Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vertrete den Minister Schulze und trage für die Landesregierung wie folgt vor: 

(Lachen bei den GRÜNEN)

- Nicht lachen. - Vor einer Woche hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein Jahresgutachten für die Jahre 2024 und 2025 vorgestellt. Danach befindet sich die deutsche Volkswirtschaft weiterhin in Stagnation.

So erwartet der Sachverständigenrat, dass das BIP in diesem Jahr preisbereinigt um 0,1 % zurückgeht und korrigiert seine Prognosen aus dem Frühjahr 2024 um 0,3 Prozentpunkte nach unten. Im Jahr 2025 rechnet er nur noch mit einem Wachstum von 0,4 %. 

Jetzt kommt der Einschub des Finanzministers: Sie müssen wissen, dass die Steuerschätzung, die im Oktober vorgenommen wurde, noch von einem weitaus größeren BIP für das Jahr 2025 ausgegangen ist, nämlich von über 1 %, 1,1 %. Auch die Annahme für das Jahr 2024 war noch besser. Das heißt, auch aus der Sicht des Finanzministeriums und haben wir auch für den Landeshaushalt mit weiteren Steuermindereinnahmen zu rechnen. Das sei nur am Rande bemerkt. 

Es zeigt sich zunehmend, dass die deutsche Volkswirtschaft sowohl unter konjunkturellen als auch strukturellen Problemen leidet. 

Wie sieht die Lage in Sachsen-Anhalt aus? - Die Lage in Sachsen-Anhalt ist zwiespältig. Einerseits gibt es bedeutende Neuansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen, andererseits einen Rückgang der Industrieproduktion im Jahr 2023 und auch des Bruttoinlandsprodukts im ersten Halbjahr 2024 sowie weiter steigende Insolvenzzahlen. 

(Zuruf von der AfD)

Laut dem am 30. Oktober 2024 erschienen Konjunkturbericht der IHK Halle-Dessau gibt insbesondere die schwierige Situation der Industrie Anlass zur Sorge. Die IHK Halle-Dessau sieht insbesondere Entlastungen bei den Energiekosten als notwendig an. Dazu haben wir gerade etwas gehört. Auch den Bereich Regulierung und Bürokratie sieht sie als Hemmnis an. 

Der am 13. November 2024 erschienene Konjunkturbericht der IHK Magdeburg kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Als Hauptrisiken für die konjunkturelle Entwicklung wurden dort genannt: die Rahmenbedingungen   70 % der Befragten  , der Fachkräftemangel   65 % der Befragten  , die Energie- und Rohstoffpreise   57 % der Befragten  , die Arbeitskosten   57 % der Befragten   und die Inlandsnachfrage - 56 % der Befragten. 

Mit welchen Maßnahmen reagiert die Landesregierung auf diese Situation? - Die Landesregierung präsentiert sich als zuverlässiger Partner der Wirtschaft. Wir stehen in einem regelmäßigen Austausch mit Unternehmen, Verbänden und Kammern und nehmen deren Sorgen ernst. 

Wie die Neuansiedlungen, aber auch die Erweiterungsinvestitionen bereits in Sachsen-Anhalt ansässiger Unternehmen zeigen, ist unser Bundesland ein attraktiver Standort. Die Landesregierung setzt sich mit zahlreichen Maßnahmen dafür ein, dass dies so bleibt und auch in Zukunft so sein wird. Auf einige dieser Maßnahmen werde ich im Folgenden näher eingehen. 

Maßnahmen, die das Thema Fachkräfte betreffen. Auch wenn die jüngsten Arbeitsmarktdaten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zeigen und sich diese Entwicklung womöglich in den kommenden Jahren fortsetzt, bleibt das langfristige, demografisch bedingte Problem des Fachkräftemangels bestehen. Das heimische Arbeitskräftepotenzial allein wird perspektivisch nicht ausreichen, um die aus dem Erwerbsleben Ausscheidenden zu ersetzen. Daher sind wir dringend auf ausländische Talente angewiesen. Zu deren Gewinnung soll auch die vorgestern gestartete Fachkräftekampagne dienen. 

(Zuruf von der AfD: Oh!)

Sie wird die Vielfalt interessanter Jobmöglichkeiten in Sachsen-Anhalt sichtbar machen und Sachsen-Anhalt als ein Bundesland präsentieren, das sich durch seine qualitativ hochwertigen Lebensbedingungen   wir haben es vorhin gehört   und seine reichhaltigen kulturellen und touristischen Angebote auszeichnet. 

