Rainer Robra (Staats- und Kulturminister): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben in Leipzig einen Reformstaatsvertrag vorgelegt, der erstmals überhaupt in der jüngeren Geschichte der Rundfunkpolitik diesen Namen verdient. Er greift eine ganze Reihe von Vorschlägen auf, die wir in Sachsen-Anhalt schon lange vorgetragen haben. Ich möchte einen kleinen Überblick geben; denn es geht darum, das, wenn es dann paraphiert, im Ausschuss angehört und diskutiert worden ist, hier im Landtag zu ratifizieren. 

Das fängt an mit der Neuaufstellung der Sparten- und Gemeinschaftsprogramme, der Reduzierung der Anzahl der Spartenkanäle, dem Abbau von Mehrfachstrukturen. Ich sage an dieser Stelle schon: All das ist nicht optimal, lieber Markus Kurze, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das letzte Wort in dem Vortrag eben war eine richtige Einschätzung. Deswegen möchte ich ausdrücklich betonen: Die Enquete-Kommission im Landtag hat nach wie vor ihren Sinn. Nach der Reform ist vor der Reform. So sehr ich auch wertschätze, was erreicht worden ist, es sind noch Lücken darin, die man schließen kann. Die Debatte wird weitergehen und sie wird auch   das glaube ich schon jetzt sagen zu können   von Sachsen-Anhalt angestoßen werden.

Wir haben das Thema der Verlagerung der Kulturangebote in das Haupt- und Vollprogramm. Das war schon Gegenstand des Dritten Medienänderungsstaatsvertrages. Damit haben wir die Kultur in der Auftragserteilung nach vorn gezogen. Viele haben gesagt, das sei nur Wortgeklingel. - Nein, das war ernst gemeint. Kultur gehört zum Grundversorgungsauftrag.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Deshalb ist es relativ belanglos, was dadurch mit den Spartenkanälen geschieht. In der Schweiz steht 3sat schon auf der Abschussliste. Die staatlichen Mittel stehen nicht mehr zur Verfügung; das hat der Bundesrat so entschieden. Über eine Fusion, möglicherweise mit Arte, werden wir mit Frankreich verhandeln müssen; das können wir noch nicht abschließend sagen. Aber auch dafür ist ein Anstoß in die richtige Richtung gegeben worden.

Darüber hinaus werden die Informations- und Dokumentationskanäle von vier auf zwei reduziert. 

Der Bereich Kinder und Jugendliche wird noch einmal fokussiert, mit KiKA wird es ein Angebot für die Jüngeren geben und mit „Funk“ bspw., rein digital, eines für die jüngeren Erwachsenen. 

Die Hörfunkprogramme werden um ein Viertel zurückgeführt. Da haben wir viel Redundanz unter den Rundfunkanstalten der Länder. 

Wir deckeln die Sportrechtekosten bei 5 %. Das ist noch immer mehr als auskömmlich, aber es ist immerhin ein Deckel darauf.

(Zuruf: Ja!)

Das ist ein Ansatz, den wir später auch in der Unterhaltung weiterverfolgen können. Es gibt viele, viele Möglichkeiten dafür, das in Zukunft nachzuschärfen. 

Wir haben die Pflicht zur Kooperation begründet. Das spart eine ganze Menge Kosten. 

Wir schneiden die außertariflichen Vergütungen zurück, sowohl hinsichtlich der Zahl derjenigen, die außertariflich vergütet werden, als auch in der Höhe, und nehmen eine Orientierung am öffentlichen Dienst und an vergleichbaren öffentlichen Unternehmen vor.

Wir schreiben zum ersten Mal konkret in die Staatsverträge hinein, dass jede neue Maßnahme mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu begleiten ist. Denn die großen Einsparpotenziale liegen nicht in dem Auftragsbereich, den wir hier definieren; die großen Einsparpotenziale liegen einfach in der Art und Weise der Erfüllung des Auftrags. Wenn dort endlich vor jeder vermeintlichen Innovation Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, wie sie im kommunalen Bereich und bei den Ländern ganz selbstverständlich sind, gesetzlich vorgeschrieben werden, dann werden wir auch dort Einsparpotenziale erschließen.

Wir strukturieren die Leitungen neu - endlich! Die Selbstherrlichkeit der Intendanten wird beschnitten. Wir schaffen Direktorien. Das ist noch nicht ganz der Vorstand analog zur Aktiengesellschaft, den ich einmal vorgeschlagen habe, aber auch   wieder das Stichwort   ein Schritt in die richtige Richtung. 

Bei der ARD   das ist eine uralte Forderung von uns   kommt endlich der regionale Fokus. Wir haben ein Federführungsmodell, das nicht das ist, was uns der Zukunftsrat vorgeschlagen hat, aber das auch Doppelungen vermeidet und sicherstellt, dass die Mittel, die in der ARD-Familie verfügbar sind, gezielt in den einzelnen Bereichen eingesetzt werden. Das muss dann die ARD   die wird insgesamt neu strukturiert   auch gewährleisten. Wir sorgen für eine ordentliche Gremienstruktur in der ARD.

