Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe es schon bei der Einbringung gesagt: Der Inhalt der vorliegenden Großen Anfrage war bereits vor sechs Jahren Thema in diesem Hohen Haus. Insoweit erfolgt mit der Beantwortung durch die Landesregierung eine Fortschreibung der damals übermittelten Angaben.
Meine Damen und Herren! Sechs Jahre sind im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum. Insbesondere zahlreiche Rechtsänderungen führen dazu, dass lediglich eine bedingte Vergleichbarkeit mit früheren Zahlen gegeben ist. Zu erwähnen sind etwa die zum 1. Juli 2023 vollzogene Angleichung der Renten in Ost und West sowie die zum 1. Januar 2023 eingeführte Möglichkeit des unbegrenzten Hinzuverdienstes bei vorgezogenen Altersrenten. Eine Evaluierung genau dieser Rechtsänderungen wird erst in einigen Jahren möglich sein.
Die weiteren Rentenanpassungen sind bekanntlich an die Lohn- und Einkommensentwicklung gekoppelt, allerdings zeitversetzt, sodass sich die zum Teil hohen Lohnsteigerungen in diesem Jahr erst bei der Rentenanpassung im Jahr 2025 bemerkbar machen werden.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich zu den wesentlichen Ergebnissen der Großen Anfrage aus der Sicht der Landesregierung kommen.
Erstens. Das durchschnittliche tatsächliche Rentenzugangsalter steigt in Sachsen-Anhalt langsam an, was zum einen eine Folge der Anhebung der Regelaltersgrenze ist, zum anderen aber auch ein Zeichen dafür, dass viele Erwerbstätige länger fit sind.
Auch eine aktuelle Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 7. Oktober 2024 liefert eine Analyse, warum Rentnerinnen und Rentner auch weiterhin erwerbstätig sind. Hauptgrund ist nicht etwa ein finanzieller Zwang, sondern der Wunsch nach weiteren sozialen Kontakten sowie beruflicher Bestätigung und Anerkennung.
Zweitens. Die durchschnittlichen Beitragszeiten bei Rentenbeginn sind relativ konstant, das heißt aktuell spiegeln sich hierin keine Krisen wider.
Drittens. Die Anzahl der Menschen, die mit Abschlägen in Rente gehen, steigt. Während 2020 noch ca. 9 000 Menschen vorzeitig mit Abschlägen in Rente gingen, waren es 2023 bereits 10 700. Begründet wird dies bspw. mit den Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner.
Viertens. Bezogen aber auf den Kern der vorliegenden Anfrage, die Armutsgefährdung, zeigt sich auch weiterhin, dass Altersarmut verglichen mit anderen Personengruppen deutlich unterdurchschnittlich verbreitet ist. Eine Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes vom 12. Juli 2024 zeigt, dass die Armutsgefährdungsquote 2023 bei Personen, die 65 Jahre und älter waren, mit 12,1 % am geringsten ausfiel. Dagegen hatten Personengruppen wie z. B. Langzeitarbeitslose mit 62,8 %, alleinerziehende Frauen mit 33,1 %, erwerbsgeminderte Personen oder auch Personen, die einen Migrationshintergrund haben, ein erhöhtes Armutsrisiko. Auch vor diesem Hintergrund zeigt sich wieder einmal - ich weiß, dass dazu gleich wieder ein großes Heulen losgeht -, dass die Einführung des Mindestlohnes 2015 richtig war.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Zudem möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass die identische Frage 7 bzw. die Antworten hierzu in beiden großen Anfragen, also in der vor sechs Jahren und der nunmehr vorliegenden, von einer zurückgegangenen Altersarmutsgefährdungsquote ausgehen. Nicht vergessen werden darf hierbei allerdings, dass wir von Statistiken sprechen.
Fraglich ist, ob die Festlegung auf 60 % des Medians des Gesamteinkommens für die Bestimmung von Armutsgefährdung tatsächlich der richtige Gradmesser ist. Die Höhe der Altersrenten allein spiegelt eben nicht die finanzielle Situation der Menschen im Alter in Sachsen-Anhalt wider. Hinzu kommt, dass in Ostdeutschland und so auch in Sachsen-Anhalt kaum Renteneinkünfte aus Betriebsrenten oder aus privater Vorsorge zu konstatieren sind. Dieser Realität müssen wir uns stellen. Für viele Ostdeutsche ist die Altersrente die zentrale Absicherung im Alter und diese Absicherung braucht Stabilisierung und keine Aufweichung.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ursprünglich von der Bundesregierung geplante Rentenpaket II wird zumindest in dieser Legislaturperiode nicht mehr das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Ich bedauere dies ausdrücklich. Das Rentenniveau verbleibt damit zunächst bei 48 %, allerdings lediglich bis zum Jahr 2025. Das Rentenpaket II sah vor, das Rentenniveau bis 2039 bei 48 % festzuschreiben. Auch gilt nunmehr die sogenannte Haltelinie nicht mehr. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch die Renten sinken. Diese sind durch die Rentengarantie geschützt. Für 2025 ist eine Rentenerhöhung geplant. Allerdings bekommen Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zu Erwerbstätigen weniger Geld.
