Tagesordnungspunkt 21

Beratung

Klimageld auszahlen - sozial gerechten Klimaschutz umsetzen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/5151


Einbringen wird diesen Antrag der Abg. Herr Striegel. - Herr Striegel, bitte schön.


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Vielen herzlichen Dank. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen die menschengemachte Erderhitzung, 

(Oh! bei der AfD)

gekennzeichnet durch immer höhere Temperaturen der Erdoberfläche, das Schmelzen der Eisschilde, häufigere und stärkere Extremwettereignisse, den Verlust von Lebensräumen für Mensch und Tier, den Verlust unserer Ernährungssicherheit und viele weitere negative Entwicklungen, ist   d i e   zentrale Aufgabe unserer Gegenwart und Zukunft. Nicht das Klima braucht dabei unseren Schutz - wir als Menschen brauchen ein Klima, in dem wir gut leben können. Das wollen wir bewahren. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Klimaschutz heißt, Leben zu schützen, und zwar von Menschen, aber auch von Tieren und der gesamten Natur. 

(Oh! bei der CDU)

Die Erderhitzung zu begrenzen, gleicht der Überwindung einer Sucht. Wir haben unsere Gesellschaft, unser Wirtschaftssystem, unsere blanke Existenz als Menschen über mehrere Jahrhunderte auf fossile Rohstoffe gebaut. Uns jetzt zügig und konsequent dieser Suchtmittel zu entwöhnen, ist eine Herkulesaufgabe. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Jeder trockene Alkoholiker hier im Raum, jede Raucherin in der Runde wird mir diesbezüglich zustimmen. Diese Entwöhnung, dieser Umbau aller Prozesse, diese neue industrielle Revolution, hinein in eine postfossile Welt, ist nicht bruchfrei zu haben. Diese Transformation trifft Menschen unterschiedlich hart und je nach Lebenslage kann dieser Prozess verunsichern und, ja, auch überfordern. Deshalb muss Klimaschutz sozial gerecht organisiert sein. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir auf die tatsächlichen Emissionen: Jeder in Deutschland lebende Mensch verursacht im Durchschnitt 10,3 t pro Kopf und Jahr, also zehnmal so viel Treibhausgasemissionen wie klimaverträglich möglich sind. Menschen aus den einkommensstärksten Haushalten haben dabei im Durchschnitt eine doppelt so große CO2-Bilanz wie Menschen aus Niedrigeinkommenshaushalten, nämlich 5,6 t pro Kopf. Während sich die von CDU und FDP viel gescholtene Bürgergeldempfängerin bereits relativ nah an den Klimazielen zum Einhalten der 1,5-Grad-Grenze bewegt, lässt es Herr Merz als Privatjetpilot auf unser aller Kosten krachen. 

(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Allein die Emissionen seiner Privatjetflüge belaufen sich auf etwa acht Tonnen CO2 pro Jahr. Das ist viermal so viel, wie der Durchschnittsdeutsche für seine gesamte Mobilität in einem Jahr an Emissionen ausstößt. 

Meine Damen und Herren! Hierbei kommt das Klimageld ins Spiel. Es sichert in Verbindung mit einem CO2-Preis, dass die Menschen mit kleinem CO2-Fußabdruck entlastet werden, während große CO2-Verursacher wie Friedrich Merz mit starken Schultern auch mehr wuppen müssen. So, meine Damen und Herren, geht Gerechtigkeit. 

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE) 

Das hat selbst Friedrich Merz erkannt. Er stellte im Kanzlerduell ein Klimageld in Höhe von 200 € pro Monat in Aussicht. Gut, das „pro Monat“ war wohl ein Versprecher; tatsächlich ging es ihm um 200 € pro Kopf und Jahr. Auch das war nun nach der Aussage seiner CDU-Parteizentrale nicht ganz so gemeint; denn eigentlich seien die 200 € nur die rechnerische Entlastung aus den Energiemarktideen der CDU - also alles nur Fake. 

(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Warten wir ab, was am Montag passiert!)

Friedrich Merz und seine gebrochenen Versprechen - da war doch etwas ... Er hält einfach sein Wort nicht, der Herr Kanzlerkandidat. 

(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Mit dem CO2-Preis lenken wir marktwirtschaftlich unternehmerisches und privates Handeln hin zu mehr Klimaschutz. Innovationen in grüne und klimafreundliche Technologien werden dadurch gefördert. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN) 

Durch die zukünftige Preisentwicklung und die begleitende Transformation unserer Industrie werden fossile Energieträger schrittweise aus dem Markt gedrängt. Die Verringerung der CO2-Emissionen sichert unsere Lebensgrundlage und mit dem Klimageld federn wir diesen Prozess sachgerecht und sozial ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

In einer aktuellen Studie des DIW zeigt sich, dass jede und jeder zweite Befragte die CO2-Bepreisung befürwortet, wenn gleichzeitig vier Fünftel, also 80 %, der Einnahmen in Form eines Klimageldes zurückgezahlt werden. Eine Pro-Kopf-Rückerstattung durch den CO2-Preis nutzt dabei den einkommensschwächsten Haushalten am meisten. 

