Wulf Gallert (Die Linke):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zielsetzung dieses Gesetzes ist vollkommen richtig und wir unterstützen in jeder Art und Weise hinzubekommen, dass solche Läden existieren, die zu bestimmten Zeiten nicht mit Personal besetzt sind und die eine Verbesserung im Bereich der ländlichen Region bei uns sind. Das ist dringend nötig. Ich sage auch noch einmal ausdrücklich, dass das auch sehr ökologisch ist, weil die Alternative immer die Fahrt mit dem Auto bis zur nächsten Tankstelle ist. Deswegen müssen wir dringend darüber reden, wie wir gerade auch für Menschen, die nicht besonders mobil sind, im ländlichen Bereich solche Dinge schaffen. Das ist tatsächlich gerade aus der Perspektive der älteren Generation, aber auch aus der Sicht der Generation, die noch nicht Auto fahren kann, im ländlichen Bereich wirklich eine Frage der Lebensqualität. Deswegen ist es vernünftig.

Von Projekten wie dem Enso-Laden in Oranienbaum bin ich ausdrücklich begeistert. Denn das hat zusätzlich noch diesen genossenschaftlichen Aspekt, sodass man sagt: Das ist unser Laden; das ist nicht irgendein Laden, sondern das ist unser Laden, mit dem wir ein Stück weit verbunden sind. Dazu haben wir auch die Debatte, die wir schon bei der Anhörung hatten: Wenn die Milchpulle umkippt oder herunterfällt, dann mache ich das selbst weg, weil es nicht irgendein Supermarkt ist, sondern ich bin als Genossenschaftsmitglied selbst daran beteiligt. Das ist etwas, was ausdrücklich befürwortet wird.

Jetzt kommen wir zu dem etwas sensiblen Punkt. Ist es dafür substanziell und strukturell notwendig, diese Läden am Sonntag zu öffnen? Dazu hatten wir bei der Anhörung eine interessante Diskussion. Alle Vertreter, die dort gewesen sind, haben zu den unterschiedlichen Modellen gesagt: Wenn wir sonntags nicht öffnen dürfen, dann lohnt sich das nicht. Warum ist das so? - Weil andere Läden am Sonntag nicht geöffnet haben. Es geht also jetzt nicht mehr darum, dass diese Läden von denjenigen genutzt werden, die unmittelbar in dem Ort wohnen, sondern es wird dann auch von denjenigen genutzt, die ansonsten ganz normal in der Umgebung einen Supermarkt haben, der aber am Sonntag geschlossen hat. Die fahren dann eben zu einem solchen Tante-Enso-Laden, weil der hat Tante-Enso-Laden eben nicht geschlossen hat. Deswegen machen sie deutlich mehr als 20 % des Umsatzes am Sonntag. Es ist ja nicht so, dass die Leute in der gesamten Woche vergessen einzukaufen und ihnen am Sonntag auf einmal einfällt, dass sie etwas brauchen. Vielmehr ist es so, dass diejenigen, die sonst nicht in einem solchen Laden einkaufen würden, am Sonntag dort einkaufen, weil sie es nirgendwo anders können. Deswegen haben sie am Sonntag den höchsten Umsatz.

Daraufhin habe ich gesagt: Das bedeutet also, dass es in der gesamten Bundesrepublik kein einziges erfolgreiches Modell gibt, das nicht am Sonntag geöffnet hat. Dann wurden die Blicke etwas gesenkt und es wurde gesagt: Nein, es gibt es natürlich auch Modelle, bei denen nicht am Sonntag geöffnet wird, es also nicht 24/7, sondern 24/6 ist; die gibt es auch. - Na ja, gut, in Ordnung. Jetzt ist natürlich die Frage, unter welchen Bedingungen es die geben kann und wie die wirtschaftlich machbar sind.

Jetzt will ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Kollege von Ver.di ausdrücklich gesagt hat, er finde das alles schlecht. Ich habe mit ihm selbst darüber diskutiert und gefragt, was denn jetzt die ländliche Alternative ist. - Die ländliche Alternative ist die Tankstelle. Dorthin fahren die Leute und dort wird definitiv Personal beschäftigt, das die ganze Zeit dort herumsteht. Meinetwegen sind es sogar 24 Stunden. Bei manchen ist es nicht durchgehend, aber bei vielen. Das darf doch jetzt nicht die Alternative sein. Die Antwort war: Wir wollen nicht noch eine Tür öffnen.

Ich will einmal über dieses Problem reden. Was ist denn deren Problem? - Deren Problem ist, dass durch immer mehr solche Möglichkeiten, die am Sonntag das Einkaufen ermöglichen, der Druck auf den normalen Einzelhandel immer größer wird, auch am Sonntag zu öffnen. Das ist deren Problem. Er hat klar gesagt, dass sie dagegen klagen werden. Unsere Perspektive ist, vielleicht gerade auch mit den Leuten von Ver.di darüber zu reden, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, zu einem Punkt zu kommen, es nicht vor Gericht auskämpfen zu müssen.

Ich gebe einmal ein Beispiel dafür. Alle haben über den ländlichen Raum geredet, aber der ländliche Raum steht hier nicht drin. Das ist genau eine Frage, über die wir einmal sprechen sollten. Es gibt durchaus viele Beispiele, dass in Großstädten solche Läden - nicht Tante Enso, sondern Onkel Anton oder so ähnlich; ich weiß jetzt nicht genau den Namen, aber so ähnlich heißt es - eröffnet werden. Dabei kommen wir mit der Argumentation „ländlicher Raum“ überhaupt nicht mehr weiter, sondern es geht nur noch darum, dass man auch am Sonntag noch im Einzelhandel ist.

Deswegen sage ich noch einmal ausdrücklich: Wir überweisen das, aber lassen Sie uns gemeinsam einen Versuch machen, hierzu einen gesellschaftlichen Konsens zu finden, der uns den Klageweg erspart. Dann sind wir, glaube ich, alle froh. - Herzlichen Dank.