Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten): 

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es gibt manchmal Themen, bei denen man denkt: Mensch, das ist so das Globale, die weite Welt. Warum müssen wir das im Landtag von Sachsen-Anhalt diskutieren? - Das könnte man bei KI, der künstlichen Intelligenz, eigentlich auch denken, aber es ist völlig richtig, dass diese Debatte hier stattfindet. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin sehr dankbar - in dem Fall der FDP  , dass wir uns auch hier mit dem Thema beschäftigen; denn wir könnten, wenn wir, die Bundesländer, nicht aufpassen, schnell in eine Abhängigkeit kommen. Ich werde gleich noch darauf eingehen. 

Der Abg. Herr Pott hat zu Recht gesagt, dass die KI unbestritten eines der wichtigsten Themen der Zukunft ist, nicht nur für die Wirtschaft, sondern eigentlich für alle Lebensbereiche; dass sich die Entwicklung nicht nur in den Unternehmen vollzieht, sondern auch in der Gesellschaft und dass die KI - auch das will ich sagen - eine breite gesellschaftliche Akzeptanz braucht. 

Man hat manchmal das Gefühl - das wird so gesagt  , dass es Teufelszeug ist und wir aufpassen müssen, dass es nicht über uns kommt. Es gibt wahrscheinlich den einen oder anderen, der irgendwelche Science-Fiction-Filme aus Hollywood in Erinnerung hat. Das alles hat nichts mit dem zu tun, worüber wir hier diskutieren.

Deshalb gilt es für mich, die positiven Effekte herauszustellen. Der eine oder andere hat vielleicht die Münchener Sicherheitskonferenz verfolgt. Dort hat unter anderem der SAP-Vorstand die Bedeutung von Daten und Datensicherheit in Europa betont. Ich will, bevor ich stärker in Richtung Deutschland und Sachsen-Anhalt gehe, einmal ganz bewusst sagen, dass wir in Europa ohne eigene KI-Infrastruktur in dem Bereich in eine Abhängigkeit geraten, die verheerend wäre, auch für Sachsen-Anhalt. 

Europa verfolgt das Zielbild einer sicheren, transparenten und nachvollziehbaren KI. Der Mensch und ethische Fragen stehen in der EU und in Deutschland im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass eine Balance zwischen Sicherheit und Innovationsfreiheit notwendig ist. Sie haben zu Recht den AI Act der EU genannt, den risikobasierten Ansatz mit Verpflichtungen für Anbieter und Nutzer. Das schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen und stärkt den digitalen Binnenmarkt. Das bedeutet aber für die Wirtschaft, dass auch minimal riskante KI-Systeme bewertet werden müssen. Man muss einmal darüber diskutieren, ob das jeweils immer der richtige Weg ist.

Wir erwarten in Deutschland das Durchführungsgesetz zum AI Act im ersten Quartal 2025. Dann werden wir uns in Deutschland und in Sachsen-Anhalt noch stärker damit beschäftigen müssen. Ich sage aber ganz bewusst, dass mein Ministerium und das von Lydia Hüskens genauso und eigentlich alle Ministerien das entsprechend begleiten und wir in meinem Bereich sehr auf wirtschaftsfreundliche Regelungen setzen.

Jetzt will ich einmal ein Stück weit in Richtung Sachsen-Anhalt gehen. Wir setzen in Sachsen-Anhalt auf einen KI-Ansatz, auf einen strategischen Ansatz, der sowohl nachfrage- als auch anwendungsorientiert ist. 

Ich möchte etwas konkreter werden. Herr Pott, Sie haben es gesagt, es gibt viele Beispiele, wo das hier schon funktioniert. Ich beziehe mich einmal auf meinen Verantwortungsbereich. In dem Fall will ich auf die Landwirtschaft eingehen, wo wir KI schon sehr intensiv einsetzen und die KI längst im praktischen Einsatz ist. Ein Beispiel ist Precision Farming. Das hat der eine oder andere vielleicht schon gehört. Das ermöglicht eine zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Dabei können Roboter zur autonomen Pflanzen- und Bodenbehandlung über KI-basierte Bildauswertung Pflanzen in frühesten Stadien unterscheiden und entsprechend entscheiden, welche Pflanzen stehenbleiben oder im Wege eines Spot Sprayings durch Pflanzenschutzmittel oder Düngung behandelt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für Interessierte gibt es die Möglichkeit, sich das einmal anzuschauen. Man fährt quasi mit einer Maschine über den Acker und die Maschine kann auch bei hoher Geschwindigkeit jede einzelne Pflanze separat behandeln und auswählen. Das dient nicht nur dem Umweltschutz, sondern auch der Einsparung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Das geht auch 24 Stunden, weil man das mit Robotern machen kann.

