Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushaltsberatungen wohnt jene verborgene Schönheit inne, 

(Minister Prof. Dr. Armin Willingmann lacht)

die zu sehen sich nur dem erschließt, der wahre Zuneigung aufzubringen vermag, und die doch denjenigen, der diese Zuneigung aufbringt, so sehr belohnt. 

(Guido Heuer, CDU, lacht)

Manche sind froh, dass es vorbei ist. Ich freue mich schon 

(Guido Heuer, CDU: Auf die nächsten!)

auf die nächsten Haushaltsberatungen.

(Lachen bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Obwohl: Diese Schönheit liegt oft hinter einer gewissen Struppeligkeit der Materie verborgen. Dieses Mal war es wirklich ziemlich struppelig; denn golden an dieser Geschichte ist hier nur die Krawatte des finanzpolitischen Sprechers der SDP-Fraktion. - Ach, bei der FDP-Fraktion hat jedenfalls der PGF auch eine goldene Krawatte. Sonst waren das Gold und der Lack bei diesen Haushaltsberatungen ziemlich ab. 

Die Deutschlandkoalition hat dabei aber bewiesen, dass sie auch in dieser haushalterisch herausfordernden Situation verantwortungsvoll und am Wohl des Landes orientiert etwas zustande bringen kann. Herausfordernde Situation heißt in unserem Fall: verfallende Einnahmen, allein ein Rückgang um 1 Milliarde € bei den Steuereinnahmen gegenüber den Planungen im letzten Jahr. 

Das Land war - jedenfalls was die Planungen betrifft - bis 2024 real, also inflationsbereinigt, auf dem Stand der Einnahmen von 2012. Die wachsenden Nominalzahlen, die in den letzten Jahren schnell gewachsen sind, täuschen darüber hinweg. Real hatten wir im 2024 nicht mehr Geld, als wir 2012 hatten. Jetzt haben wir weniger, weil die Steuereinnahmen gemessen an der Inflation beginnen zurückzugehen.

Die oft gescholtenen Personalkosten durch Tarifsteigerungen sind dabei das kleinste Problem; denn diese sind nicht schneller gewachsen als die Inflation. Schneller gewachsen als die Inflation sind Ausgaben dort, wo wir das politisch gewollt haben. Von dort kommen nämlich unsere hohen Personalzahlen bei Lehrern und Polizisten. Wir haben mehr Lehrer und Polizisten, als wir vor zehn Jahren hatten, und wir haben mehr Lehrer und Polizisten als manches andere Bundesland. Wenn wir bei den VZÄ jetzt nicht mehr unter dem Durchschnitt der Bundesländer sind, sondern darüber, dann liegt das daran: 6 200 mehr Lehrer, Polizisten, Waldarbeiter und Straßenmeistereimitarbeiter. Aber wir haben 2 200 weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im übrigen Landesdienst. 

Schneller gestiegen als die Inflation sind auch die Soziallasten. 

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Das liegt daran, dass man in den 90er- und Nullerjahren mit unanständig niedrigen Einkommen zulasten der Beschäftigten sparen konnte. Diese Zeiten - das wissen wir alle - sind vorbei. Bei den Berufsbildern der Sozialberufe müssen jetzt auch realistische Preise gezahlt werden. Das ist übrigens Marktwirtschaft. 

Schneller gestiegen sind die Beihilfen, insbesondere die Beihilfen für Versorgungsempfänger. Das System der privaten Krankenversicherung: Ein Mühlstein um den Hals manches, insbesondere pensionierten Beamten. Das System von Beihilfe und privater Krankenversicherung wird zunehmend auch zum Mühlstein für den Haushalt. Ich schaue den Koalitionspartner an: Die Wahlfreiheit

(Guido Heuer, CDU: Niemals! Nicht mit uns!)

für Beamte zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird irgendwann ein Thema werden, und zwar ein Thema des Haushalts. 

(Guido Heuer, CDU, malt mit der Hand ein Häkchen in die Luft)

Gestiegen sind die Ausgaben bei den Europäischen Strukturfonds, weil wir in dieser Förderperiode nicht mehr 80 % Förderung erhalten, sondern nur noch 60 %.