Kritisch ist, dass wir mit einem einfachen Pro-Kopf-Klimageld-Mechanismus die Lenkungswirkung des CO2-Preises ein Stück weit dämpfen, jedenfalls im Bereich Wohnen. Denn Mieter und Mieterinnen haben oftmals keinen Einfluss auf die Heizung von Gebäuden, in denen sie leben. In Gebäuden mit einer niedrigen Energieeffizienz können die Kosten des CO2-Preises auf den Vermieter umgelegt werden. Das ermöglicht das Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz seit 2023. Dennoch greift dieses eben nicht vollumfänglich. 

Mit einem gebäudespezifischen Klimageld, welches sich an Gebäudetypen orientiert, könnte noch mehr Gerechtigkeit geschaffen werden. Auch die Lenkungswirkung des CO2-Preises würde dadurch nicht eingeschränkt. Ein gebäudespezifisches Klimageld würde auch Menschen auf dem Land, unabhängig von ihrem Einkommen, besser berücksichtigen. Diese Gruppe ist heute überdurchschnittlich häufig auf ein Auto angewiesen oder sie wohnt vergleichsweise häufiger in großen alten Gebäuden wie Bauernhöfen. Kanada hat dafür eine clevere Lösung gefunden. Anstatt die Gießkanne zu nehmen und für jeden ein Klimageld auszuzahlen, wird dort nach Familiensituation und Wohnort unterschieden. Familien, die auf dem Land leben, erhalten somit bis zu 20 % mehr Klimageld. Zusätzlich wird der Betrag pro Kind erhöht. Ein Single in Alberta erhält somit etwa 225 kanadische Dollar; im ländlichen Gebiet gibt es dann noch einmal 45 kanadische Dollar zusätzlich.

Österreich hat ein ähnliches Prinzip für sein Klimageld entwickelt. Die Höhe wird regional je nach Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel abgestuft und liegt zwischen 145 € und 290 € pro Jahr, und eben nicht pro Monat. Wie Sie sehen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die Mehrbelastung der großen Transformation abzufangen und sozial gerecht umzuverteilen. 

Finanzminister Kukies hat für den Verteilmechanismus eines Klimagelds in den letzten drei Monaten mehr erreicht als Verhinderungsminister Lindner in den letzten drei Jahren. 

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe: Oh! - Andreas Silbersack, FDP, lacht)

Vielleicht hätte jemand Lindner einmal verdeutlichen sollen, dass die Aufgabe des Finanzministeriums darin besteht, Regierungen erfolgreich zu machen, Herr Silbersack, statt vor der Verantwortung in die offene Feldschlacht zu fliehen. 

Wie lautet die nun gefundene Lösung zum Auszahlungsverfahren des Klimageldes? - Das Finanzministerium schafft einen Basismechanismus. 

(Jörg Bernstein, FDP: Das Finanzministerium druckt Geld, Mensch! - Andreas Silbersack, FDP: Es regnet Geld vom Himmel!)

Eine einfache Direktverteilung des Klimageldes ist damit möglich. Dafür muss lediglich die Kontoverbindung in die Steuer-ID-Datenbank beim Bundeszentralamt für Steuern aufgenommen und gespeichert werden. Der rechtliche Rahmen dafür steht jetzt. 

Ob eine Auszahlung gestaffelt nach Region stattfindet oder nach Einkommen, sollte nun im Fokus der Debatte stehen. Das Klimageld kann kommen. Ob und wie es kommt, darüber entscheidet der nächste Bundestag. Wir GRÜNEN wollen, dass es Wirklichkeit wird. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger ist es dabei nicht ausreichend, allein die Netzentgelte und die Stromsteuer abzusenken, wie es die CDU fordert. Die Kosten müssen tatsächlich zurückgezahlt werden. Denn geringere Netzentgelte und weniger Stromsteuer entlasten hauptsächlich Eigenheimbesitzer*innen, die elektrisch heizen und tanken. 

Auch die Absenkung der EEG-Umlage entlastet die Haushalte nicht vollständig, obwohl sie volkswirtschaftlich aufkommensneutral wäre. Denn die Wirtschaft würde zu zwei Dritteln von der Absenkung der EEG-Umlage profitieren, aber nur ein Drittel der CO2-Bepreisung tragen. Es fände somit eine Umverteilung von privaten Haushalten hin zur Wirtschaft statt. Dies ändert sich erst, wenn vermehrt Wärmepumpen und Elektroautos genutzt werden. 

