Jörg Bernstein (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht eine kleine Vorbemerkung. Wir haben jetzt viel über mehr Netto vom Brutto diskutiert. Wir haben demnächst Wahlen. Dann sollte man sich vielleicht doch für das Original bei der FDP entscheiden.
(Beifall bei der FDP - Zurufe)
Wir sind in der Wahlkampfzeit. Die Linke wandelt mit ihrem Antrag auf den Spuren des ehemaligen Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, der jetzt als Silberlocke, eine von drei Silberlocken, durch die Lande zieht. Warum Herr Bartsch?
(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)
Herr Bartsch hat im Jahr 2019 im Bundestag eine Anfrage gestellt, wie viel Einkommensteuer zahlen die deutschen Rentner. Er hat die Antwort bekommen: 42 Milliarden €. Mit dieser Zahl ging dann Die Linke in die Medien in manipulativer Absicht, in Unkenntnis des Steuerrechts oder vielleicht beidem, einfach nur, um Unruhe zu schüren.
(Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)
Das erkläre ich gleich. - Denn natürlich wurde unterschlagen, dass nur der geringste Teil dieser Steuerlast von 42 Milliarden € tatsächlich auf Einkünfte aus Renten entfiel. Das waren nach meiner Erinnerung 1 Milliarde €, also 2,5 %. Alle anderen Steuerzahlungen, die geleistet wurden, entfielen auf Kapitaleinlagen, auf Mieteinlagen usw. Die ließ man bewusst unter den Tisch fallen. Auf eben diesem Niveau bewegt sich auch der heutige Antrag, übrigens auch der Beitrag von Kollege Siegmund.
Statt über die Systematik der Besteuerung der Altersrenten zu informieren, gießen beide hier erstaunlicherweise Öl ins Feuer. Seit dem Jahr 2005 darauf wurde bereits hingewiesen , ist der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung stufenweise steuerfrei gestellt worden. Das war im Jahr 2023. Der Arbeitgeberanteil war schon immer steuerfrei.
(Unruhe)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Warten Sie, Herr Bernstein. - Eigentlich sind Lehrer in der Lage, selbst für Ruhe zu sorgen. Aber es ist hier tatsächlich mein Job.
(Guido Kosmehl, FDP: Er hat doch kein Hausrecht, Herr Präsident! - Zuruf von der AfD: Genau so ist es!)
- Ja, das ist tatsächlich mein Job. Insofern mache ich das jetzt kollegial für Sie.
(Unruhe - Guido Kosmehl, FDP: Frau Frederking!)
Ich bitte noch einmal darum Herr Schmidt und Frau Frederking, hören bitte auch zu , dass wir den Geräuschpegel in einem erträglichen Rahmen halten. Das scheint heute wirklich schwierig zu sein. - Herr Bernstein, versuchen Sie es noch einmal.
Jörg Bernstein (FDP):
Ich versuche es gerne noch einmal. Herr Präsident, vielen Dank für die Unterstützung. - Das Ergebnis ist, wie gesagt, die sogenannte nachgelagerte Besteuerung, die in der Regel immer günstiger für den Steuerpflichtigen ist. Solche Erklärungen sind nicht so sexy. Aber damit kann man das Thema hier leider nicht in dieser Ausführlichkeit eräutern. Das ist ein Punkt.
Gleichwertigkeit haben auch die Vorschläge für die zukünftige Finanzierung der Renten. Einfach nur neue Einzahler zu generieren, das wird keine Lösung sein, weil neue Einzahler auch neue Auszahlungen nach sich ziehen. Vielleicht sollten sich die Linken und übrigens auch der grüne Kanzlerkandidat einmal mit dem Unterschied zwischen Steuern und Beiträgen beschäftigen.
(Beifall bei der FDP)
Gefragt sind neue Lösungen. Die liefern die Freien Demokraten unter anderem mit den zehn Punkten für eine Aktienoffensive in der Altersvorsorge.
(Beifall bei der FDP - Zuruf von der Linken: Ganz toll! - Zuruf von Eva von Angern, Die Linke - Zuruf von der Linken: Ja, so ein Quatsch!)
Wir Freien Demokraten wollen unter anderem eine echte gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild. 16 % gehen in die Rentenkasse, 2,5 % in einen unabhängig verwalteten Fonds. Wir wollen ein steuerlich gefördertes Altersvorsorgedepot. Wenn es das schon gäbe, könnte man z. B. die Steuerersparnis in der aktiven Arbeitsphase dort anlegen.
