Guido Kosmehl (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag von Sachsen-Anhalt setzt heute einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert, das der Landtag zur Aufklärung von Handlungen, von Abläufen und Ähnlichem hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Das ist ein Instrument, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem man sehr sorgsam umgehen muss. Wir haben dies gemeinsam als Koalitionsfraktionen frühzeitig besprochen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Vor allen Dingen auch: Wann ist der richtige Zeitpunkt, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wir sind zu der Überzeugung gekommen: Er ist jetzt.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Wir werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch entsprechend mit der Arbeit beginnen. Gleichwohl   das sage ich an dieser Stelle nach meinen Erfahrungen aus zwei Untersuchungsausschüssen zum NSU   werden wir natürlich alles daran setzen, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu gefährden. Es muss das Ziel sein, den Täter von Magdeburg in einem Strafverfahren zur Verantwortung zu ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Das, Herr Kollege Büttner, was Sie heute wieder vorgespielt haben,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Ist, mit Ihren Worten gesagt, an Respektlosigkeit nicht zu überbieten.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Gerade Sie, Herr Büttner, der die Chance gehabt hätte, 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Oh, die Scheiße!)

am 23. Dezember in der Sondersitzung des Ältestenrates Fragen zu stellen und

(Zustimmung bei der CDU)

auch erste Informationen zu bekommen, haben die Sitzung nach dem öffentlichen Teil verlassen und wollten eben keine weiteren Fragen mehr stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP, und von Frank Bommersbach, CDU - Zuruf von Nadine Koppehel, AfD -  Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Stattdessen auf dem Domplatz hetzen!)

Das ist eben auch respektlos gegenüber den Betroffenen des Anschlags von Magdeburg.

Wir alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Fragen. Wir alle wollen Antworten. - Warum? Wie konnte das passieren? Wo liegen strukturelle Fehler? Wo liegen persönliche Fehler? Wie können wir das vor allen Dingen für die Zukunft besser machen? - Diese Fragen gehören in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Wir werden sie dort stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aufgabe der Politik ist es aufzuklären. Aufgabe der Politik ist es, Konsequenzen zu ziehen. Aufgabe der Politik ist es, für die Zukunft besser aufgestellt zu sein. Es ist unsere Aufgabe, von jedem einzelnen Abgeordneten im Landtag. Das sind wir den Opfern von Magdeburg schuldig, meine sehr geehrten Damen und Herren. - Ich bitte um Zustimmung zum Antrag.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kosmehl, es gibt auch an Sie Fragen von Herrn Lieschke und Herrn Büttner. Wollen Sie sie beantworten?


Guido Kosmehl (FDP):

Sehr gern.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ich sage es nur, weil es geschäftsordnungsmäßig nicht geregelt ist: Wir haben einen geteilten Redebeitrag. Ich definiere den jetzt als einen getrennten Redebeitrag; sonst hätten beide ihr Fragerecht bereits verwirkt. Darüber müssen wir nicht lange diskutieren. Wir machen es so. - Herr Lieschke, Sie haben das Wort.


Matthias Lieschke (AfD):

Einmal ganz sachlich. Sie sagten: Sie haben im Ältestenrat darüber beraten. Aber warum eigentlich im Ältestenrat? Es gehört schließlich in den Innenausschuss. Denn Sie haben im Ältestenrat hinter verschlossenen Türen getagt.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! - Angela Gorr, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie hatten die Gelegenheit, es im Innenausschuss, also dort, wo es hingehört, zu beraten. Warum bitte im Ältestenrat? - Denn das richtige Gremium wäre der Innenausschuss und nicht ein Gremium von Leuten, die in dem Bereich gar nicht tätig sind.

(Eva von Angern, Die Linke: Geht es Ihnen um Formalien oder um Aufarbeitung? Was steht im Vordergrund?)

Das frage ich mich. Mag es vielleicht daran gelegen haben, dass dem Innenausschuss der Vorsitzende der AfD angehört?

(Angela Gorr, CDU: Quatsch! So ein Blödsinn! - Weitere Zurufe)

Kann es daran gelegen haben? Das können Sie mir einmal erklären. - Danke schön.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie haben das Wort.


Guido Kosmehl (FDP):

Herr Lieschke, das beantworte ich Ihnen natürlich sehr gern.

