Kerstin Godenrath (CDU):

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Häusliche Gewalt, die sich vor allem, nicht nur, aber in der Hauptsache gegen Frauen richtet, stellt unsere Gesellschaft vor enorme moralische und politische Herausforderungen. 

Jeden Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner misshandelt oder tragischerweise auch ermordet. Im Jahr 2023 wurden 155 Frauen ermordet und insgesamt gab es in Deutschland laut dem Bundeskriminalamt mehr als 250 000 Opfer häuslicher Gewalt. Hierbei reden wir nur von den offiziellen Daten, die Dunkelziffer ist weitaus höher. 

Täglich erleben Frauen Bedrohungen, die häufig in Taten münden. Fast jeden zweiten Tag wird eine solche Drohung umgesetzt. Gegen das Gewaltschutzgesetz wurden allein im Jahr 2023 fast 6 500 Verstöße registriert, was auf einen unzureichenden Schutz von Opfern hinweist. 

Genau das sind diese Frauen: Sie sind Opfer, sie sind Menschen, die Gewalt erleben und die diese Gewalt manchmal nicht überleben. Der offizielle Begriff heißt Femizide, doch er spiegelt nicht einmal im Ansatz die Tragödien wider, die sich dahinter verbergen. 

Die eben genannten Daten sind nicht nur erschütternd, sie müssen für uns ein ganz klares Signal sein, dass wir als Gesellschaft einen sehr großen Handlungsbedarf haben, um Frauen besser zu schützen, um Gewalt gegen sie konsequenter zu verhindern. 

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU, und von Angela Gorr, CDU)

Der Staat hat in den letzten Jahren bereits einige Schritte unternommen, um Opfern häuslicher Gewalt zu helfen. Der Aktionsplan PROGRESS 2024 sorgt für eine koordinierte Herangehensweise, bei der Polizei, Schulen, Gesundheitswesen, Justiz und weitere Akteure eng zusammenarbeiten. 

Denn genau darauf kommt es an, auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Hierfür ist Vernetzung unabdingbar, um Opfern schnell zu helfen und ihnen schnell die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen. An dieser Stelle dürfen wir uns nicht auf dem Status quo ausruhen. Diese Zusammenarbeit muss immer wieder und immer weiter ausgebaut werden. 

Dass in Sachsen-Anhalt der Ausbau von Schutzwohnungen für hochgefährdete Frauen, wie in Fällen von Ehrgewalt und Zwangsverheiratung, vorangetrieben wurde, ist positiv. Dass die Fachkräfte in den Interventionsstellen und Beratungsstellen tarifgerecht vergütet werden, ist ein ebenso wichtiger Schritt. Doch die Realität zeigt uns, dass diese Bemühungen eben noch nicht ausreichend sind. Denn jedes Opfer ist eines zu viel. 

Als CDU-Landtagsfraktion ist es uns wichtig, den Schutz von Frauen in unserem Land zu verbessern. Das bedeutet aber, nicht nur auf akute Fälle zu reagieren, sondern zu agieren, nämlich präventiv tätig zu werden. Denn es gilt, Gewalt zu verhindern, den Opfern zu helfen und vor allem schnell und unkompliziert Zugang zu Schutz und Unterstützung zu gewährleisten. 

(Zustimmung bei der CDU)

Viele Einrichtungen berichten bundesweit von Engpässen bei verfügbaren Plätzen in Frauenhäusern. Es ist im Übrigen ganz schön erschreckend, zu erkennen, dass unsere Kapazitäten für gewaltbetroffene Frauen nicht ausreichen. Was sagt das über unsere Gesellschaft, dass wir uns an so einem Punkt befinden?

