Andreas Silbersack (FDP): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Meine Frage richtet sich an den Wirtschaftsminister. Eine der größten Herausforderungen unseres Landes ist der Fachkräftemangel. Deshalb haben wir uns als Land auf den Weg gemacht, auch Fachkräfte aus dem und im Ausland anzuwerben. Seit geraumer Zeit gibt es intensive Bemühungen. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es im Bereich der Gastronomie schon erste Erfolge gibt, auch enge Beziehungen zu Vietnam, darüber hinaus wohl auch Beziehungen zu Usbekistan.

Mich würde insofern interessieren, auch im Zusammenhang mit der IMG und deren Aufgabe und der Gewinnung zusätzlicher Unternehmen, die dabei mitwirken: Wie ist der aktuelle Stand der Bemühungen um Fachkräfte im Ausland, die wir für das Land Sachsen-Anhalt gewinnen können?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Für die Landesregierung antwortet der Wirtschaftsminister Herr Schulze.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten): 

Vielen Dank. - Vielleicht beginne ich damit: Ich habe heute in einer Zeitung gelesen „weniger Arbeitskräfte bis 2040“. Dazu gibt es eine Studie. Ich weiß nicht, wer sie erstellt hat, aber sie ist zutreffend. Wir haben im Land Sachsen-Anhalt im Moment ca. 1 Million Menschen in Arbeit. Bis 2040 werden davon deutschlandweit im Durchschnitt 10 % weniger sein, in Thüringen und Sachsen-Anhalt mindestens um die 15 %. Wenn man die Geburten, die in den vergangenen Jahren zu verzeichnen waren, dagegen rechnet, dann werden wir in eine Situation kommen, dass wir einen Mangel an Arbeitskräften haben werden, den wir durch die Menschen hier in Sachsen-Anhalt nicht decken können, auch nicht aus den umgrenzenden Bundesländern oder den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, selbst wenn die Automatisierung verbessert wird, wenn künstliche Intelligenz oder was auch immer dazu beiträgt, dass vielleicht manche Arbeitsplätze anderweitig ersetzt werden.

Genau deshalb ist es aus der Sicht der Landesregierung - ich spreche auch für die Arbeitsministerin, für Petra Grimm-Benne - wichtig, im Ausland gezielt nach Menschen, nach Arbeitskräften zu suchen, die - das sage ich hier ganz bewusst, weil ich weiß, in welche Richtung das schnell wieder umschlagen kann - in den Arbeitsmarkt einwandern, nicht in das Sozialsystem.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Wir machen das - der Abg. Herr Silbersack hat es erwähnt, das kennen Sie auch alle - bspw. sehr intensiv in Vietnam. Wir haben dort aufbauend auf positiven Erfahrungen des DEHOGA das VIETHOGA-Projekt weiter - ich sage es einmal so - aufgebohrt. Wie funktioniert das? - Junge Menschen dort, die ein Interesse daran haben, zu uns zu kommen, die vor Ort auch schon eine gewisse Grundausbildung haben, bekommen eine Sprachausbildung. Sie müssen die Sprachausbildung am Goethe-Institut in Prüfungen nachweisen.

Sie kommen erst dann nach Sachsen-Anhalt, wenn sie hier einen Ausbildungsvertrag oder sogar einen Arbeitsvertrag - meistens ist es ein Ausbildungsvertrag - in der Tasche haben. Erst dann kommen sie hierher. Sie kommen nicht erst hierher und sagen dann: Mal gucken, was passiert. - Das ist das Nächste. 

Ein weiterer Punkt. Ich war vor ein paar Monaten in Vietnam, habe auch mit den zuständigen Ministern dort gesprochen. Sie haben gesagt: Das, was ihr dort macht, unterstützen wir. Aber - weil manchmal gesagt wird, wir nehmen ihnen die Fachkräfte weg; das ist genau der Punkt, den wir besprochen haben - sie bitten darum, dass wir nicht gezielt auf schon fertige Arbeitskräfte, die vielleicht schon 15 Jahre Erfahrung haben, zugehen und sagen: Kommt doch nach Deutschland! Das ist auch schwierig in der Integration hier. Deswegen sind es genau diese jungen Leute, die wir dann hier integrieren.