(Stefan Gebhardt, Die Linke, und Olaf Meister, GRÜNE, lachen)

Natürlich gibt es die Möglichkeit, einen Ausschuss zu einer Sondersitzung einzuberufen. Dafür ist ein nach unserer Geschäftsordnung notwendiges Quorum zu erfüllen. Die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, den Innenausschuss nicht einzuberufen, sondern zunächst, auch wegen der besonderen zeitlichen Nähe zum Tattag, den Ältestenrat zu einer Sondersitzung zusammenzurufen, allerdings erweitert um die innenpolitischen Sprecher der Fraktionen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Herr Lieschke, man muss halt wissen, was dort abgelaufen ist. Die Sitzung war, entgegen den sonstigen Sitzungen des Ältestenrates, eine öffentliche Sitzung.

(Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP, und von Frank Bommersbach, CDU)

Wir mussten natürlich auch noch einen vertraulichen Teil durchführen, weil wir bereits Fragen hatten, deren Antworten auch für das Strafverfahren, also für das Ermittlungsverfahren, entscheidend waren. Das darf natürlich noch nicht in die Öffentlichkeit, sondern es ist vertraulich.

Nur Ihre Vertreter, die Sie demnächst für den Untersuchungsausschuss benennen werden, Fraktionsvorsitzender Kirchner, Fraktionsvorsitzender Siegmund und der Vorsitzende des Innenausschusses, haben pünktlich nach Ende des öffentlichen Teils die Sitzung verlassen, weil sie eine Veranstaltung mit Frau Weidel hatten. Sie hatten noch Vertreter im vertraulichen Teil der Sitzung gehabt,

(Nadine Koppehel, AfD: Ja, natürlich!)

allerdings nur noch zwei und nicht drei, wie es Ihnen nach Ausschussstärke eigentlich zustehen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt doch   das ist mein Vorwurf, bei dem bleibe ich  , dass diejenigen, die am lautesten nach Aufklärung schreien, die behaupten, es wird vertuscht und alles und nichts, nämlich kein eigenes Interesse an der Aufklärung hatten.

(Nadine Koppehel, AfD: Sie haben kein Interesse daran aufzuklären! -  Jan Scharfenort, AfD: Das werden wir im Untersuchungsschuss sehen!)

Ich sage es Ihnen an dieser Stelle gerne auch noch einmal: 100 Minuten nach Beginn des Anschlages hat der Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund bereits auf Twitter eine Einschätzung zu dem Anschlag gegeben und hat bereits eine Schuldzuweisung geäußert.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Richtig so! Wunderbar! - Olaf Meister, GRÜNE: So ist es! - Eva von Angern, Die Linke: Widerlich!)

Völlig unklar, welches Ausmaß das hatte. Völlig unklar, welcher Hintergrund es war, aber Sie mussten bereits Wahlkampf machen, weil es Ihnen nicht um die Opfer geht, weil es Ihnen nicht um Aufklärung geht,

(Felix Zietmann, AfD: Die Wahrheit! - Weitere Zuruf von der AfD: Es geht um die Wahrheit! - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Und dann Lügen verbreiten!)

sondern Sie einfach nur aus der Situation Gewinne ziehen wollten, meine sehr geehrten Damen und Herren. - Das ist ein Vorwurf.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kirchner, Sie möchten als Fraktionsvorsitzender sprechen?

(Oliver Kirchner, AfD: Ich kann auch erst die Frage abwarten, das ist egal!)

Naja, Herr Kosmehl hat sich hingesetzt. Deswegen dachte ich.   Herr Büttner hat noch eine Frage. - Bitte. 


Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte nach den Ausführungen des Abg. Herrn Kosmehl etwas geraderücken. Sie tun so, als ob wir keinerlei Fragen gestellt hätten, was bereits einmal grundsätzlich falsch ist. - Das ist das Erste, das werden Sie bestätigen können.

Dann noch einmal: Wir hatten Vertreter in diesem Gremium. - Das ist das Zweite.

(Frank Bommersbach, CDU: Zwei!)

Wir haben ein Wortprotokoll anfertigen lassen, das ist auf unser Wollen hin passiert.

Ich frage Sie: Ist Ihnen bewusst, dass wir schon vor der Sitzung an die Landesregierung in schriftlicher Form 108 Fragen formuliert haben, die wir bis heute noch nicht beantwortet bekommen haben, auch nicht in der Innenausschusssitzung, die danach getagt hat, auch nicht im öffentlichen Teil dieser Sitzung?

(Frank Bommersbach, CDU: Du bist doch nicht die Landesregierung!)

