Tagesordnungspunkt 2
Erste Beratung
Lebensmittelpreise senken, Mehrwertsteuer abschaffen, Gierflation stoppen!
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4895
Einbringen wird diesen Antrag das Mitglied des Landtages Frau Eisenreich. - Frau Eisenreich, bitte schön, Sie haben das Wort.
Kerstin Eisenreich (Die Linke):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Menschen in Sachsen-Anhalt machen sich zunehmend sehr große Sorgen darüber, dass sie den Alltag finanziell nicht mehr bewältigen könnten. Das belegen zahlreiche Umfragen.
Die steigenden Lebensmittelpreise sind nach wie vor der wichtigste Treiber der Inflation in Deutschland. Sie belasten die Menschen in Sachsen-Anhalt, vor allem jene mit geringem und mittlerem Einkommen, die nämlich einen immer größeren Teil ihres Einkommens für die Ernährung aufwenden müssen. Für viele Familien mit Kindern, für Alleinerziehende, für Rentnerinnen und Rentner, für Studierende sowie für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung kaum noch möglich. Die Ungleichheit in unserem Land wächst weiter.
(Beifall bei der Linken)
Seit 2021 haben sich die Preise für Lebensmittel im Land um fast 33 % erhöht. Das ist deutlich mehr als die Gesamtinflationsrate, die bei etwa 20 % liegt. Besonders betroffen davon sind Grundnahrungsmittel wie Brot, Milchprodukte, Fleisch, Speiseöle, Eier, Gemüse, Obst und Fisch. Geringverdiener und Familien ächzen unter den Preisen. Zwei Millionen Menschen - so viele wie noch nie - sind auf die Lebensmittelspenden der Tafeln angewiesen, um nicht zu hungern. Und die Tafeln sind längst an ihrem Limit - in Sachsen-Anhalt und bundesweit.
Doch während die Verbraucherinnen und Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen müssen, fahren die Eigentümer von Aldi, Lidl und Co. Rekordgewinne ein. Ihr Vermögen wächst geradezu unverschämt an. So wurde vor Kurzem der Lidl-Gründer Dieter Schwarz zum reichsten Deutschen gekürt.
(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)
Er hat in den vergangenen drei Inflationsjahren Milliarden verdient
(Oliver Kirchner, AfD: Ja!)
und verfügt aktuell über ein Vermögen von knapp 44 Milliarden €.
(Tobias Rausch, AfD: Nur kein Neid! - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)
Das Rechercheteam von „MDR Investigativ“ hat dazu einen guten Vergleich angestellt: Würde man das Vermögen von Dieter Schwarz mit 500 €-Scheinen stapeln, dann wäre der Stapel höher als der Mount Everest. - So viel zur Verbildlichung.
(Jörg Bernstein, FDP: Der Kaufland-Markt ist aber nicht so hoch stapelbar!)
Ganz offensichtlich kennt Gier aber keine Grenzen. Es ist absolut unerträglich, dass es in unserem Land offenbar als normal gilt, dass sich Einzelne auf Kosten von Millionen Menschen die Taschen vollmachen.
(Beifall bei der Linken)
Mit dem vorliegenden Antrag will meine Fraktion die Menschen gezielt und unkompliziert entlasten und gleichzeitig der Preistreiberei einen Riegel vorschieben.
(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)
Die Europäische Union hat am 5. April 2022 die Mehrwertsteuersystemrichtlinie geändert. Dadurch können die Mitgliedsstaaten für alle lebensnotwendigen Güter, z. B. Nahrungsmittel, einen ermäßigten Steuersatz einführen oder die Mehrwertsteuer gar komplett streichen und dies bis zum 1. Januar 2032 geltend machen.
Wir fordern daher, dass die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel von derzeit 7 % auf null gesetzt wird.
(Stefan Ruland, CDU: Auch für Froschschenkel und Trüffel?)
Diese Sofortmaßnahme würde die Menschen entlasten. Spanien hat es Ende 2022 vorgemacht und die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf null gesetzt und den Steuersatz für einige weitere Produkte, z. B. Öl und Nudeln, auf einen ermäßigten Steuersatz gesenkt. Auch wenn dies auf nur sechs Monate befristet war, wurde die Inflation in Spanien für viele Menschen sehr deutlich abgemildert.
(Stefan Ruland, CDU: Alles klar!)
Die Mehrwertsteuer belastet die ärmere Bevölkerung stärker als jede andere Steuer. Deshalb ist die Absenkung der Mehrwertsteuer deutlich besser zur Entlastung von Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen geeignet.
(Beifall bei der Linken)
Dies haben im Jahr 2022 auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages bestätigt. So profitieren Menschen mit niedrigem Einkommen fast dreimal so stark von einem Nullsteuersatz als Menschen mit einem Spitzeneinkommen - immer gemessen am Einkommen.
Der Noch-Bundeskanzler Scholz hat vor einigen Tagen eine Absenkung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf 5 % ins Spiel gebracht. Wir finden: Auch wenn der Vorschlag in die richtige Richtung geht, ist das zu wenig.
