Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn die Überschrift zu dieser Aktuellen Debatte ausdrücklich von der CDU-Bildungspolitik spricht, möchte ich der Versuchung widerstehen, hier ganz grundlegend die Unterschiede zwischen dem CDU-Ansatz und einem sozialdemokratischen Ansatz darzulegen; denn darum geht es nicht.

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Denn erstens sind Ihnen diese grundsätzlichen programmatischen Unterschiede hinlänglich bekannt und zweitens   das will ich ganz unumwunden feststellen   steht die Bildungspolitik derzeit in allen Bundesländern vor großen Herausforderungen, egal von welcher Partei das zuständige Ministerium besetzt wird.

(Angela Gorr, CDU: Genau!)

Ich will lieber auf die konkreten Fragen eingehen, mit denen wir aktuell in Sachsen-Anhalt konfrontiert sind. Leider müssen wir feststellen, dass die Probleme unserer Schulen aktuell eher mehr als weniger werden. Ich fange mit der Hardware an den Schulen an. Es wurde im ganzen Land positiv aufgenommen, als das Bildungsministerium eine eigene Schulbaurichtlinie ankündigte.

(Zustimmung von Monika Hohmann, Die Linke)

Und so hatten wir es auch im Koalitionsvertrag verabredet. Es gibt nun einmal an vielen Orten immer noch völlig unzureichende Schulgebäude und immer wieder wird man bei Schulbesuchen gefragt, ob das Land nicht einmal wieder an die Erfolge anknüpfen möchte, die wir seinerzeit mit dem Stark-III-Programm erzielt haben.

(Zustimmung bei der SPD)

An der einen oder anderen Stelle ist vielleicht auch eine Zusammenlegung von verschiedenen Schulstandorten in einem Neubau die richtige Entscheidung. Es hat dann sehr lange gedauert, bis die Richtlinie im Sommer endlich vorlag. Umso schneller wurde sie aber wieder aus dem Netz gelöscht, weil die Mittel für das Programm nicht im Haushalt verankert werden konnten. Wichtig wäre jetzt ein Signal an die Schulträger von der Landesregierung, aber auch vom Parlament, wann und wie wir bei der Schulbaurichtlinie wieder auf den Weg kommen und wie er finanziell untersetzt werden kann. Das will ich nicht verschweigen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Ebenfalls um Hardware, aber nicht nur, geht es beim Thema Digitalisierung. Wenn man nicht wie die AfD oder das BSW die Uhr der Geschichte wieder zurückdrehen und Computer wieder aus der Schule verbannen will, dann muss man sich der Aufgabe auf allen Ebenen stellen: Infrastruktur, Unterrichtsentwicklung und Lehrerqualifizierung.

(Ulrich Siegmund, AfD: Koaliert doch mit dem BSW!)

Vor wenigen Tagen haben sich Bund und Länder auf die Fortsetzung des Digitalpakts Schule geeinigt; viel zu spät, aber es ist endlich geschafft. Der Bund will 2,5 Milliarden € bis zum Jahr 2030 zur Verfügung stellen. Die Länder sollen sich im selben Umfang beteiligen, aber sie können bereits geplante Ländermaßnahmen anrechnen. Das ist ein grundsätzlich positives Signal.

Gerade angesichts knapper Haushaltsmittel im Land meine ich: Wir können es nicht verantworten, dass uns auch nur ein Cent an Bundesmitteln für unsere Schulen verloren geht.

(Zustimmung bei der SPD)

Deshalb ist die aktive Teilhabe am Digitalpakt 2.0 unverzichtbar. Es interessiert mich brennend, welche Maßnahmen wir in Sachsen-Anhalt dabei tatsächlich schon einbringen können und welche anderen Mittel zur Kofinanzierung von uns eingeplant werden müssen, damit uns das gemeinsam gelingt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor einer Tatsache können wir am allerwenigsten die Augen verschließen. Wir verlieren jedes Jahr viel zu viele junge Menschen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, oft ohne gute weitere Perspektiven.

(Zustimmung bei der SPD und von Andreas Silbersack, FDP)

Denn das BVJ, so gut es auch ist, bedeutet nicht automatisch den Übergang in eine duale Ausbildung.

