Tagesordnungspunkt 9

Aussprache zur Großen Anfrage

Internationaler Schüler- und Jugendaustausch

Große Anfrage Fraktion Die Linke - Drs. 8/4325

Antwort Landesregierung - Drs. 8/4643

Unterrichtung Landtag - Drs. 8/4736

Entschließungsantrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/5047


Die PGF und die Mitglieder des Ältestenrates haben die Debattenstruktur D, d. h. eine 45-Minuten-Debatte, vereinbart. Damit hat die SPD eine Redezeit von drei Minuten, die AfD von sieben Minuten, die FDP von zwei Minuten, die Fraktion der GRÜNEN von zwei Minuten, die Fraktion der CDU von 14 Minuten, die Fraktion Die Linke von vier Minuten. Für die Landesregierung wird als Orientierungswert eine Redezeit von 13 Minuten angegeben. Die genannte Reihenfolge der Fraktionen entspricht der Reihenfolge der Redebeiträge. - Ich erteile zunächst Frau Hohmann für die Fraktion Die Linke als Fragestellerin das Wort. - Frau Hohmann, bitte. 


Monika Hohmann (Die Linke): 

Wie lange darf ich sprechen? 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Sie haben 15 Minuten, wie es üblich ist.


Monika Hohmann (Die Linke): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der internationale Schüler- und Jugendaustausch ist ein elementares Bildungsangebot, das wir hier nicht zum ersten Mal behandeln. Dementsprechend ist uns die Bedeutung von Begegnungen über Grenzen hinweg im schulischen und außerschulischen Bereich wohl bewusst. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass hier und heute niemand die Wirkung und Prägung von Begegnung und Austausch in diesem Hause infrage stellen wird. 

Vor nicht allzu langer Zeit - genauer gesagt im April 2024 - hat meine Fraktion einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. Schon damals erklärte die Bildungsministerin, dass es die Hauptaufgabe der Schulen sei, ihren Bildungsauftrag in Form der Absicherung des Unterrichts in den Fächern der Stundentafel zu gewährleisten. Sie wies auf den organisatorischen Aufwand hin, den die einzelnen Lehrkräfte bei der Planung und Umsetzung von Austauschangeboten haben. Darüber hinaus sagte die Ministerin - ich zitiere  : 

„Auch wenn der internationale Schüler- und Jugendaustausch besonders von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen war,“

(Ulrich Siegmund, AfD: Oh! Die Maßnahmen!)

„konnten wir dank der getroffenen Maßnahmen und des großen Engagements der Akteure im Bereich Schule und Jugend in den vergangenen Jahren viel erreichen.“ 

Genau das wollten wir wissen. Wir haben die Große Anfrage gestellt, um einen genauen Überblick im Land zu bekommen. 

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren: Dass die Sicherung der Unterrichtsversorgung eine zentrale Aufgabe ist und dass wir einen akuten Lehrkräftemangel haben, wissen wir. Aber wir müssen dazu klar sagen, dass der Lehrkräftemangel nach Region und Schulform variiert. Zudem kann die Antwort der Politik hierauf nicht sein, den Zugang zu einem so bedeutsamen und elementaren Bildungsangebot gegen die Sicherung der Unterrichtsversorgung auszuspielen. Nein, es bedarf einer Politik, die allen Schülerinnen und jungen Menschen unter 25 Jahren im Land unabhängig von ihrem Wohnort und der besuchten Schulform den Zugang zu dem Bildungsangebot des internationalen Schüler- und Jugendhausaustausches ermöglicht. 

(Beifall bei der Linken)

Als Politikerinnen müssen wir Lösungen schaffen, statt ein Bildungsangebot gegen ein anderes auszuspielen. Wir müssen unsere Schülerinnen und jungen Menschen nicht nur auf eine sich globalisierende Gesellschaft und Wirtschaftswelt vorbereiten. Gerade in Zeiten, in denen Krisen, Kriege und ein zunehmender gesellschaftlicher Rechtsdruck die internationalen Beziehungen immer mehr bedrohen, ist es vielmehr sinnvoll, den internationalen Schüler- und Jugendaustausch als Beitrag zur Verständigung zwischen Menschen, Kulturen und Ländern auszubauen. 

(Beifall bei der Linken)

Am Montag dieser Woche erreichte uns ein ostdeutsches Abschlusspapier zum Ostgipfel der Landesschülerinnenvertretungen von Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.