Die Eigenanteile, die für den Aufenthalt in Schutzunterkünften verlangt werden, stellen ebenso eine hohe Hürde dar. Denn es darf nicht dazu führen, dass Frauen der Zugang zur Hilfe verweigert wird, weil sie sich den Aufenthalt nicht leisten können. Hierzu müssen wir als Landtag aktiv werden und die Finanzierung umstrukturieren. Niemand soll für seine Sicherheit bezahlen müssen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Finanzierung der Frauenhäuser so gestaltet wird, dass eine auskömmliche Versorgung gewährleistet ist. 

Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, den Opferschutz weiter gehend gesetzlich zu verankern. An dieser Stelle danke ich dem Innenministerium, dass es dieses Thema als Priorität in der Änderung des Gesetzes für öffentliche Sicherheit und Ordnung verankert hat. 

So ist vorgesehen, den Schutz von Opfern und auch potenziellen Opfern häuslicher Gewalt zu verbessern. Es sollen umfassende Daten und Übermittlungssperren eingerichtet werden. Es soll die Möglichkeit bestehen, mit einer vorrübergehenden Tarnidentität ausgestattet zu werden. Es ist auch geplant, Regelungen zur behördlichen Zusammenarbeit und Zusammenarbeit mit Organisationen zur Opferberatung im Rahmen von Fallkonferenzen zu treffen. 

Auch die Verlängerung der Dauer polizeilicher Maßnahmen im Falle eines Antrags auf zivilrechtlichen Schutz wird an dieser Stelle Berücksichtigung finden. Das ist ein ganz wichtiger Schritt: Hiermit soll im Sinne der Betroffenen, der Opfer gedacht und gehandelt werden.

Aber ich sehe nicht nur das Land in der Handlungspflicht. Denn wenn wir davon reden, Frauen besser zu schützen, müssen wir Schutzmaßnahmen nicht nur konsequenter, sondern auch bundesweit durchführen.

Der Weiße Ring als größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer fordert ganz intensiv die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung für Täter, allgemein bekannt als Fußfesseln, und deren Implementierung in das Gewaltschutzgesetz.

An dieser Stelle möchte ich auf das sogenannte spanische Modell hinweisen. Danach kann durch Gerichte angeordnet werden, dass Täter eine elektronische Fußfessel tragen, damit sichergestellt wird, dass sie sich dem Opfer nicht näher als 500 m nähern. Das ist nicht festgelegt auf Arbeitsplatz oder Wohnung. Dort hat auch das potenzielle Opfer einen Empfänger, sodass sichergestellt ist, dass jederzeit ein Alarm ausgelöst werden kann, der einen schnellen Polizeieinsatz ermöglicht.

Dieses System hat sich in Spanien als äußerst effektiv erwiesen. Die Zahl der Femizide konnte in Spanien um 27 %, also um fast ein Drittel, gesenkt werden. Unter den überwachten Opfern gab es keinen einzigen Todesfall. Warum soll dieses Modell nicht bei uns in Deutschland funktionieren?

Der Weiße Ring hat weiterhin unter dem Titel „Fesseln für die Täter, Freiheit für die Opfer“ eine Petition gestartet, die sich genau diesem Thema widmet und die an den Bundesjustizminister gerichtet ist. Ich hoffe, unabhängig von den derzeitigen Umbrüchen in der Bundesregierung, auf einen Erfolg. Ich hoffe darauf, dass sich der Bund dieses Themas ganz intensiv annimmt. 

Denn eines muss ich ganz deutlich sagen: Hierbei geht Opferschutz vor Täterschutz und Täterinteressen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen, 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD 

und daran sollten und müssen wir uns orientieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Strukturen für die Unterstützung von Opfern von Gewalt zu erarbeiten, zu verbessern, durch den Ausbau von Schutzmaßnahmen besseren Zugang zu Hilfsangeboten zu schaffen und das konsequente Umsetzen von Schutzmechanismen voranzutreiben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Dr. Tillschneider, eine Nachfrage, oder wollten Sie    


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD): 

Nachfrage. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Eine Nachfrage. - Frau Godenrath, wollen Sie sie zulassen? - Nein, will sie nicht.