Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE): 

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eine der wichtigen Lehren aus einer Vergangenheit, in der das Gesundheitswesen williger Vollstrecker politischen Wahnsinns war: Geht es fachlich um Medizin, dann hat Politik schlicht kein Mandat.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

In diesem Bereich gestaltet die Selbstverwaltung des Gesundheitssystems. Dabei geht es nicht um mehrheitsfähige politische Entscheidungen, sondern um ärztliches Handeln, geleitet von evidenzbasierter Forschung. Und das ist gut so. 

Aber gut, dass die AfD-Fraktion ihre Transfeindlichkeit nicht im Zaum halten kann, überrascht nicht wirklich.

(Gordon Köhler, AfD: Oh!)

Auch wenn der Antrag natürlich Kreide gefressen hatte und Sie Ihr Anliegen wohlformuliert ins Parlament gebracht haben   quasi ein False-Flag-Manöver  , war die eigentliche Botschaft eine gruppenbezogene Abwertung von Menschen. Das offizielle Wording: Kinderschutz.

Auch dieser Antrag löste einiges an unnötiger Arbeit aus, da die Koalition nicht gewillt war, klare Kante zu zeigen und den Antrag einfach abzulehnen, wie es sich gehört hätte. So haben wir im Zuge der schriftlichen Anhörung von zahlreichen Anzuhörenden wortreich und überwiegend fundiert deren Einschätzungen zum Antrag dargelegt bekommen. Das wird so manche Arbeitsstunde bei den Anzuhörenden gebunden haben, die sicherlich weit sinnvoller hätte genutzt werden können. Aber so haben wir es zumindest schwarz auf weiß, und das gleich mehrfach: Finger weg von politischen Entscheidungen, wenn es um individuelle gesundheitliche Fragestellungen geht!

(Zuruf von der AfD: Wie bei Corona! - Weitere Zurufe von der AfD)

Finger weg von pauschalen Antworten, wenn Fragen der Medikamentengabe im Einzelfall zu entscheiden sind! - Das waren die Antworten der Anzuhörenden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dazu ist die nun vorliegende Beschlussempfehlung zum Glück eindeutig. Dafür danke ich der Koalition ausdrücklich. 

Mich irritiert jedoch, dass in Ton und Inhalt der Beschlussempfehlung dann doch eine gewisse Pathologisierung von Transsexualität durchklingt. Es ist aber wichtig, die leidvolle Geschlechtsdysphorie von der bloßen Geschlechtsinkongruenz zu unterscheiden. Auch das haben die Fachleute in der Anhörung beschrieben. Geschlechtsinkongruenz beschreibt lediglich die Nichtübereinstimmung zwischen dem zugewiesenen Geschlecht und der Geschlechtsidentität, während die Geschlechtsdysphorie den damit verbundenen erheblichen Leidensdruck bezeichnet.

Die Gründe des Leidensdrucks können eben auch soziale Diskriminierung und Stigmatisierung sein. In einem gesellschaftspolitischen Umfeld wie in Russland oder in Ungarn wird Geschlechtsinkongruenz wohl weit häufiger und stärker als Leidensfaktor wirken als   zum Glück   hierzulande. Auch solche AfD-Anträge, wie wir sie hier gehört haben, machen sich an dem Phänomen Geschlechtsdysphorie mitschuldig. 

Das rigide Personenstandsrecht, wie es in Deutschland bis zum Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes herrschte, war ebenfalls Mitverursacherin von diesem Leid, weil es eine Barriere für das selbstverständliche Zusammenleben von Cis- und transsexuellen Menschen war. Wenn Heranwachsende etwa in der Schule von den Lehrkräften mit ihrem Deadname angesprochen werden oder im Sportunterricht beim falschen Geschlecht mitmachen müssen, dann sind das Leidensfaktoren. Diese führen zu Geschlechtsdysphorie.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Kerstin Godenrath, CDU: So ein Stuss! - Zurufe von der AfD: Es gibt nur zwei! - Zwei!)

Für uns greift diese Beschlussempfehlung also zu kurz, deshalb werden wir uns der Stimme enthalten. Wir danken aber ausdrücklich dafür, dass es die Beschlussempfehlung gibt. - Vielen Dank.