Herr Präsident, ich bitte einfach noch einmal darum Ich habe das Gefühl, dass es an mir liegt. Bei jedem Debattenbeitrag - heute Vormittag war es schon so - wird ununterbrochen dazwischengeredet. Es wird ununterbrochen ein Desinteresse gezeigt.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Grimm-Benne, nehmen Sie es nicht persönlich. Das scheint in diesem Haus heute generell so zu sein. - Trotzdem ist es generell schlecht, übrigens auch in der Außenwirkung. Vor allen Dingen geht es hier um eine sehr große Bevölkerungsgruppe in Sachsen-Anhalt. Dann sollte bitte das Verhalten dieses Parlaments auch den Sonntags- und Wahlkampfreden zu diesem Thema adäquat entsprechen. Das bedeutet, dass man, auch wenn man selbst kein Interesse daran hat, was ja sein kann, denjenigen, die ein Interesse daran haben, es ermöglicht, der Debatte zu folgen. - Bitte sehr, Sie haben das Wort, Frau Ministerin.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Herzlichen Dank. - Gerade in diesen Zeiten, in denen Verunsicherung um sich greift, braucht es mehr soziale Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ich hoffe sehr darauf, dass eine neue Bundesregierung sich prioritär dem Thema annehmen wird.
Lassen Sie mich an diesem Punkt noch ergänzen: Ich warne davor, das Renteneintrittsalter von 67 Jahren weiter zu erhöhen. Dies wäre zutiefst ungerecht. Diejenigen, die lange und schwer arbeiten, erreichen bereits jetzt oftmals schon nicht das Renteneintrittsalter. Das haben unsere Daten auch gezeigt. Die gehen alle schon jetzt frühzeitig in Rente. Jede Erhöhung würde daher de facto eine Rentenkürzung für diese Rentnerinnen und Rentner bedeuten. Menschen, die 45 Jahre lang hart gearbeitet haben, haben sich ihre Rente redlich verdient.
(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)
All diejenigen, die über Jahrzehnte in die Rentenkasse eingezahlt haben, sollen auch weiterhin die Möglichkeit haben, mit einer niedrigeren als der derzeit geltenden Regelaltersgrenze abschlagsfrei in die Rente gehen zu können. Auch im Interesse der künftigen Rentnerinnen und Rentner sollte daran nicht gerüttelt werden.
Meine Damen und Herren Abgeordnete! Um das Rentensystem zukunftsfähig aufzustellen, braucht es gute Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. Das hat die Debatte davor auch schon gezeigt. Wir haben in Sachsen-Anhalt bei den Löhnen noch Luft nach oben. Die Menschen hier bekommen immer noch 23 % weniger Lohn als in den westdeutschen Bundesländern, so eine Auswertung des MDR vom April dieses Jahres. Wir wollen die Tarifbindung stärken, um das Lohnniveau insgesamt anzuheben. Ein ordentliches Einkommen ist die Grundlage für ordentliche Renten.
Auch wird noch einmal darüber zu reden sein, meine Damen und Herren, wer alles in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen hat.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das finde ich gut!)
Wir alle wissen, dass das ein Thema ist, das nicht von heute auf morgen umsetzbar sein wird. Fakt ist aber, es liegt in unserer aller Verantwortung, alle Potenziale zu erschließen und das Beitragsaufkommen und damit die Stabilität der Rentenversicherung zu vergrößern.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Das ist übrigens das Thema. Von dieser Rente hängt eine ganze Menge ab. Wir werden nächstens einen Doppelhaushalt zu beschließen haben. Ich werde nicht müde zu erwähnen, dass mein Haushalt oder unser Haushalt in dem Einzelplan 05 hauptsächlich dadurch aufgefressen wird, dass wir Hilfen zur Pflege finanzieren müssen, dass wir eigentlich noch eine Pflegereform vor der Brust haben, die nicht umgesetzt wird. Wir müssen das auch im Zusammenhang mit den Renten machen.
Ich sage noch einmal eindeutig: Das Rentenpaket II hätte uns auch eine Höherbewertung der Entgelte im Osten gebracht. Das wird nun auch nicht kommen. Und die Rentenaufschubprämie wird auch nicht kommen. Damit hätten diejenigen, die die vorgezogene Altersrente nehmen und weiter arbeiten gehen, eine Prämie bekommen. Das wäre ein Anreiz gewesen, länger zu arbeiten, auch über das Renteneintrittsalter hinaus. Das sind alles Aufgaben, die eine neue Bundesregierung sehr schnell lösen muss. - Herzlichen Dank fürs Zuhören.