(Zustimmung bei der SPD)

Für viele ist auch das BVJ nur eine Warteschlange.

Im letzten Schuljahr ist es wieder nicht gelungen, die Quote von Schülerinnen und Schülern, die den ersten anerkannten Schulabschluss nicht erreichen, zu reduzieren. Die Schulabbrecherquote ist immer noch viel zu hoch.

In einer solchen Situation ist es das völlig falsche Signal, dass mit dem Entwurf des neuen Schulgesetzes der Eindruck erweckt wird, nämlich, dass durch die gesteigerten Eingangsklassen Sekundar- und Gemeinschaftsschulen weiter unter Druck gesetzt werden und einen geringen Stellenwert in unserer Bildungslandschaft haben. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Die Notwendigkeit, junge Menschen besser auf eine berufliche Ausbildung vorzubereiten, ist gerade ein Anliegen der CDU. Die erfolgreiche Vorbereitung auf den Hauptschul- oder Realschulabschluss gibt es aber nicht zum Nulltarif.

Weil die duale Ausbildung auch für die SPD-Fraktion so zentral ist, möchte ich an der Stelle auch noch einmal erwähnen: Wir müssen gerade an der Sekundarschule und an der Gemeinschaftsschule in der Unterrichtsversorgung besser werden. Und wir müssen Berufsqualifizierung und Berufsvorbereitung auch am Gymnasium verankern; denn auch ein Abiturient darf eine duale Ausbildung beginnen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der FDP und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

In den ersten Debatten zum Entwurf des Schulgesetzes lag das Augenmerk hauptsächlich auf den Grundschulen, was die Bestandsfähigkeit im ländlichen Bereich betraf. Hierbei wurden bereits deutliche Verbesserungen durch die Ministerin erreicht.

Immer mehr rückten aber auch die Probleme, die in den Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen, auch z. B. in den Oberzentren, vorhanden sind, in den Fokus. Hierzu müssen wir im Bildungsausschuss noch einmal erheblich nacharbeiten und diskutieren. Ich glaube, für die Stadt Magdeburg und für die Stadt Halle kann es nicht zielführend sein, Schulen in diesem Bereich zu schließen.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist zudem nicht gelungen, mehr Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen zu einem Hauptschulabschluss zu führen. Es bleibt nur zu hoffen, dass mit der Einrichtung der besonderen Klassen an den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen und mit den Kooperationsklassen mehr junge Menschen einen Abschluss machen und dann in die berufliche Ausbildung und in das Berufsleben starten.

Aus sozialdemokratischer Sicht bleibt es zudem eine wichtige Aufgabe, mehr Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in die allgemeinbildenden Schulen zu integrieren und ihnen so den Abschluss und die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir können auf diese jungen Menschen schlicht nicht verzichten.

(Zustimmung bei der SPD)

Und wir haben auch nicht das Recht, ihnen diese Chance vorzuenthalten.

Wenn wir über die Chancen für einen möglichst guten Schulabschluss reden, dann wissen wir, dass die Grundlagen dafür in der Grundschule gelegt werden. Die Gruppe derjenigen, deren Bildungschancen von Anfang an erheblich eingeschränkt sind, ist nicht kleiner geworden. Wir haben immer noch einen verfestigten Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Uns geht es deshalb besonders um die Stärkung der Basiskompetenzen in der Grundschule. Wer nicht richtig lesen und schreiben kann, der kann auch später nicht richtig lernen.

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

Wir können uns eben nicht darauf verlassen, dass Kinder in allen Familien Lesen, Schreiben und Rechnen durch Übungen festigen können. Daher muss das Üben stärker im Unterricht verankert sein. Die Erfahrungen aus Hamburg zeigen, dass das tägliche Lesen und Zuhören in der Grundschule die Sprachkompetenzen erhöht. Die Erfahrungen aus Hamburg   dies nur als kurzer Einwurf   zeigen übrigens auch, dass gemeinsames Lernen ein wichtiger Baustein für Schulerfolg ist. Ich plädiere dafür, dass wir uns mit den mittlerweile weithin anerkannten Erfolgen der Hansestadt einmal gründlicher auseinandersetzen.