(Zustimmung bei der FDP)

Damit braucht man zukünftig keine Personen mehr auf dem Acker. Das ist sicherlich noch ein Zukunftsmodell, man braucht auch keine Angst zu haben, dass dadurch Arbeitsplätze eingespart werden. Wir haben auch in der Landwirtschaft die Herausforderung - das haben wir gestern diskutiert  , dass es zu wenig Menschen gibt, die dort in Zukunft arbeiten. 

Aber - jetzt will ich einmal etwas sagen, das wir aktuell auch erleben - das aktuell geltende Pflanzenschutzgesetz lässt diese Verfahrensweise derzeit noch nicht zu, weil der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln immer den Nachweis der Sachkunde voraussetzt, und einem Roboter kann man keinen Sachkundenachweis ausstellen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen an die tatsächlichen technischen Entwicklungen angeglichen werden müssen.

Aus diesem Grund - jetzt komme ich wieder zum Positiven - habe ich vor einiger Zeit eine Projektgruppe mit Vertretern aus zwei Unternehmen eingerichtet, aus dem Ministerium und der LLG, unserer Einrichtung dort, die dafür zuständig ist, weil wir das Ziel haben, technische und rechtliche Anpassungen parallel zu entwickeln. 

Auch in der Pflanzenzüchtung unterstützt KI bspw. die Entwicklung klimaangepasster Sorten. Das machen wir im IPK Gatersleben. Das ZTT Iden setzt mit geplanten Modernisierungen in der Tierhaltung und der bereits vorhandenen Smart-Farming-Technik wie Drohneneinsatz, Feldrobotik oder automatischen Lenksystemen auch verstärkt auf künstliche Intelligenz. Für die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau ist die Integration moderner Technologien ebenfalls längst Alltag. Schließlich arbeiten wir in enger Zusammenarbeit mit dem MID, also dem Ministerium der Kollegin Hüskens, an einem Projekt zum autonomen Fahren von Zugmaschinen auf öffentlichen Wegen.

Wir machen in Sachsen-Anhalt nur in dem Bereich also schon richtig viel. Ich will aber auch sagen, dass KI am Ende nicht vom Himmel fällt. Es gibt wichtige Parameter, die vorhanden sein müssen, auch hier bei uns. Das eine sind die Köpfe, kluge Köpfe. Wir bilden sie an unseren Hochschulen aus, und wir müssen schauen, dass sie vermehrt bei uns im Land bleiben. 

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Nächste ist das Thema Daten. Ein Riesenpfund, das wir in Deutschland und Sachsen-Anhalt haben, sind die Daten, bspw. von den mittelständischen Unternehmen. Aber wir können sie zu wenig nutzen, wir können sie zu wenig auswerten, weil das Thema Datensicherheit dabei oft im Weg steht. 

Weiterhin sind zu nennen Infrastruktur und Zugänglichkeiten, dass wir Entwicklungen auch umsetzen können müssen. 

Das heißt, als Fazit kann man sagen, dass es auch in Sachsen-Anhalt nicht so ist, dass wir hinterherhinken, sondern dass wir uns auch in der Verwaltung im Wirkungsbereich der Landesregierung nicht nur auf einen guten Weg gemacht haben, sondern es in allen Fachbereichen, in allen Ministerien Beispiele zu erleben gibt, wo sich KI weiterentwickelt, unabhängig davon, was Unternehmen oder Private machen.

Wichtig ist, dass wir weiterhin eine gute Zusammenarbeit zwischen den Forschungseinrichtungen, den Unternehmen und den Fachkräften haben. Das muss auch weiter gefördert werden. An den Hochschulstandorten des Landes muss weiter in KI-Infrastruktur investiert werden. Die regionalen Netzwerke, die wir haben, sind auch enorm wichtig. Wir haben viele Netzwerke, und nur mit Netzwerken kann man voneinander lernen, Best-Practice-Beispiele einsetzen. Das alles ist wichtig, auch die Start-up-Szene und KMU weiter gezielt zu fördern, auch mit Förderprogrammen. Das machen wir bspw. im Wirtschaftsministerium. 

Das will ich auch dazu sagen, weil ich mit Fachkräften begonnen habe, die wir haben: Wir müssen weiter gezielt an der Qualifizierung, an der Bindung, aber auch an der Gewinnung von Fachkräften arbeiten. Das heißt, das Thema KI ist eines der Themen, mit denen sich dieses Hohe Haus, die Landesregierung und Sachsen-Anhalt auf allen Ebenen bitte in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren weiterhin sehr intensiv beschäftigen sollte. Es gibt gute Beispiele, wo wir mittlerweile in Sachsen-Anhalt führend sind. Es gibt gute Gründe, warum das auch für uns als Bundesland eine wesentliche Technologie ist, und es gibt gute Gründe, warum wir hier nicht sagen sollten, das geht uns nichts an, sondern das ist ein wesentlicher Teil der Entwicklung Sachsen-Anhalts. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Intervention von Herrn Feuerborn und eine Nachfrage von Herrn Pott. - Herr Feuerborn, bitte.


