenhöhe in den Etat 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

des FDP-geführten Ministeriums zu lenken. 

(Guido Kosmehl, FDP: Nein, das ist unredlich, Herr Kollege!)

Eines von beiden ist falsch, eines von beiden ist falsch. 

(Guido Kosmehl, FDP: Nein, wir halten hier die Schuldenbremse ein, wir halten sie in Berlin ein!)

- Sie können Fragen stellen. - Wir haben mit diversen jeweils gegenfinanzierten Änderungsanträgen, von denen wir einige auch heute noch einmal stellen, unsere abweichende Auffassung in Anträge gegossen und in das Verfahren eingebracht. Den unveränderten Haushalt werden wir jedoch ablehnen. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. Ich sehe auch keine Fragen.