Es gibt also eine ganze Menge Potenziale, zu denen die KEF sagt: Ja, die zahlen nicht sofort auf eine Beitragsstabilität ein, aber mittelfristig dann schon. Wenn das alles umgesetzt worden ist, dann lässt sich das für die KEF auch rechnen. Ich komme darauf noch zurück. 

Die Kernbotschaft im Rahmen der Finanzierung ist: Es gibt im Jahr 2025 keine Beitragserhöhung. Das haben viele nicht für möglich gehalten. Alle 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten waren sich in Leipzig praktisch einig: Das kommt nicht, das brauchen wir auch nicht; denn wir haben 1,080 Milliarden €, also mehr als 1 Milliarde €, Rücklagen bei den Anstalten.

Die 58 ct würden Folgendes bringen: für die ARD jährlich 204 Millionen € und für das ZDF jährlich 65 Millionen €. Das heißt, von den Rücklagen kann man, auch wenn die von der KEF zum Teil schon in diese Periode von vier Jahren einkalkuliert waren, wenn man das vorzieht, sehr gut über die zwei Jahre kommen. Das will ich von hier aus auch den Intendantinnen und Intendanten noch einmal ins Stammbuch schreiben: Ich finde die Klage definitiv verfrüht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind noch gar nicht am Ziel angekommen. Wir wollten noch über ein neues Finanzierungsmodell sprechen. Ich wäre auch bereit gewesen, mich heute darauf einzulassen; aber mit der Klage im Nacken sehe ich im Moment, ehrlich gesagt, keinen Sinn darin, uns jetzt über neue Finanzierungsmodelle zu unterhalten. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Jetzt ist das eine Res iudicata, eine bei Gericht anhängige Sache. Dann mag das Gericht entscheiden. Sie können ihre Verfassungsbeschwerde auch jederzeit zurücknehmen, dann sind wir auch jederzeit handlungsfähig. 

Aber zu behaupten, in den Jahren 2025 und 2026, für die es jetzt keine Beitragserhöhung auf der Grundlage der KEF-Empfehlung gibt, würde der Notstand bei den Anstalten ausbrechen, ist schlicht und ergreifend falsch. Die Finanzierung ist gesichert. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Markus Kurze, CDU) 

Auch der Weg dorthin war gesichert. In den Beschlussentwürfen, die wir in Leipzig besprochen haben, war die Aufforderung an die KEF, die Rücklagen für den laufenden Betrieb freizugeben. Dann hätte man mit dieser einen Milliarde locker über die zwei Jahre kommen können. Aber, bitte schön, wenn sie es anders wollen, dann mag es anders kommen.

Ein Indexmodell ist auch schon lange vom Tisch. Es wird keine Automatismen geben. Gerade wir aus Sachsen-Anhalt bzw. gerade der Ministerpräsident hat in den internen Besprechungen der Ministerpräsidenten immer wieder darauf hingewirkt, dass alle Landtage, alle Landesregierungen weiterhin im Spiel bleiben. Die Frage war nur: Stellen wir um auf ein Vetomodell? Das heißt, die KEF legt vor und dann hat jeder Landtag, jede Landesregierung drei Monate lang die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und damit in das alte Verfahren zurückzukehren. Das war der Diskussionsstand. 

Ich jedenfalls hätte damit leben können, als Signal, dass wir den Anstalten etwas Neues anzubieten haben, immer unter der Prämisse, dass es jedem Landtag offensteht, das zu tun. Wir werden sehen. Wie gesagt, ich habe im Moment wenig Lust, ein neues Modell zu etablieren, wenn die Intendanten klagen. 

Auch der Zeitpunkt der Klage, um das einmal ganz offen an dieser Stelle zu sagen, hat mich schon gestört. Einen Tag, bevor wir in der Rundfunkkommission zusammenkommen - was jeder weiß -, um noch Kompromisse zu schmieden, uns die Klage sozusagen um die Ohren zu hauen, das ist nicht die feine Art gewesen. Man hätte auch warten können. 

(Zustimmung bei der CDU) 

Das Verfassungsgericht kann schnell handeln, wenn es wirklich Anlass sieht. Also, lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben mit den ersten vier Säulen - Medienstaatsvertrag, ARD-Staatsvertrag, ZDF-Staatsvertrag, Deutschlandradio-Staatsvertrag - ein brauchbares Werk, bei dem ich mich auch nicht schämen würde, das dem Landtag hier zur weiteren Entscheidung vorzulegen. Wir werden dann darüber sprechen können. Aber auch das geht jetzt noch seinen Gang.

Und wir haben bei der fünften Säule - Finanzierungsstaatsvertrag - noch Diskussionsbedarf. Das Indexmodell ist vom Tisch; also kein Automatismus. Es sind immer parlamentarische Diskussionen möglich. Es ist immer klar, wer der Herr am Hause ist. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung auf dem weiteren Weg. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Frau Frederking. - Bitte sehr, Sie haben das Wort. 