Olaf Feuerborn (CDU): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister Sven Schulze, Innovation - Du hast es vorhin in Deiner Rede angesprochen: Die Landwirtschaft war immer schon ein Vorreiter für Innovation, auch für künstliche Intelligenz. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass wir in der Wirtschaft immer nach Möglichkeiten suchen, optimal und effektiv zu arbeiten. Vorausgehend für Innovation in der Landwirtschaft, die immer Vorreiter ist, war der Arbeitskräftemangel, wo man sich überlegt hat, wie man es einfacher, wie man es technisch gestalten kann. Dabei sind wir Vorreiter.

Auch die künstliche Intelligenz, die wir in den letzten Jahren weiter nach vorn gebracht haben, hilft uns in vielen Teilen. Aber sie darf nicht dazu verwendet werden, dass wir hierdurch mehr Bürokratie aufbauen, die wir nicht bewältigen können und dadurch Restriktionen aufgebaut werden, die wir nachher nicht mehr bewältigen können. Es muss einfach sein. Es muss für die Wirtschaft eine Hilfestellung sein, aber es darf nicht als Instrument zur Überwachung gebraucht werden, wie wir das im Moment erleben. Hier müssen wir einen ganzen Teil zurückfahren und es einfacher gestalten. - Vielen Dank.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Wenn ich darauf reagieren darf?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Ja, Herr Minister. Bitte.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Das ist genau der richtige Ansatz. Es darf nicht immer erst überlegt werden, wie wir das, wenn wir etwas Neues entwickeln, mit unseren altbekannten Wegen reglementieren. Das ist das Problem. Wir denken etwas Neues, KI, und überlegen, wie wir das mit den Möglichkeiten überwachen, die wir in den 80er- oder 90er-Jahren entwickelt haben. So wird es nicht funktionieren. Am Ende des Tages muss man denen, die sich hier auf den Weg machen - das sind, wie gesagt, nicht nur wir als Land, sondern auch viele Unternehmen  , Freiräume und Möglichkeiten geben; sonst werden sie das bei uns nicht machen. Mit „bei uns“ meine ich nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern Deutschland. Dann gehen sie in andere europäische Mitgliedstaaten oder außerhalb Europas.

Wenn man sieht, wie die Welt, wie die Börsen reagiert haben, als vor Kurzem die Chinesen ihr erstes größeres KI-System, das sicherlich noch geprüft werden muss, herausbrachten, dann sieht man, wie wichtig dieses Thema ist. Deshalb müssen wir das Thema Reglementierung beachten. Ich habe einige Beispiele aus der Landwirtschaft genannt. - Vielen Dank.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Herr Pott.


Konstantin Pott (FDP):

Vielen Dank. - Herr Minister, vielen Dank für Ihre Rede, der ich größtenteils zustimmen kann. Ich habe eine kleine Nachfrage: Ich habe mir erklären lassen, dass bei Ihnen in Ihrem Haus das Thema der KI-Strategie liegt, weshalb Sie heute dazu gesprochen haben. Ich habe in Vorbereitung auf den Tagesordnungspunkt geschaut, ob es zu einer KI-Strategie irgendwelche Informationen gibt, habe leider nichts gefunden. Nun wären das vielleicht Informationen, die sowohl für Forschungseinrichtungen oder Akteure, die in der Forschung tätig sind, aber auch für Unternehmen, die sich dafür gern engagieren wollen, interessant sind. Ist es geplant, dass bestimmte Schwerpunkte, die das Land setzen möchte, irgendwo veröffentlicht werden und versucht wird, das ein wenig breiter zu machen, um die bestehenden Einrichtungen und Akteure im Land besser mitzunehmen?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Das können wir gern einmal umfangreicher im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Man muss wissen, dass die KI-Strategie in die Regionalinnovationsstrategie, die wir uns für 2021 bis 2027 gegeben haben, integriert ist. Es ist vielleicht die Frage, ob es damals der richtige Ansatz war, das irgendwo zu integrieren und nicht separat zu machen. Mein Vorschlag wäre, dass wir, wenn wir das an den Wirtschaftsausschuss weitergeben, in dem Bereich, den ich zu verantworten habe, einmal einen umfangreicheren Tagesordnungspunkt für den Landtag machen, um das in einer zweistündigen Debatte oder was auch immer, gern auch mit Vertretern der Wirtschaft zu diskutieren, vielleicht auch einmal darüber zu diskutieren, was man im Bereich Wirtschaftspolitik noch optimieren und verbessern kann.