Aber auch die bessere Nutzung des heimischen Arbeitskräftepotenzials verlieren wir nicht aus den Augen. Das zeigt bspw. die vom Wirtschaftsministerium verantwortete Praktikumsprämie für handwerkliche Berufe, die in diesem Jahr auch auf die sogenannten grünen Berufe in der Landwirtschaft sowie auf Tierarztpraxen mit dem Schwerpunkt auf der Betreuung landwirtschaftlicher Nutztiere ausgeweitet wurde. 

Kommen wir zu den Maßnahmen in Bezug auf das Thema Bürokratie. Der Abbau unnötiger Bürokratie ist generell ein zentrales Anliegen der Landesregierung, sei es mit Blick auf die EU-, die Bundes- oder Landesebene. Gegenüber dem Bund und der EU setzen wir uns für eine Vermeidung unnötiger bürokratischer Belastung und Überregulierung ein. Ein Beispiel ist das derzeit laufende PFAS-Beschränkungsverfahren der EU. Ich übersetze das: PFAS ist   das wusste ich auch nicht   ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien.

(Guido Heuer, CDU: Das habe ich auch stehen!)

- Okay. Man muss das nur einmal erklären. 

Das Wirtschaftsministerium setzt sich für eine differenzierte, die tatsächlichen Risiken und Alternativen berücksichtigende Beschränkung ein, durch die unsere Wirtschaft gegenüber dem Nicht-EU-Ausland nicht benachteiligt wird. 

Auf der Landesebene besteht seit November 2022 eine interministerielle Arbeitsgruppe, die IMAG Förderpolitik, die von der Staatskanzlei und dem Finanzministerium gemeinsam geleitet wird. Die IMAG hat das Ziel, Maßnahmen zum Bürokratieabbau verbindlich festzulegen. Bisherige Schwerpunkte ihrer Arbeit waren die zuwendungsrechtlichen Grundlagen und die Digitalisierung. Ich kann Ihnen sagen, dass das bei den zuwendungsrechtlichen Grundlagen nicht ganz einfach ist, weil dort das EU-Recht maßgeblich ist. Diese Dinge sind tatsächlich weitaus komplizierter zu verändern.

Ein weiteres aktuelles Beispiel ist das Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Bei diesem hat sich in der Praxis gezeigt, dass der Aufwand für die Firmen durch die im Gesetz enthaltenen Dokumentationspflichten stark gestiegen ist und diese vor große Herausforderungen stellt. Aus diesem Grund hat der Wirtschaftsminister beschlossen, eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern seines Ressorts und Vertretern von Städten, Gemeinden und Kammern zu bilden. Diese soll bis zum Jahresende Vorschläge dazu unterbreiten, wie der bürokratische Aufwand reduziert und das Gesetz einfacher anwendbar gemacht werden kann, ohne die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen. Dies zeigt, dass die Landesregierung bereit und in der Lage ist, auf neue Umstände und Erkenntnisse zu reagieren.

(Zuruf von der AfD: Super!)

Ich komme zu den Maßnahmen, die das Thema Energiepolitik betreffen. Die Energiepreise sind gerade für die energieintensiven Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die im internationalen Wettbewerb stehen, nach wie vor sehr hoch. Andreas Silbersack hat das vorhin schon deutlich gemacht. Das Wirtschaftsministerium setzt sich daher insbesondere gegenüber dem Bund für Maßnahmen zur Reduzierung der Energiepreise ein. Dazu gehören die Forderungen nach einer Senkung der staatlichen Abgaben auf Energie und der Netzentgelte sowie nach einem zügigen und technologieoffenen Ausbau des Energieangebots.

Kommen wir zu den Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung. Trotz schwieriger Haushaltslage haben wir die Wirtschaftsförderprogramme finanziell gut untersetzt und so gestaltet, dass sie Anreize für einzelbetriebliche Investitionen setzen. Das wichtigste Instrument zur Förderung von Investitionen von Unternehmen in Sachsen-Anhalt ist und bleibt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz GRW. In den Jahren 2022 und 2023 wurden über dieses Programm 120 Unternehmensinvestitionen mit rund 217 Millionen € unterstützt. In diesem Jahr sind es knapp 72 Millionen € für die gewerbliche Wirtschaft. Der Haushaltsentwurf für den Einzelplan 08 sieht auch für die kommenden zwei Jahre Mittelansätze vor, die uns Gestaltungsspielräume zum Wohle der Wirtschaft geben. Die Ansätze wurden nicht gekürzt, sondern die Vorhaben sind in Gänze ausfinanziert. 

Für den Fall, dass jemand fragt, was es heißt, dass der Bundeshaushalt für das Jahr 2025 noch nicht beschlossen wurde: Der Bund hat bereits ein Drittel der VE freigegeben. Wir gehen davon aus, dass es kein Problem sein wird, dass auch die anderen zwei Drittel der VE freigegeben werden und uns erreicht werden. 