Wir wollen ein steuerfreies Aufstiegsvermögen schaffen, indem wir nicht ausgeschöpfte Sparerfreibeträge von derzeit 1 000 € pro Person auf die Folgejahre übertragen und diesen Freibetrag entsprechend dynamisieren. Wir wollen die Spekulationsfrist für private Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren wieder einführen, mit einer nationalen Finanzbildungsstrategie die Finanzbildung in der Breite der Gesellschaft verbessern
(Beifall bei der FDP)
und selbstverständlich wollen wir keine neuen Steuern und Abgaben, die die Altersvorsorge mit Aktien unattraktiver machen.
Ein ganz entscheidender Punkt aus unserer Sicht: Wir wollen die Eigentümernation Deutschland stärken, z. B. durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von 500 000 € für die erste selbstgenutzte Immobilie, der sich für Familien um 100 000 € für jedes weitere Kind erhöht; denn Immobilien sind aus unserer Sicht ein bewährter Teil der privaten Altersvorsorge.
(Beifall bei der FDP)
Was die im Antrag angesprochene Frage der Besteuerung von Rentenerhöhungen betrifft, so haben wir Freie Demokraten uns in unserer Zeit in Regierungsverantwortung auf Bundesebene stets für eine kontinuierliche Anpassung des Grundfreibetrages bei der Einkommensteuer eingesetzt.
(Guido Kosmehl, FDP: Richtig!)
Auch das hilft den Rentnern.
(Beifall bei der FDP)
Sie sehen, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Und wir sind sicher: Alles lässt sich ändern.
(Beifall bei der FDP - Zuruf: Richtig!)
Wir werden dem vorliegenden Antrag auf Überweisung in den Finanzausschuss zur federführenden Beratung und in den Sozialausschuss zur Mitberatung zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Bernstein, es gibt eine Intervention von Herrn Scharfenort, wenn ich das richtig sehe, und eine Frage von Herrn Gebhardt.
Jan Scharfenort (AfD):
Es ist nur eine Ergänzung. Wir haben noch ein weiteres Problemfeld. Da würde mich interessieren, wie Sie von der FDP dazu stehen. Auch da sollten wir uns in Deutschland weiterentwickeln. Es geht um das Thema Provisionsberatung. Das ist ein leidiges Thema, weil wir in Deutschland das Problem haben, dass viele Menschen auf diese privat geförderte Altersvorsorge vertraut haben, das System aber nach wie vor sehr intransparent ist.
Wir haben diese Provisionsberatung. Der Kunde durchschaut das sehr oft nicht. Ein großer Teil der Renditen wird immer noch durch viel zu teure Produkte zunichte gemacht, durch versteckte Produktkosten und Provisionen. Das hat in Deutschland keine Tradition. In anderen Ländern ist man da viel weiter, auch in den skandinavischen Ländern, auch bei den Angelsachsen. Wie steht die AfD, nein, die FDP zu dem Thema?
Jörg Bernstein (FDP):
Ich weiß nicht, wie die AfD dazu steht.
Jan Scharfenort (AfD):
Das kann ich Ihnen gerne sagen. Wir wollen das Thema schon vorantreiben. Wir wollen, dass die Banken- und Versicherungslobby weniger Einfluss auf die Beratung ausübt. Wir könnten uns z. B. ein Provisionsverbot auf Altersvorsorgeprodukte vorstellen. Das hat man in Großbritannien schon im Jahr 2013 gemacht. Dort hat man gemerkt, dass sich die Zahl der Berater deutlich reduziert hat und dass die Qualität der Beratung deutlich gestiegen ist.
Jörg Bernstein (FDP):
Genau. Was die Frage der Beratung angeht, hat man das gerade bei den ganzen Riester-Rentenverträgen usw. gesehen. Das waren teilweise richtige Flops.
Aber einen Punkt hatte ich angesprochen, nämlich, dass sich die finanzielle Bildung der Menschen deutlich verbessern muss. Dann lassen sie sich nicht mehr von einem Berater erklären, im Himmel ist Jahrmarkt, und fragen dann noch, wo stehen die Buden, sondern dann können sie selbst fundierte Antworten dazu geben.
(Zuruf von der AfD: In der Schule muss das schon gelehrt werden!)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann haben wir noch eine Frage von Herrn Gebhardt. - Herr Gebhardt, Sie können Ihre Frage stellen. Bitte.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Bernstein. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört und habe Ihre Vorschläge mitbekommen, wie Sie sich eine Reform der Rentenmodelle vorstellen könnten. Da war viel von Privatisierung, von Aktienfonds usw. die Rede,
(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)
wo es einen gewissen Vorlauf geben muss, wo man ein bisschen Zeit braucht, um einzuzahlen, damit man auch was herausbekommt.