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Herr Robra, Sie haben gesagt, dass es für Sie keinen Sinn macht, jetzt, wo die Sendeanstalten die Klage eingereicht haben, über das Finanzierungsverfahren zu reden. Ich möchte Ihnen die Frage, die Sie gestellt haben, beantworten. Das neue Finanzierungsverfahren - so ist es im Gespräch - soll erst ab 2027 greifen. Es ist ein Indexverfahren im Gespräch; dazu haben Sie ausgeführt. Wenn man jetzt die Rechnung dahinter aufmacht, dann kommt man auf eine Beitragserhöhung - ich mache das jetzt einmal Pi mal Daumen -, die bei 50 Cent liegt. 

In den nächsten zwei Jahren, wenn eine Nullrunde gefahren wird -   Sie haben selbst gesagt, dass die Einsparungen aufgrund der Reformen kurzfristig gar nicht realisiert werden können, mittelfristig schon. Das heißt, wir kommen 2027 gar nicht da an, dass diese 50 Cent Erhöhung, die dann beim Indexverfahren kommen würde, ausreichen würde. 

Zu dem zweiten Verfahren haben Sie im Ausschuss ausgeführt, das Vetoverfahren. Auch dabei müssen wir uns klarmachen, dass es zu einer satten Beitragserhöhung ab 2027 kommen würde, wenn wir eine Nullrunde fahren. Die Sender fragen sich wahrscheinlich, ob das durchgehen wird und sind dahin gehend misstrauisch und haben deshalb die Klage eingereicht. 

Beides, die Finanzierung jetzt für die nächsten zwei Jahre sicherzustellen und das Finanzierungsverfahren ab 2027 neu zu etablieren, steht zwar in einem Sachzusammenhang, aber es sind doch parallele Entwicklungen, die man auch parallel betrachten sollte. 


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten. 


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister): 

Ja, herzlichen Dank. - Wir Länder sehen das übereinstimmend so: Wir machen jetzt, wenn die Landtage ratifizieren, den Reformstaatsvertrag. Daraus ergibt sich eine ganze Reihe von Einsparpotenzialen, die jedenfalls in der dann 2027 beginnenden Beitragsperiode kassenwirksam werden; dann ja. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

In den nächsten zwei Jahren beobachten wir die Implementation all dieser neuen Impulse und fordern die Anstalten auf, selbst aktiv einzusparen. Auch das werden wir in den nächsten zwei Jahren sehen. Wenn der Plan aufgeht, dann ist die Finanzierung der Anstalten in den nächsten zwei Jahren durch das Aufzehren der Rücklagen gesichert. Dabei tritt kein akutes Defizit ein. Wir haben zu Beginn der dann folgenden Beitragsperiode die Erfahrung mit der Implementation des Reformstaatsvertrages und vor allem - das ist mir extrem wichtig, davon rede ich schon seit längerer Zeit - mit den eigenen Einsparbemühungen der Anstalten. 

Es wird nicht aufgehen, dass sie zum Verfassungsgericht rennen und sich dort ihre Beiträge abholen und sich damit von jeglichen Einsparbemühungen freigestellt glauben. Die Einsparungen bei den Anstalten müssen gebracht werden, und zwar nicht, indem man mit dem Rasenmäher über die Programme geht und all das herausschneidet, was der Öffentlichkeit vermeintlich wichtig ist, sondern indem man generell kostenbewusster arbeitet. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Die Öffentlichkeit regt sich nicht zu Unrecht darüber auf, dass es Spitzenverdiener nicht nur in der Verwaltung der Anstalten gibt, sondern tatsächlich auch unter den Programmpersonalien, wo man innerhalb von fünf, sechs Jahren als 26 jähriger Anchorman mehrfacher Millionär werden kann. Das muss nicht sein. 

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist ZDF!)

- Das sind alle. 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Ich bin ja gar nicht mehr im Fernsehen. Ich bin gar nicht mehr im Rundfunkrat. 

Es kann auch insgesamt kostenbewusster produziert werden. Wenn man mit den Redakteuren spricht, dann erklären die einem ja auch, wo es durchaus kostengünstiger geht. Das sind z. B. die Gemeinschaftseinrichtungen bei der ARD, die ein Stück weit obsolet werden, wenn wir das Federführerprinzip installieren. Die Kooperationen zwischen ARD und ZDF sind auch so angelegt, dass vieles von dem, was jetzt isoliert läuft, dann gemeinsam gebracht werden muss. Dann werden die Ressourcen zusammengeschmissen und dann wird die ganze Geschichte preiswerter. Deswegen besteht der berechtigte Anlass zu der Erwartung, dass die Beitragserhöhung 2027, wenn sie überhaupt kommt, deutlich moderater ausfällt, als wenn das alles nicht geschähe, was jetzt zu erwarten ist. 


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Robra, das wäre doch ein schöner Schlusssatz. 


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Ja, von mir aus gerne. 


Vizepräsident Wulf Gallert:

Okay, herzlichen Dank. 

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)