Eine Pro-Kopf-Klimaprämie kommt dagegen auch Geringverdienenden zugute, die weder Geld für eine Wärmepumpe noch für ein Elektroauto haben. Aufgrund der von der FDP zu verantwortenden Verzögerung bei der Einführung eines Klimageldes wird die Senkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum ein pragmatischer Weg sein, um eine kurzfristige Entlastungswirkung herbeizuführen; ausreichend ist sie nicht. 

Die Agora Energiewende schlug für das Klimageld einen Betrag von maximal 190 € ab dem Jahr 2026 vor. In der jüngsten Studie des DIW wird eine Staffelung nach Lohn- und Einkommenssteuer angeregt. So können Härtefälle vermieden werden und Besserverdienende profitieren nicht zusätzlich vom Klimageld. 

Meine Damen und Herren! Ob wir es nun Klimaprämie, Klimabonus oder Klimageld nennen, eines sollte klar geworden sein: Ohne eine Rückerstattung an finanziell benachteiligte Haushalte wird Klimaschutz nicht gehen. CO2-Preis und Klimageld gehören zusammen. Sie sind   ich kann auf weitere Instrumente an dieser Stelle nicht eingehen   Teil eines großen Werkzeugkastens. Die Abschaffung des GEG oder des CO2-Preises wäre im Rahmen der Klimakrise fatal und blödsinnig. 

(Lothar Waehler, AfD: Das wäre die einzige Lösung!)

Wir als Weltgemeinschaft sind gerade dabei, die 1,5-Grad-Grenze zu reißen. Extremwetterereignisse wie Dürren oder Hochwasser und Brände werden zur neuen Normalität. Auch Migrationsströme nehmen durch den Klimawandel zu. Die Lebensmittelpreise für Güter, wie Kaffee und Kakao, steigen bereits jetzt. Rohstoffkriege werden sich in Zukunft auch auf die Ressource Wasser ausweiten. 

Wir müssen die menschengemachte Erderhitzung endlich ernst nehmen. Mit dem CO2-Preis haben wir auf europäischer Ebene ein wichtiges Instrument entwickelt, welches international nachgeahmt wird. Jetzt fehlt in Deutschland nur noch eine soziale Rückerstattung, das Klimageld. Wir sorgen dafür, dass es kommt. Dafür müssen starke GRÜNE in den nächsten Bundestag. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Striegel, es gibt eine Frage von Herrn Heuer. 


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Gern. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Heuer, bitte. 


Guido Heuer (CDU): 

Sehr geehrter Herr Kollege Striegel! Mit Fingern auf andere zeigen, das können Sie sehr gut. Aber dass Ihre Außenministerin oder unsere Außenministerin Annalena Baerbock am 23. Juni trotz einer geringen Entfernung von 250 km nach einem EM-Vorrundenspiel zwischen Deutschland und der Schweiz von Frankfurt einen 30-minütigen Flug nach Luxemburg getätigt hat und wieder zurückgeflogen ist und die Maschine darüber hinaus nachts noch nach Köln fliegen musste, um sie dann am nächsten Morgen wieder abzuholen, das erwähnen Sie nicht. 

(Sven Rosomkiewicz, CDU: Das ist menschengemachter Klimawandel! - Weitere Zurufe von der CDU - Zuruf von der AfD: Pfui!)

Das ist mit dem Finger auf andere zeigen. Sie sollten erst einmal vor Ihrer eigenen Haustür kehren. 

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl!) 


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Sehr geehrter Herr Heuer! Der Einzige, der in dieser Debatte auf jemanden mit dem Finger gezeigt, waren Sie gerade. Das machen Sie öfter. Ich weiß nicht, woher das kommt. 

(Zuruf: Ihre Außenministerin!)

Ganz klar: Unsere Außenministerin   sie ist Ihre, sie ist meine   muss fliegen; das passiert. 

(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Sven Rosomkiewicz, CDU: Annalena fliegt am Sonntag! - Zuruf von der CDU: Die fliegt am Sonntag! - Unruhe)

Friedrich Merz hat sich dafür entschieden, Privatjetpilot zu sein. Ich habe die Zahlen genannt: Allein durch seine Privatjetflüge, die seinem Vergnügen dienen, wenn er z. B. nach Sylt fliegt, 

(Zuruf von der CDU)

verursacht er mehr CO2-Emissionen, als wir alle zusammen, und das kann nicht sein.

(Lachen und Zurufe von der CDU - Ministerin Eva Feußner: Das hat er doch mit eigenem Geld gemacht und nicht auf Staatskosten! - Minister Sven Schulze: Am Sonntag fliegt sie wieder! - Unruhe) 

Vielen herzlichen Dank.