Und ich wäre sehr froh, wenn wir die Erprobung der Lehrkräfteausbildung im Stufenlehramt, die hier im Haus viele Unterstützerinnen und Unterstützer quer durch die demokratischen Fraktionen hat, bald auf den Weg bringen. Denn Bewerberinnen und Bewerber fürs Lehramt haben wir, nur nicht für Lehrämter an Sekundarschulen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, über den Die Linke in ihrem Antrag richtig schreibt: Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund kann nur zu einem Teil für die Probleme in der schulischen Praxis verantwortlich gemacht werden. - Das stimmt, aber wir dürfen die Herausforderungen auch nicht vernachlässigen.

Deutschland ist traditionell ein Bildungsland und es hat lange gedauert, bis weite Teile der Gesellschaft und der Politik begriffen haben, dass wir auch ein Einwanderungsland sind. Wenn wir Bildungsland bleiben wollen, müssen wir uns mit der Realität der Zuwanderung auch in unserem Schulsystem auseinandersetzen, und zwar dauerhaft.

Feuerwehraktionen wie in den Jahren 2015/2016 helfen dabei nicht weiter. Die Kinder von zuwandernden Fachkräften bringen nicht per se bessere Deutschkenntnisse mit als die Kinder von Flüchtlingen. Deutsch ist in den wenigsten Regionen der Welt eine gebräuchliche Fremdsprache, die man schon in der Schule lernt. Das dürfte sich auch in naher Zukunft kaum ändern.

Um Kinder von Zuwanderern in der Schule zu integrieren, brauchen wir deshalb dauerhaft Sprachlehrkräfte. Darin sind wir uns einig.

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Noch besser ist es natürlich, wenn die sprachlichen Grundlagen schon vor der Einschulung gelegt werden können. Mit dem zusätzlichen Personal für die Sprach-Kitas haben wir gestern bei der Verabschiedung des KiFöG schon ein wichtiges Signal gesetzt.

Wir können nicht über aktuelle Fragen der Bildungspolitik sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ohne auf die Finanzierung der freien Schulen einzugehen. Wir alle haben erlebt, welche zum Teil heftigen Reaktionen der Betroffenen der Vorschlag ausgelöst hat, der bislang als Entwurf zum Haushaltsbegleitgesetz vorliegt. Die Sorge bei Trägern, Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern ist groß, dass es im Extremfall zu Schulschließungen führen wird. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht ist, dass die Koalitionsfraktionen in intensiven Gesprächen sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir auf der Basis dieser Gespräche bald zu einer guten Lösung kommen werden, und zwar sehr, sehr zügig.

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist klar, dass all diese Maßnahmen Geld kosten und entsprechende Weichenstellungen erfordern, teils schon in den laufenden Haushaltsberatungen, teils für die Zukunft. Aber davon sollten wir uns nicht schrecken lassen, wenn wir Bildungspolitik als das begreifen, was sie sein soll: eine Investition in die Zukunft. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Es gibt eine Nachfrage von Frau Feußner. - Frau Feußner, bitte.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE, und von Frank Bommersbach, CDU)


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe zwei Fragen. Sie sprachen von der deutschen Bildungssprache, und davon, welche Chancen sich eröffnen, wenn man den Schülerinnen und Schülern eine entsprechend gute Sprachförderung anbietet. Meine erste Frage ist: Wie stehen Sie denn   Sie haben eben beschrieben, dass wir durch unsere Sprach-Kitas einen ersten Anlauf machen   zu verbindlichen Sprachtests? Wir sind das einzige Bundesland in der Bundesrepublik, das keine verbindlichen Sprachtests in den Kitas durchführt. Die Tests alleine reichen ja auch nicht; daraus müssen natürlich auch Konsequenzen folgen.

Sie sprachen weiterhin das neue Schulgesetz an, das wir demnächst in der Anhörung haben, und sagten, dass Sie bezüglich der Klassengrößen und Schulgrößen noch entsprechend Bedarf haben. Das verstehe ich.

Meine Frage ist: Wie stellen Sie sich denn bei der derzeitigen Demografie, die wir nun einmal haben   teilweise werden schon Kitas geschlossen, weil zu wenige Kinder geboren werden  , eine zukünftige Schullandschaft vor? Denn aus Ihrer Fraktion, teilweise auch aus anderen Fraktionen, auch aus meiner eigenen   das nehme ich mit auf   kommt immer wieder die Forderung, alle Schulen, so wie sie jetzt sind, zu erhalten.