Der Kollege, der uns dort vertreten hat, Hagen Kohl, hat uns darüber informiert, dass auch dort nicht viel mehr gesagt worden ist, als das, was in den Medien zu lesen war, so wie es der Ministerpräsident heute auch in seinen Ausführungen dargestellt hat.

Das zeigt, wie in diesem Land gemauert wird. Sie sind einer der koalitionstragenden Abgeordneten. Ich habe von Ihnen doch gar nichts anderes erwartet, als das, was Sie zum Besten gegeben haben. Ich frage Sie noch einmal: Ist Ihnen bewusst, dass wir 108 Fragen an die Landesregierung formuliert haben, schriftlich, auf die wir bis heute keine Antwort bekommen haben?

(Zustimmung bei der AfD)


Guido Kosmehl (FDP):

Sehr geehrter Herr Büttner.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ja!)

Erstens. Ich habe die Fragen dort, aber ich gehe jetzt nicht zu meinem Platz, denn wir wollen ja zügig durchkommen. Wenn ich mich richtig erinnere   ich bin mir ziemlich sicher  , sind zumindest zwei der Kleinen Anfragen   drei Kleine Anfragen haben Sie gestellt     n a c h   der Sitzung des Ältestenrates eingereicht worden. Ich behaupte sogar: Alle drei Kleinen Anfragen sind nach der Sitzung eingereicht worden. Sie haben gerade gesagt, dass sie vor der Sitzung bereits eingereicht worden sind.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Vor der Sitzung eingereicht!)

- Nein, sind sie nicht. Aber wir schauen gleich auf das Datum und auf die Drucksachennummer.

(Oliver Kirchner, AfD: Gucken wir einmal!)

Der Zweiter Punkt ist: Sie kennen das Prozedere; Sie bekommen natürlich auf Kleine Anfragen in einer gewissen Frist eine Antwort. Die Frist scheint mir noch nicht abgelaufen zu sein.

(Felix Zietmann, AfD: Das ist doch nicht wichtig! Das Thema!)

- Was heißt, das ist nicht wichtig? - Natürlich ist das Thema wichtig. Deshalb können Sie diese Fragen in den Ausschüssen stellen. Ich habe mir sie angeschaut. Denn Herr Abg. Kohl hat im Innenausschuss darauf hingewiesen, dass er im Innenausschuss keine weiteren Fragen stellen wird, weil die Fraktion drei Kleine Anfragen gestellt hat; das würde sich ja doppeln, und man warte auf die Antworten.

Ein Großteil, ich sage einmal, ein wesentlicher Teil der Kleinen Anfragen beinhaltet Fragen, die bereits in der Ältestenratssitzung gestellt und beantwortet wurden, immer nach dem aktuellen Kenntnisstand und vor allen Dingen unter der Beachtung, ob es sich vielleicht um Erkenntnisse handelt, die für das Strafverfahren entscheidend sein können; diese sollten eben nicht öffentlich diskutiert werden.

Eine letzte Bemerkung: Herr Büttner, manchmal bin ich ja fast schon geneigt   wenn Sie, so wie gerade jetzt, sagen: das steht doch alles in der Presse  , mir wieder die Zeit zurückzuwünschen, als die AfD noch mit der Lügenpresse argumentiert hat, weil sie nicht alles geglaubt hat, was in der Presse steht. Es entbindet doch niemanden in diesem Hohen Hause von der Aufgabe, Fragen zu stellen, Antworten zu suchen, nur weil es vielleicht schon in der Presse steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine Aufklärungspflicht. Wir als Koalitionsfraktionen und, wie ich zur Kenntnis genommen habe, auch Teile der Opposition haben den Willen zur Aufklärung. Wir wollen uns genau diesem Verfahren stellen, um dann Konsequenzen ziehen und Bewertungen abgeben zu können.

Sie haben die Bewertungen längst abgeschlossen.

(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)

Deshalb wollen Sie auch keine Aufklärung. Sie geben so nebenbei Anfragen heraus; dann können Sie ja sagen: Sie haben Anfragen gestellt. Das ist zu wenig, Herr Büttner, und das ist zu wenig, AfD. Wir können und müssen alle in diesem Untersuchungsausschuss nachfragen und Antworten suchen. Wir werden sie hoffentlich auch finden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kirchner, möchten Sie jetzt?

(Oliver Kirchner, AfD: Ich ziehe zurück, machen wir weiter in der Tagesordnung!)

- Nein, okay, in Ordnung. - Dann können wir weitermachen.