Warum Vietnam? - Weil die Erfahrungen auch in Sachsen-Anhalt so waren, dass es Länder gibt, wo Menschen, die hierherkommen, sich leichter damit tun, hier zu bleiben, weil sie hier eine Community haben, weil sie positive Rückmeldungen aus ihren Familien haben; gerade in dem Fall zu Ostdeutschland. Sie alle wissen - ich muss das nicht erläutern  , dass es auch zu DDR-Zeiten eine sehr enge Verbindung gerade nach Vietnam gab. 

Ich habe mich vor einigen Jahren, als ich noch im Europäischen Parlament war, mit dem Thema beschäftigt, habe mit Unternehmen gesprochen. Sie hatten junge Leute, z. B. aus der Europäischen Union, aus Spanien hier. Das ist total einfach. Arbeitsnehmerfreizügigkeit ist da ein hohes Gut. 

Diese jungen Leute sind aber oft schnell wieder weg gewesen, weil sie wirklich eine Herausforderung damit haben, sich hier zu integrieren. Deswegen haben wir uns sehr intensiv auf Vietnam konzentriert, werden das mit der Investitions- und Marketinggesellschaft, mit den Stakeholdern, die dort im Land schon aktiv sind, weitermachen. 

Unser Ziel ist: Wir haben dort jetzt ein Pilotprojekt initiiert, übrigens als erstes Bundesland in Deutschland. In Vietnam sind fast alle Bundesländer vertreten. Als ich dort war, war fast zeitgleich, nur einige Tage später, auch Boris Rhein aus Hessen mit einer Delegation dort und andere Bundesländer, Thüringen usw. auch. Wir sind die Ersten, die dort das B-2-Niveau gezielt für Einzelne anbieten. Warum machen wir das? - Weil es so ist, dass es Ausbildungsberufe gibt, wo man, wenn man in einer Sprache eine Grundausbildung hat, den Rest der Sprache auch hier erlernen kann, z. B. in der Hotellerie. Da kommst du mit den Kunden, mit den Gästen in Kontakt, lernst die deutsche Sprache jeden Tag mehr. 

Es gibt aber auch Ausbildungsberufe, in denen du schon viel mehr wissen musst, in denen du am Computer sitzt, in denen dir dein Ausbilder oder dein Kollege konkrete Dinge erklären muss. Da muss man einfach schon besser sein. Deshalb sind wir die Ersten, die in einem Pilotprojekt das B-2-Niveau anbieten. Das machen wir gemeinsam mit der IMG. Ich bin dem Landtag sehr dankbar dafür, dass er - ich glaube, im letzten Jahr war es - im Haushalt 2024 die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Das sind diese 3 Millionen € für die IMG, die wir im nächsten Haushalt angepasst haben, die wir genau für solche Dinge verwenden. 

Zu dem Punkt „Usbekistan und andere Länder“, weil danach gefragt wurde. Mein Fokus ist im Moment Vietnam. Ich sage das ganz bewusst, weil ich unsere Verwaltung nicht überfordern möchte. Ich will auch die, die es machen, nicht überfordern. Das muss jetzt erst einmal funktionieren und noch stärker werden als das, was wir schon haben. Dann können wir auch auf andere Regionen schauen. Da möchte ich auch auf die Erfahrungen setzen, die vielleicht Wirtschaftsunternehmen dort schon gesammelt haben, weil sie die Kontakte schon haben. In Usbekistan gibt es ein großes Unternehmen aus Halle, das dort sehr intensiv und aktiv ist. Es gibt andere Länder, wo wir auch gute Erfahrungen gemacht haben. Jetzt ist Vietnam im Fokus. Die Evaluierung erfolgt regelmäßig. Ich berichte darüber auch sehr häufig im Wirtschaftsausschuss. Das gezielt zu machen, ist, glaube ich, der richtige Weg. 

Und: All diejenigen, die sagen, wir hätten viele junge Menschen in Deutschland, die nicht in Arbeit seien, die haben auch recht. Das will ich hier ergänzend sagen. Die Akquirierung von Menschen aus dem Ausland für den deutschen Arbeitsmarkt darf nicht unsere Anstrengungen schmälern, die Menschen, die jetzt nicht in Arbeit sind, aber in Deutschland arbeitsfähig sind, auch in den Arbeitsmarkt zu bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das muss im Zweifelsfall auch stärker im Fokus der nächsten Bundesregierung sein. Sonst kriegen wir ein Problem, wenn wir auf der einen Seite mit viel Geld versuchen, Leute hierherzuholen, und auf der anderen Seite mit viel Geld Menschen alimentieren, die eigentlich arbeitsfähig, aber nicht arbeitswillig sind. - Vielen Dank.