Man muss doch auch zukunftsweisend denken und überlegen, wo investiere ich als freier Träger usw. und wie kann ich eine ordentliche Unterrichtsversorgung und eine Effizienz miteinander verknüpfen, auch, was die Schulgebäude selbst anbelangt. - Dazu hätte ich gern zwei Antworten.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Dr. Pähle, bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD): 

Vielen Dank. - Frau Abg. Feußner, es ist vollkommen klar, dass der vom Bildungsministerium vorgelegte Schulgesetzentwurf beim Thema Lehrereinsatz darauf abzielt, mit den vorhandenen Lehrpersonen tatsächlich Unterricht stattfinden zu lassen. Das ist auch kein falscher Ansatz. Die Realität in meiner Heimatstadt Halle sagt mir aber einerseits, dass man z. B. in der Sekundarschule „Johann Christian Reil“ die avisierten Klassengrößen nicht in das Schulgebäude bekommt.

(Eva Feußner, CDU: Das steht ja drin!)

Gleiches gilt z. B. für die integrierte Gesamtschule „Am Steintor“. - Wenn wir all diese Varianten über Ausnahmeregelungen regeln wollen, dann stelle ich mir das sehr komplex vor.

Die Bildungsministerin selber hat in ihrem Schulgesetzentwurf die Möglichkeit zu Kooperationen eingeräumt. Das ist ein vielversprechender Ansatz, wenn Schulen tatsächlich miteinander kooperieren. Gleichzeitig frage ich mich, wenn wir diese Kooperationsmöglichkeiten haben, warum dann die Anhebung der Schülerzahlen in den Eingangsklassen notwendig ist, wenn ich den Schulen insgesamt die Möglichkeit eröffnen möchte, die Gesamtschülerzahl durch Kooperationen zu erhalten bzw. einen guten Unterricht durch flexiblen Einsatz der Lehrkräfte gemeinsam hinzubekommen.

Diese beiden Sachen   das eine muss ich machen, und gleichzeitig eröffne ich die Möglichkeiten   passen für mich nicht so zusammen. Deswegen bin ich auch auf die Diskussion im Ausschuss gespannt. Ich bin übrigens auch darauf gespannt, wie die drei Beigeordneten der kreisfreien Städte sich in der Anhörung z. B. dazu äußern werden, wie in der Entstehung des Gesetzes mit ihnen darüber gesprochen, was miteinander verabredet bzw. zu was zugestimmt wurde. Dazu werden wir uns dann sicherlich in der Anhörung alles austauschen.

Zur anderen Frage nach den Sprachtests: Ja, wir sind das einzige Bundesland, das keinen verbindlichen Sprachtest im Kindergarten hat, weil wir ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht haben. Als ich noch im Sozialministerium beschäftigt war, gab es Delfin 4, ein Sprachtest, den wir damals aus Nordrhein-Westfalen übernommen hatten, um als eines der ersten Bundesländer bei diesem Thema voranzugehen. Dieser Delfin 4 führte zu unglaublichen Belastungen von Lehrkräften wie auch von Erzieherinnen mit sehr zweifelhaften Ergebnissen.

Ich will gerne anbieten, dass man über dieses Thema noch einmal redet und sich anschaut, was sich in anderen Bundesländern etabliert hat. Uns muss allerdings an dieser Stelle klar sein: Der Test allein   das haben Sie selber gesagt   liefert erst einmal nur eine Bestandsaufnahme, genauso wie die Schuleingangsuntersuchung eine Bestandsaufnahme liefert. Auch dabei bekommen die Grundschulen über das Landesamt für Verbraucherschutz eine Rückmeldung, was der jeweilige Entwicklungsstand der von ihnen aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler bedarf.

Wenn an dieser Stelle die Weiterleitung der Informationen zu einer gezielten Förderung z. B. auch durch die zukünftigen Lehrkräfte erfolgen kann und wir gemeinsam überlegen, wie man den Übergang von Kita zur Grundschule mit einem Sprachtestergebnis verbessern kann, dann ist die SPD-Fraktion sicherlich gerne bereit, in die Diskussion einzusteigen. - Vielen Dank.