Schneller als die Inflation gestiegen sind auch die Ausgaben bei den Investitionen, weil die Baupreise einen ganz ähnlichen Steigerungsprozess durchgemacht haben. Die Schere geht auf. Wer sagt, wir haben kein Einnahmeproblem, der darf seinen Mathelehrer nachträglich um Verzeihung bitten. Ich bin sehr gespannt auf die Optik und die B-Note bei der Rolle rückwärts, die in der nächsten Woche Verschiedene vollziehen werden, wenn die vollmundigen Versprechen für Steuersenkungen dem Wort Kassensturz weichen. Ein Salto rückwärts - das ist nicht automatisch bei jedem in Berlin elegant - wird die Sportart sein, die dominieren wird. 

Dennoch und trotz aller Schwierigkeiten des Rahmens, die ich gerade beschrieben habe, gehen wir in diesem Land weiter den großen Schritt vorwärts, den zu machen wir für dieses Land im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir müssen diesen Schritt auch gehen. Wir haben auch ohne Intel eine Situation von Ansiedlungen im Land, die es zu einer echten Aufgabe macht, die Infrastruktur für diese Ansiedlungen und um diese Ansiedlungen herum zu finanzieren. Auch das halten wir mit diesem Haushalt durch, jedenfalls im Großen und Ganzen. Der Ausbau des Wasserstoffnetzes nimmt Fahrt auf. Das und der High-Tech-Park im Sülzetal sollen dafür stellvertretend stehen. 

Für die Abstriche steht das Wasserwerk Beesen. Ich hoffe und ich bin mir eigentlich sicher, dass es dem Ministerpräsidenten gelingt, die von ihm angedeutete Lösung für dieses Wasserwerk hinzubekommen und damit das Versprechen der Staatskanzlei, dass dieses Wasserwerk entsteht, auch einzulösen. Der Süden wartet darauf. 

(Zustimmung bei der SPD und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Zu dem großen Schritt vorwärts, den dieses Land machen soll und muss, gehören Investitionen in die Kinder dieses Landes. Darum bin ich stolz darauf, dass wir bei der Finanzierung der Kinderbetreuung und der frühkindlichen Förderung keinen Schritt zurückgemacht haben. 

(Zustimmung bei der SPD) 

Ich bin froh darüber, dass wir gemeinsam eine Lösung für die freien Schulen gefunden haben, die nicht nur zu Rechtsfrieden führt, sondern auch dafür sorgt, dass mehr als 10 % der Kinder, die in freien Schulen lernen, das zu akzeptablen Bedingungen tun können. 

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Auch wenn der haushalterische Rahmen für die Weiterentwicklung unserer Grundschulen in Richtung Ganztagsschule gesetzt ist, bleibt unabhängig vom Geld die Aufgabe - die Ministerin hat heute etwas dazu gesagt   dass das nun in den nächsten beiden Jahren endlich richtig vorangehen muss. 

Hochwasserschutz, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein ziemlich abstraktes Wort. Wer im vergangenen Winter an der Helme war, der weiß, dass das eine ziemlich konkrete Sache ist, die einem ganz schnell die Existenz richtig bedrohen kann. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir hierfür jetzt mehr Mittel zur Verfügung stellen und Rückhaltebecken, Polder und Deiche sich jedenfalls nicht wegen des Geldes verzögern und zustande kommen können, soweit wir mit den Planungen, die an vielen Stellen nicht einfach sind, vorankommen. 

Wir stärken mit diesem Haushalt - der Minister hat es schon gesagt - auch die Infrastruktur des Landes in Sachen Verkehr in den Oberzentren. Die drei Orte wurden genannt - die Volkmannstraße und der Riebeckplatz in Halle, die Eisenbahnüberführung in Dessau in Richtung Zerbst und die Tangentenbrücken in Magdeburg, über die viele von uns jeden Tag fahren. Viele wissen auch, dass es ein echtes Problem wird, wenn es denn einmal richtig zum Problem wird.

(Guido Heuer, CDU: Zehn Jahre!)