Kommen wir zu den Maßnahmen, die das Thema Ansiedlung betreffen. Bei unserer Ansiedlungspolitik setzen wir sowohl auf die Entwicklung und Ansiedlung neuer Industrien als auch auf die Weiterentwicklung bereits ansässiger Unternehmen und Industriezweige entlang der entsprechenden Wertschöpfungsketten. Der Erfolg unserer Arbeit wird dadurch unterstrichen, dass sich in den vorangegangenen Jahren Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größenordnungen in Sachsen-Anhalt neu angesiedelt haben bzw. ihre Entscheidung für eine Ansiedlung in Sachsen-Anhalt bekannt gegeben haben. 

Unter den Neuansiedlungen sind Firmen wie Avnet in Bernburg, Sioux in Barleben   ein Unternehmen der Halbleiterbranche  , Daimler Truck in Halberstadt   ein Unternehmen aus dem Automotive-Sektor  , die Li-Cycle Germany GmbH in Sülzetal oder die AMG Lithium GmbH in Bitterfeld-Wolfen, Unternehmen der Batterie- und Batterierecyclingbranche.

In diesem Jahr haben bspw. Coroplast   ein Hersteller von Spezialklebebändern  , Mercury   ein Anbieter von Gebäudelösungen   und das Joint-Venture-Unternehmen Elemental Strategic Metals   eine Recyclinganlage für Lithium-Ionen-Batterien in Wernigerode   ihre Entscheidung für den Standort Sachsen-Anhalt bekannt gegeben. 

Von den Neuansiedlungen profitieren alle Regionen des Landes. Sie zeigen, dass Sachsen-Anhalt ein attraktiver Wirtschaftsstandort ist und   das sage ich   auch bleiben wird. 

Meine Damen und Herren! Wir leben in wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch sehr turbulenten Zeiten. Deutschland steht ohne handlungsfähige Bundesregierung da und aus der Wirtschaft erreichen uns täglich Hiobsbotschaften. Das Land Sachsen-Anhalt kann sich von diesen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen nicht abkoppeln; dank der umsichtigen und zuverlässigen Wirtschaftspolitik der Landesregierung steht Sachsen-Anhalt jedoch als ein attraktiver Wirtschaftsstandort da. Wichtig ist, dass die Politik gerade auch auf der Bundesebene die richtigen Antworten auf die hinlänglich bekannten Herausforderungen nicht nur findet, sondern auch umsetzt, und der Wirtschaft durch verlässliches Handeln wieder mehr Sicherheit gibt. 

Die Landesregierung wird sich jedenfalls weiterhin für gute Standortbedingungen in Sachsen-Anhalt einsetzen und ein zuverlässiger Partner für die Wirtschaft bleiben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Wir danken auch. - Herr Rausch kann es kaum erwarten. Jetzt sind Sie an der Reihe. 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Was ist denn jetzt?)

- Ach so, Herr Lizureck. Ich habe gedacht, Sie wollten nur eine nette Bemerkung machen. 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Großartiges Unterlassen!)

- Nein, Verzeihung. Alles gut. Sie dürfen.


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Herr Richter, eine Frage von mir. Die Landesregierung brüstet sich damit, dass sie den Ausbau der alternativen Energien so stark vorantreibt wie kaum ein anderes Bundesland. Hat man den Zusammenhang zwischen hohen Energiekosten und Ihrer Politik schon erkannt? Allein im September haben wir für die Abschaltung von Windkraftanlagen in ganz Deutschland 2,6 Milliarden € bezahlt.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wir entschädigen die Betreiber von Windenergieanlagen dafür, dass sie ihre Windräder abschalten   sie bekommen also Geld für nichts  ,

(Zurufe von der AfD)

und treiben den Ausbau der alternativen Energien hier weiter voran. Erkennen Sie da irgendwo einen Zusammenhang?

(Zustimmung bei der AfD - Rüdiger Erben, SPD: Ach! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Unruhe bei den GRÜNEN)


Michael Richter (Minister der Finanzen): 

Ich kann noch nicht einmal bestätigen, dass der Sachverhalt so zutreffend ist. 

(Zustimmung)

Dazu müsste Minister Willingmann einiges sagen können, 

(Frank Otto Lizureck, AfD: Information ist alles!) 

weniger der Wirtschaftsminister. Ansonsten kann ich dazu keine Aussage treffen. Das müssten wir allenfalls mitnehmen, 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Alles gut.


Michael Richter (Minister der Finanzen): 

wenn der Wirtschaftsminister oder der Umweltminister dazu aussagefähig ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Im Moment ist es windstill. Alles gut. - Wir setzen fort mit Tobias Rausch. - Herr Lizureck, sehen Sie es mir nach, das war nicht persönlich gemeint. - Herr Rausch, bitte.