Die Überschrift lautet: „Politische Bildung - Demokratie beginnt im Klassenzimmer“. Darin heißt es unter anderem - ich zitiere  :

„Zudem ist vermehrt eine antieuropäische Einstellung bei Schüler*innen in Ostdeutschland zu beobachten, was sich im Wahlverhalten widerspiegelt. Vor allem Parteien, welche die Auflösung der Europäischen Union fordern, gewinnen zunehmend an Unterstützung.“

Weiterhin forderten die Beteiligten - ich zitiere  :

„Ziel sollte es sein, Schüler*innen über aktuelle Themen zu informieren und durch Schüleraustausche sowie eine verstärkte Europabildung die interkulturelle Kompetenz zu fördern. Dazu fordern wir Unterstützung durch außerschulische Bildungsträger.“

Genau das ist es, was wir heute auch mit unserem Entschließungsantrag fordern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kommen wir aber zu der Großen Anfrage und deren Inhalt. Zu Beginn ist positiv zu benennen, dass mehr Förderung und entsprechend mehr Mittel an Go Europe gegeben werden. Doch an sich hilft dies den Schulen nicht dabei, trotz knapper personeller Ressourcen, aktiv einen Austausch zu organisieren oder umzusetzen.

Auch wurde in der Großen Anfrage mehrfach erläutert, dass die Nutzung der Programme an den jeweiligen Schulen von personellen und zeitlichen Kapazitäten abhängt und die Unterrichtsversorgung abzusichern ist. Das haben wir in der Großen Anfrage dreimal gelesen.

Welche Ziele und Visionen das Land in diesem Zusammenhang verfolgt, wurde nicht einmal ansatzweise benannt. Auch wenn die Landesregierung dem internationalen Schüler- und Jugendaustausch einen hohen Stellenwert zuschreibt, ist in keiner Silbe der Antwort erkennbar, dass das Land mehr als nur Geldgeber oder Informationsgeber sein will.

Aber dafür, dass das Land die Rolle als Informationsgeber innehaben will, muss ich schon feststellen, dass im Rahmen der Antworten sehr oft keine Informationen geliefert werden konnten, da Daten nicht erfasst werden oder die Zuständigkeit bei anderen Behörden liegt. Das erklärt auch, weshalb keine Ziele und Visionen für den internationalen Schüler- und Jugendaustausch in den Antworten erkennbar sind - weil man keinen vollumfänglichen Überblick hat.

Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist mehr als ernüchternd, wenn man sich anschaut, dass im Jahr 2019 noch 88 Schulen mit 1 449 Schülerinnen Begegnungen am Ort des Partners durchgeführt haben, noch dazu 65 Schulen mit 933 Schülerinnen am eigenen Ort.

Im Jahr 2023 haben jedoch nur 34 Schulen mit 516 Schülerinnen Begegnungen am Ort des Partners und 37 Schulen mit 581 Schülerinnen am eigenen Ort durchgeführt. Ich habe nachgeschaut, wie es vor zehn Jahren gewesen ist: Damals hatten wir noch 150 Schulen mit 1 860 Schülerinnen die Begegnungen im Rahmen des europäischen Jugendaustausches wahrgenommen haben.

Um dies ins Verhältnis zu setzen: Gemäß dem Statistischen Landesamt hatten wir im Schuljahr 2023/2024  747 öffentliche Schulen. Davon haben sich 34 Schulen am Schüleraustausch beteiligt, einige davon sogar mehrfach. Schaut man sich die Teilnehmerinnenzahlen im letzten Jahr an, so kann man sagen, dass es gerade einmal - diese Zahl ist interessant - 0,5 % der Gesamtschülerzahl der weiterführenden Schulen sind. Lediglich 0,5 % der Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen haben also am europäischen Jugendaustausch teilgenommen.

(Eva von Angern, Die Linke: Das ist wenig!)

Das können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der Linken)

Wenn man sich anschaut, welche Schulformen an den Maßnahmen der Begegnungen teilnahmen, dann zeigt sich eindeutig, dass mehrheitlich Gymnasien dabei sind. Das war vor der Pandemie so und es ist auch nach der Pandemie so.

Es gab insbesondere bei den berufsbildenden Schulen sowie bei den Gesamt- und Sekundarschulen einen Rückgang. Entsprechend zeigt sich doch die Ungleichheit, die besteht, und es zeigt sich, dass wir, die Politiker im Land, eine Lösung finden müssen, um an dieser Stelle eine Angleichung der Möglichkeiten und Verhältnisse zu erreichen. Das ist eine unserer dringenden und zwingenden Aufgaben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Schon in meiner Rede vor knapp neun Monaten in diesem Hohen Hause habe ich betont, dass es mir und meiner Fraktion ein Herzensanliegen ist, dass jeder junge Mensch in Sachsen-Anhalt wenigstens einmal bis zu seinem 25. Lebensjahr ein europäisches Land besucht haben soll. Hierbei darf der Schwerpunkt des europäischen Schüler- und Jugendaustausches nicht nur auf der Schule liegen, sondern auch darauf, dass alle Jugendlichen auch außerhalb der Schule die Möglichkeit haben, Europa zu erleben - und ich bleibe dabei.

Wir müssen uns deshalb besonders dafür einsetzen, dass junge Menschen unabhängig von der Schulform, dem Bildungshintergrund, der Herkunft oder von ökonomischen Voraussetzungen an den Austauschprogrammen teilnehmen können. Dementsprechend bitte ich um ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.