Jetzt haben wir aber aktuell in der Debatte ist darauf hingewiesen worden in Sachsen-Anhalt derzeit eine andere Situation, was das Rentenniveau betrifft, als bspw. in Baden-Württemberg. Das hat mit den Erwerbsbiografien usw. zu tun. Und die Prognose für die nächsten fünf Jahre sehen auch nicht so gut aus.
Ich habe jetzt bei Ihrem Konzept man kann über die Punkte alle vortrefflich diskutieren und streiten tatsächlich nichts dazu gehört, wie man in der aktuellen Situation mit den Rentnerinnen und Rentnern umgehen will, die jetzt und in den nächsten zwei, drei Jahren unter einem so niedrigen Rentenniveau leiden, dass sie zum Amt gehen müssen, um aufzustocken. Welche Vorschläge haben Sie dazu? Dazu habe ich jetzt nichts gehört.
Kurz noch eine zweite Bemerkung. Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, weil wir als Fraktion gedacht haben, dass wir bei der selbsternannten Steuersenkungspartei FDP mit einem solchen Antrag offene Türen einrennen könnten. Ich stelle aber fest, dass beim Thema Rente, wenn es um Steuersenkungen geht, bei der FDP die Türen geschlossen sind. Warum ist das so?
(Guido Kosmehl, FDP: Das ist verfassungswidrig!)
Jörg Bernstein (FDP):
Zum letzten Punkt. Die Frage ist: Soll man bei demjenigen, der seit 20 Jahren Rentenversicherungsbeiträge von seiner jährlichen Steuerschuld absetzen konnte, das jetzt kürzen? Jetzt wird ihm auf einmal ein bestimmter Teil seiner Rente steuerfrei gewährt. Der größte Teil ist tatsächlich steuerfrei; das muss man einfach einmal sagen. Muss er das dann zurückzahlen oder wie wollen wir das regeln? Denn das wäre die logische Konsequenz.
Stefan Gebhardt (Die Linke):
Nein.
Jörg Bernstein (FDP):
Doch.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Einen Moment, bitte. Es gibt eine Frage und eine Antwort. Die Antwort kann jetzt nicht der Fragesteller bestimmen. - Herr Gebhardt kann jetzt nicht antworten. - Punkt.
(Guido Kosmehl, FDP: Ich glaube schon!)
Dann sind wir hier offensichtlich am Ende.
(Ministerin Dr. Lydia Hüskens: Genau!)
Jörg Bernstein (FDP):
Ich hatte noch einen Punkt.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ach so.
Jörg Bernstein (FDP):
Die Frage: Was machen wir mit den aktuellen Rentnern? Natürlich sind wir uns der Tatsache bewusst, dass durch viele gebrochene Erwerbsbiografien das habe ich im familiären Umfeld auch erlebt die Renten sehr niedrig sind. Das ist richtig.
Aber das sind keine Probleme, die ich im Rahmen der Rentenversicherung lösen muss, sondern das sind Fragen, die ich gesamtstaatlich lösen muss, etwa durch entsprechende Unterstützungsleistungen. Da sind wir sicherlich konform. Aber es kann nicht sein, dass ich alle möglichen Probleme in die Rentenversicherung packen will. Das sprengt am Ende den Rahmen.
Auch zum Thema der zusätzlichen Beitragszahler. Man sollte sich überlegten, dass derzeit schon rund ein Drittel sowieso aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkasse geht. Wenn ich jetzt zusätzliche Anspruchsberechtigte aufnehme, dann wird diese Lücke immer größer. Da ist nicht der Punkt. Ich habe dann nicht einfach nur mehr Leute, die einzahlen. Es hat ja einen Sinn, dass es Beitragsbemessungsgrenzen gibt. Ich kann diese Beiträge ja nicht ins Unendliche steigern, auch wenn sich das sicherlich einige im Hohen Hause vorstellen könnten.
(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
Aber das entspricht nicht dem Konzept. Wie gesagt: Steuern und Beiträge sind zwei verschiedene Dinge. Wenn es am Geld im Alter fehlt aufgrund einer sehr geringen Rente, dann bin ich schon der Meinung, dass das eine Aufgabe ist, die der Sozialstaat lösen muss und nicht die Rentenversicherung allein.
(Zurufe)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Wir führen hier jetzt kein bilaterales Gespräch. Damit sind wir am Ende der Rede.