Nirgendwo in Deutschland, sehr geehrte Damen und Herren, ist das statistische Risiko, im Straßenverkehr getötet zu werden, so hoch wie in Sachsen-Anhalt. Bei den Landesverkehrswachten zu kürzen, wäre deswegen ein vollkommen falsches Signal gewesen. Deswegen haben wir das abgewendet und für eine Finanzierung gesorgt, die den Konkurs der Landesverkehrswachten verhindert und ihre Arbeit weiter ermöglicht. 

(Zustimmung bei der SPD) 

Im Bereich der pauschalen Krankenhausförderung können mit diesem Haushaltsplan mehr als 73 Millionen € bis Ende 2026 in unsere Krankenhäuser investiert werden. Das ist angesichts der riesigen Veränderungswelle, die wir an dieser Stelle vorhaben, unheimlich wichtig, wenn wir das durchhalten wollen, was wir unbedingt durchhalten wollen, nämlich dass wir alle Standorte, auch wenn sie sich verändern müssen, erhalten wollen. 

Auch für die Frauenhäuser im Land stehen in den beiden kommenden Jahren mehr Mittel bereit. Damit Frauen mit sozialen und rechtlichen Fragen zur Schwangerschaft nicht alleingelassen werden, haben wir die Erstattung für Personalkosten der entsprechenden Beratungsstellen auf 100 % angehoben. 

Um die zahnärztliche Versorgung auch zukünftig sicherzustellen, müssen mehr angehende Medizinerinnen und Mediziner, Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner im Land ausgebildet werden. Die Zahl der Studienplätze in Halle wird derzeit von 40 auf 50 im Jahr erhöht. Das ist ein wichtiger Schritt und es ist der richtige Schritt, das genau so zu machen, um dem drohenden Zahnarztmangel abzuhelfen. 

Insgesamt ist für den Bereich Wissenschaft hervorzuheben - dafür kann man der Landesregierung, auch wenn man nicht Hochschulrektor ist, gar nicht genug danken  , dass die neuen Zielvereinbarungen für 2025 bis 2029 mehr oder weniger nahtlos anschließen an das Ende der alten Zielvereinbarungen. Für die Hochschulen bedeutet das Planungssicherheit. Dass das haushalterisch abgesichert ist, ist keineswegs in jedem Bundesland eine Selbstverständlichkeit. 

(Beifall bei der SPD) 

Das liegt daran, dass wir um die Bedeutung der Wissenschaft im Land wissen. Dazu gehören auch die erhöhte Graduiertenförderung für jene jungen Nachwuchskräfte, die sich akademisch qualifizieren wollen, und die weitere Sicherung der Exzellenzförderung für die Projekte der Forschungscluster, mit denen Sachsen-Anhalt im laufenden Wettbewerb um die Exzellenzmittel des Bundes bereits in die Finalrunde gelangt ist, übrigens erstmals seit 2007. Das ist für ein kleines Land ein ziemlich großer Schritt, auf den wir ganz oft nicht genug stolz sind. Das ist nämlich so ein bisschen wie ein Olympiasieg an einer zugegebenermaßen nicht so auffälligen Stelle, aber an einer wichtigen Stelle. 

Der Bibliotheksverband im Land kann durch die Förderung seiner Arbeit die Stärkung der Bibliotheken fortsetzen. Auch hierbei hat die Koalition eine Kürzung, die tief getroffen hätte, abgewendet. 

(Zustimmung bei der SPD) 

Die Ursache, sehr geehrte Damen und Herren, dafür, dass wir den Opferhilfefonds in diesem Jahr aufstocken müssen, steht uns allen immer noch schmerzlich vor Augen und wird uns noch lange schmerzen. Aber wir zeigen an diese Stelle auch Handlungsfähigkeit und erhöhen die Mittel für das Haushaltsjahr 2025 auf eine halbe Million Euro. 

Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, will ich in meiner Vorfreude auf die nächsten Haushaltsberatungen meine verbleibende Redezeit tatsächlich dem Dank all denjenigen widmen, die das zusammengekriegt haben. Das sind nicht nur die freundlichen und kompetenten Menschen aus dem Finanzministerium, die den Haushalt im Engeren begleiten, das ist nicht nur Frau M., ohne die wir rettungslos verloren wären, sondern das sind ganz viele Menschen in den Häusern, die willens und in der Lage sind, die verborgene Schönheit dieses Themas Haushalt zu sehen und sich dem zu widmen,

(Eva von Angern, Die Linke: Das klingt ja romantisch!)

das für viele nur einmal im Jahr lästig ist. Ohne diese Menschen kann auch der Vollzug eines ganzen Haushaltsjahres nicht gelingen. Ihr Blick in die Tabelle regelt, limitiert oder ermöglicht plötzlich alles. Der Dank gilt in diesem Fall auch meinen lieben Kollegen im Finanzausschuss, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Koalitionsfraktionen, ohne die das alles gar nicht möglich gewesen wäre und ohne die es auch nicht so schön, konstruktiv und verantwortungsbewusst gewesen wäre, wie es war. Insofern können wir eigentlich alle auch aus dem Bund einladen und sagen, so macht man das in einer Koalition. - Vielen Dank. 

(Beifall bei der SPD) 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Schmidt, es gibt die Möglichkeit, Ihre Redezeit zu verlängern. Ich habe ein Fingerzucken des Kollegen Heuer gesehen. War das eine Wortmeldung? - Nein, es war nur ein Aufmerksammachen. In Ordnung.


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Sicherlich Zustimmung. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Aber es gibt eine Frage des Abg. Herrn Lange. - Wollen Sie sie beantworten? 


Dr. Andreas Schmidt (SPD): 

Selbstverständlich. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann, Herr Lange, können Sie die Frage stellen. Bitte sehr. 


Hendrik Lange (Die Linke): 

Herr Schmidt, ich teile Ihre Ansichten zur Schönheit eines Haushalts. Insbesondere finde ich es gut, dass wir den Haushaltsplan noch in kameralistischer Form vorliegen haben. Das hilft uns dabei, noch ein bisschen mehr Einblick zu haben. 

Aber Sie haben auch gesagt, dass viel Lack ab sei. An eine Stelle, an der der Lack tatsächlich gebröckelt ist, möchte ich noch einmal gehen. Und zwar wollte ich fragen, wie wir denn jetzt mit dem Wasserwerk Beesen umgehen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Nicht schon wieder!)

Als hallescher Abgeordneter, so finde ich, kann man ja den Kollegen Schmidt danach noch einmal fragen. Die Stadtwerke stehen dazu schon in den Startlöchern. Die Planungen sind gemacht. Eigentlich könnte es losgehen. Die Förderung fehlt. Wie ist Ihre Einschätzung, wie es mit diesem für die Region und insbesondere für die Industrie wichtigen Wasserwerk weitergehen soll? 


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Ich glaube, dass dieses Wasserwerk unverzichtbarer Teil dessen ist, worum wir uns im ganzen Land bemühen, nämlich darum, dass wir sagen, wir sind bereit für Wachstum und für neue Industrieansiedlungen. Wir sind industriell nach wie vor unterbesetzt gegenüber dem bundesrepublikanischen Durchschnitt. Wenn man gedanklich zur ehemaligen DDR zurückginge, würde man sagen, wir wollen das wieder aufholen. Das gehört dazu, so wie auch der High-Tech-Park im Sülzetal dazu gehört und viele andere Sachen, die in diesem Bereich im Land geschehen. 

Ich bin ausgesprochen zuversichtlich, dass in den bewährten Händen des Ministerpräsidenten, der jetzt dabei ist, in der Region für Verständnis zu werben, ein alternativer Finanzierungsweg gefunden wird und dass das gelingt, nahezu unabhängig von dem Weg, den das geht. Ich bin mir ganz sicher, die Abgeordneten des Südens werden dranbleiben. Hinzu kommen in Wirklichkeit noch ein paar andere Sachen. Nicht nur Wasser wird gebraucht, wenn wir die Ansiedlungserfolge, die uns zustehen und die wir dank grünen Strom jetzt auch bekommen werden, entsprechend infrastrukturell ausstatten.

Nicht nur Wasserstoffleitungen, sondern auch einige Stromleitungen und einige Straßen werden gebraucht. Das, was geschehen muss, wird diese Koalition auch zustande bringen.