Henriette Quade (fraktionslos): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Der Haushalt eines Landes ist eine Zusammenfassung der kommenden Regierungspolitik in Zahlen mit ihren Prioritäten, mit ihren Plänen und mit ihren Fehlstellen. Der Haushalt spiegelt insofern also auch den Zustand der Koalition wieder, 

(Frank Bommersbach, CDU: Der ist gut!) 

die hinter ihm steht und eine Landesregierung trägt. 

Was sehen wir also, wenn wir in den vorliegenden Haushalt für Sachsen-Anhalt schauen? Und was sagt uns das über diese Koalition und über diese Landesregierung? Diese Koalition hat gerade das Programm „Job Buddys“ beerdigt. Das ist ein Programm, das etwas leisten sollte, was dieses Land dringend braucht, nämlich dass Menschen hier ihre Arbeitskraft in den Unternehmen und in den Betrieben einsetzen. Und dringend werden ja nicht nur Fachkräfte, sondern generell mehr Arbeitskräfte gebraucht.

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE) 

Entsprechend verheerend fallen die Reaktionen der Wirtschaft aus. 

Die Handwerkskammer Magdeburg spricht von einem Programm, das für die Fachkräftesicherung im Handwerk dringend nötig gewesen wäre. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer von Sachsen-Anhalt weist dazu in der „Volksstimme“ vom 5. Februar darauf hin   ich zitiere  : Kurz-, mittel- und langfristig ist die Wirtschaft auf Zuwanderung angewiesen, um den Bedarf an Fach- und Arbeitskräften zu decken.

Weiter heißt es   ich zitiere  : Das Ende des Job-Buddy-Programms sendet ein negatives Signal und erschwert die Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt. Zusammenfassend kommt die IHK zu dem Ergebnis, dass das Ende des Programms der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt schadet.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Warum, meine Damen und Herren, haben sich diese Landesregierung und diese Koalition entschieden, der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt zu schaden? Haben Sie den Eindruck, es ginge ihr zu gut? Haben Sie den Eindruck, die Wettbewerbsvorteile überwiegen? Mein Eindruck ist das nicht. Und gerade CDU und FDP werden doch nicht müde zu betonen, dass Bund, Länder und Kommunen nur das Geld ausgeben können, das sie erwirtschaften und einnehmen, und dass es dazu einer funktionierenden Wirtschaft bedarf.

Damit die Wirtschaft funktionieren kann, braucht sie Arbeitskräfte. Die demografische Lage in der Bundesrepublik und in Sachsen-Anhalt insbesondere zeigt uns, dass diese Arbeitskräfte nicht ausreichend vorhanden sind. Sachsen-Anhalt hat zudem das Problem, im Wettbewerb mit anderen Bundesländern nicht der attraktivste Standort zu sein, gerade nicht für ausländische Fach- und Arbeitskräfte.

Das Job-Buddy-Programm sollte jene, die schon einmal da sind, nun in Arbeit bringen und damit die Wirtschaft stärken, zu Teilhabe und zu sozialem Frieden beitragen. Diese Koalition hat das nicht für nötig befunden.

Zu den vier Begriffen, mit denen CDU, SPD und FDP ihren Koalitionsvertrag überschrieben haben, gehören auch „stark“ und „krisenfest“. So wollen sie, jedenfalls ihrem Vertrag nach, Sachsen-Anhalt gestalten, das Sachsen-Anhalt, in dem der Verfassungsschutz im Jahr 2023 rund 4 080 Rechtsextremisten erfasst hat. Das ist fast eine Verdreifachung der Zahlen, die noch zehn Jahre zuvor erfasst wurden.

Der fortlaufende Aufstieg der extrem Rechten und der mit ihr einhergehenden Gewalt und Destabilisierung demokratischer Institutionen ist die größte innen- und sicherheitspolitische Krise dieses Landes und die größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Der Ministerpräsident hat im Oktober 2019 nach dem Anschlag in Halle und Landsberg-Wiedersdorf zutreffend festgestellt   ich zitiere  : Eine gefestigte Zivilgesellschaft ist ein wichtiger Teil der demokratischen Kultur und politische Bildung ist der Schlüssel zu demokratischem Handeln und Denken.

Schauen wir erneut in den Haushalt und die Entscheidungen der letzten Jahre, schauen wir auf die Projekte der Demokratieförderung im umfassendsten Sinne von der Schulsozialarbeit bis hin zu Beratungsteams und Opferberatungen, aber auch auf das, was qualitativ in der Arbeit der Sicherheitsbehörden passiert oder eben nicht passiert. Wir sehen, dass weder Haushalt noch sonstiges Regierungshandeln der Dimension der Demokratie- und Sicherheitskrise gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, die Koalition kann langatmig erklären, dass nun einmal nicht für alles Geld zur Verfügung steht. Das wissen auch alle. Das ist aber keine Erklärung für ihre Prioritätensetzung. Im Gegenteil, in diesem Haushalt zeigt sich eine Koalition, die das gemeinsame Gestalten weitgehend aufgegeben hat, eine Koalition, deren stärkste Fraktion, die CDU, die Regierungsarbeit ihres eigenen Ministerpräsidenten zunehmend blockiert und keinen Umgang findet mit der Radikalisierung, die Teile genau dieser CDU-Fraktion inzwischen ebenso erfasst hat wie Teile der Gesellschaft.

Wir sehen eine CDU-Fraktion, in der Teile bereit sind, für einen Kulturkampf Wirtschaft und Stabilität in Sachsen-Anhalt zu beschädigen, weil es gar nicht mehr darum geht, für irgendwen etwas Positives zu erreichen. Im Kulturkampf geht es nicht darum, jemandem was zu geben, sondern darum, jemandem was zu nehmen. Es geht auch darum, nicht darüber zu reden, warum eigentlich Probleme der Mehrheit - Mieten, Sicherheit, Lebenshaltungskosten bis hin zum Wegfall von Lebensgrundlagen - nicht gelöst werden.

(Unruhe)

Dass eine Fraktion, aus der Mitglieder auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüft werden müssen oder andere wegen Volksverhetzung vor Gericht kommen, Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt und zur Verteidigung der Demokratie nicht unterstützt, muss man mittlerweile für naheliegend halten. Die Realität ist doch aber ein bisschen komplizierter.

Die Realität ist doch, dass die größte Fraktion in diesem Haus nach wie vor eine konservative und keine rechte Fraktion ist. Die Frage ist nur: Wer setzt sich durch? Die Konservativen oder die Rechten?

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Verantwortung oder Kulturkampf?

(Zuruf von der CDU)

Und damit sind wir bei der zentralen Frage: Wer regiert dieses Bundesland?

(Zuruf von der CDU: Haushalt!)

Der Haushalt zeigt uns ein Bild des Stillstands, ein Stillstand, der nicht entsteht, weil sich CDU, SPD und FDP nicht einigen können, obwohl das bestimmt sehr schöne Gespräche sind. Vielmehr entsteht der Stillstand, weil die CDU-Fraktion nicht weiß, wer sie eigentlich sein will, und weil diese Landesregierung auch von einem seltsam abwesenden Ministerpräsidenten geführt wird, der sich von den Lauten in seiner Fraktion für die Konzepte herumscheuchen lässt, statt sich für die Landesregierung und die Konzepte, die seine Landesregierung, sein Kabinett erarbeitet, einzusetzen.

(Zuruf von der CDU: Haushalt!)

Es liegt noch mehr als ein Jahr vor dieser Landesregierung. Stärke und Krisenfestigkeit brauchen mehr als das, was in diesem Haushaltsentwurf zu sehen ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)