(Beifall bei der Linken)
Sicherlich wird gleich wieder der Einwand kommen, dass dem Staat damit Steuereinnahmen entgehen. - Ja, das ist richtig. Aber zum Vergleich: Im Jahr 2017 machten Lebensmittel nur rund 5 % der gesamten Mehrwertsteuereinnahmen aus, also die Lebensmittel mit reduziertem Steuersatz.
Für die Kompensierung und die Zielsetzung einer Umverteilung haben wir, Die Linke, längst andere Vorschläge unterbreitet. So wäre die Wiedereinführung der Vermögensteuer eine solche Maßnahme
(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)
oder die Schließung von zahllosen Steuerschlupflöchern, von denen ausnahmslos Menschen mit sehr hohem Vermögen profitieren. An dieser Stelle muss endlich gehandelt werden.
(Jörg Bernstein, FDP: Damit alle gleich arm sind!)
Allein lautstarke Ankündigungen im Wahlkampf reichen dafür nicht aus. Die Liste der Grundnahrungsmittel, für die der ermäßigte Steuersatz gilt, ist ziemlich lang. Aber sie enthält auch zahlreiche Merkwürdigkeiten und entspricht nicht mehr den aktuellen Entwicklungen. So bleibt es tatsächlich unerklärlich - das wurde hier schon eingeworfen , warum Trüffel und Froschschenkel Grundnahrungsmittel sein sollen. Das sind sie definitiv nicht.
(Marco Tullner, CDU: Populismus! - Eva von Angern, Die Linke: Nein! Das macht es anschaulich!)
Gleichzeitig gilt aber z. B. für laktose- und glutenfreie Produkte, für Pflanzendrinks, Fleischersatzprodukte und Ähnliches der volle Mehrwertsteuersatz. Das ist übrigens auch nicht mehr zeitgemäß. Denn hierzu hat z. B. auch die Zukunftskommission Landwirtschaft eine Empfehlung für eine stärker pflanzenbasierte Ernährung gegeben. Sie empfiehlt bspw. insbesondere für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte eine Abschaffung der Mehrwertsteuer.
(Beifall bei der Linken - Jörg Bernstein, FDP: Aber nicht für Fleischersatzprodukte!)
Deshalb soll aus unserer Sicht ein Katalog erstellt bzw. überarbeitet werden, der genau definiert, welche Nahrungsmittel zu den Grundnahrungsmitteln zählen.
Während die hohen Preise für Lebensmittel die Ausgaben der Menschen in die Höhe treiben, wird die Preisgestaltung durch große Supermarktketten immer undurchsichtiger. Denn klar ist: Preise entstehen nicht einfach so; sie sind menschengemacht. Sie steigen und fallen nicht von allein; dahinter stehen immer Menschen mit ihren ökonomischen Interessen und entsprechendem Handeln. Wie kann es denn sein, dass Familien, Rentnerinnen und Rentner, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Studierende, aber auch Gewerbetreibende tagtäglich ums Überleben kämpfen, während unter anderem die Eigentümer von Lebensmittelriesen bei dem Blick auf den Stand ihres Kontos vor Lachen gar nicht mehr in den Schlaf kommen?
(Jörg Bernstein, FDP: So billig!)
Dort läuft doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, etwas falsch. Dagegen müssen wir als Politik endlich einmal etwas unternehmen.
(Beifall bei der Linken)
Denn der Markt wird das nicht im Interesse der Allgemeinheit und der vielen Menschen regeln.
Gleichzeitig muss auch sichergestellt werden, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer tatsächlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird und eben nicht über die ganzen Ketten im Großhandel versickert. Dazu bedarf es aus unserer Sicht einer klaren und effizienten Preisbeobachtung. Für mehr Transparenz sehen wir deshalb die Notwendigkeit einer Preisbeobachtungsstelle. Diese ist aus unserer Sicht längst überfällig. Sie muss kritisch hinterfragen, inwieweit Preiserhöhungen durch die Handelsketten tatsächlich gerechtfertigt sind, und ggf. regulierend eingreifen. Auch der „Verbraucherzentrale Bundesverband“ hat in diesem Jahr eine solche Preisbeobachtungsstelle gefordert, mit der sich Rückschlüsse auf Inflationstreiber ziehen lassen, so die Vorständin Ramona Pop.
In Frankreich und Spanien gibt es übrigens solche Preisbeobachtungsstellen, um die Transparenz- und Datenlücke zu schließen und Licht ins Dunkel der Preisgestaltung bei Lebensmitteln zu bringen.
Die Europäische Kommission hat im April 2024 die Beobachtungsstelle für die Agrar- und Lebensmittelkette der EU geschaffen. Sie soll Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette, also in den Bereichen Lieferketten, Preisgestaltung, Kostenstrukturen und Gewinnverteilung, schaffen. Durch Preisbeobachtungsstellen können ungerechtfertigte Preissteigerungen und eine Marktmanipulation durch Verarbeitungsgewerbe und große Handelsketten verhindert werden.
Dies soll Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, damit sie eben nicht über den Tisch gezogen werden.
(Beifall bei der Linken)
Außerdem verdienen Landwirtinnen und Landwirte eine faire Entlohnung ihrer harten Arbeit. Eine Preiskontrolle soll hierbei für Transparenz und für den notwendigen Ausgleich sorgen sowie die Marktmacht der Handelsgiganten besser als bisher regulieren. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.