Henriette Quade (fraktionslos):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition! Auch mich überzeugt der Gesetzentwurf, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt hat, nicht. Ihre Debattenbeiträge tun es noch weniger; denn Police Accountability, also Rechenschaftspflicht, ist international seit Jahren das Konzept, mit dem verschiedene Ebenen und Mechanismen der Kontrolle der Polizei diskutiert, erprobt und bewertet werden. Die Standards der Vereinten Nationen geben das Leitbild für gute Polizeiarbeit vor.
Seit Jahrzehnten und wiederholt fordern verschiedene Gremien der Vereinten Nationen und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Einrichtung unabhängiger Stellen zur Untersuchung von Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in Deutschland, ebenso wie zivilgesellschaftliche Organisationen, Betroffeneninitiativen und Forschende. Sie tun dies nicht, weil sie linksradikal oder besonders bösartig sind, sondern weil es eine lange Reihe von Skandalen gibt, in denen die Polizei nicht rechtmäßig gehandelt hat, aber die Aufklärung und Rechenschaft innerhalb existierender Strukturen eben nicht erreicht werden konnte.
Polizeigewalt, Racial Profiling, Todesfälle in Polizeigewahrsam, rechte Netzwerke in der Polizei - die alltäglichen Notwendigkeiten sind vielschichtig. Sie sind es auch deshalb, weil das strukturelle Problem offensichtlich ist. Es gibt kaum einen Betrieb, der im praktischen alltäglichen Handeln so wenig auf Transparenz ausgelegt sein kann wie die Polizei. Zugleich ist sie aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Stellung, ihrer weitreichenden Befugnisse und nicht zuletzt ihrer Bewaffnung in besonderer Weise rechenschaftspflichtig.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Deshalb ist eine unabhängige Polizeibeauftragte jetzt überhaupt nicht der Skandal und das Misstrauensvotum, als das sie es hinstellen wollen, sondern Mindeststandard. Sie kann ein Element eines solchen Rechenschaftskonzepts sein.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf: Super!)
Die Analyse und die bereits praktizierten Modelle für Polizeibeauftragte in Deutschland zeigen sehr schnell die Grenzen auf; denn das auch hier zugrunde gelegte Prinzip der Einvernehmlichkeit und Vermittlung bedeutet in der Praxis eine extreme Abhängigkeit von der Kooperationswilligkeit der jeweiligen Dienststelle und auch von der Konfliktbereitschaft der Innenministerin. Das wird für einen Teil der Beschwerden funktionieren, insbesondere für den Teil, bei dem es um Rassismus, Polizeigewalt und strukturelle Probleme und strafrechtlich relevante Sachverhalte geht - so im Übrigen auch das recht einhellige Bild in der Forschungslandschaft dazu - aber eben nicht. Hierfür bräuchte es tatsächlich externe Beschwerdestellen mit eigenen Ermittlungskompetenzen und eigenem Ermittlungspersonal. Insofern teile ich weite Teile der Problembeschreibung, habe aber erhebliche Zweifel, ob das Modell, das Sie vorschlagen, die Lösung bringt.
Die Zielbestimmung, das Vertrauen in die Polizei zu erhöhen, ist ein völlig legitimes politisches Ziel, hat aber für sich genommen mit dem Gedanken der unabhängigen Accountability, also Rechenschaftspflicht, erst einmal nicht viel zu tun. Die Zielformulierung der menschenrechtskonformen Aufarbeitung unangemessenen oder rechtswidrigen polizeilichen Handelns wäre - zugegeben - auf den ersten Blick etwas weniger charmant, aber das, worum es gehen müsste. - Vielen Dank.