Rüdiger Erben (SPD): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war zugegebenermaßen kurz überrascht, dass ich schon dran bin.

(Zuruf: Ja! - Zustimmung bei der SPD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Was für ein Armutszeugnis der Landesregierung!)

Man muss klar unterscheiden: Bündnistreue ist ein hohes Gut, aber Nibelungentreue ist gefährliche Dummheit. 

(Zustimmung)

Deshalb ist der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder dem amerikanischen Präsidenten Bush nicht in den völkerrechtswidrigen Krieg im Irak gefolgt.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Er hat Deutschland damit vor der Verstrickung in Konflikte bewahrt, aus denen die USA bis heute nicht herausgefunden haben. Genauso wenig wird ein sozialdemokratischer Bundeskanzler - oder auch ein anderer Kanzler von jeder anderen demokratischen Partei - einen US-Präsidenten Trump auf dem Weg folgen, der Ukraine einen Diktatfrieden aufzuzwingen.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Anne-Marie Keding, CDU)

Denn es ist im ureigensten deutschen Interesse, dass in Europa Grenzen nicht gewaltsam verschoben werden.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herr Waehler, Sie haben sich ja geoutet, dass Sie der Zwischenrufer waren. Ich will es einmal für alle übersetzen, die es nicht genau gehört haben: Es ging um die Verschiebung der Grenzen zwischen Deutschland und Polen. Ich finde das, was Sie hier vorhin vom Stapel gelassen haben, unerhört.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der Linken, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wenn das Schule machen sollte, dann sind bald auch im Baltikum, in Mitteleuropa und auf dem Balkan die bestehenden Grenzen und das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Gefahr.

(Lothar Waehler, AfD: Das ist doch Fakt!)

Deshalb unterstützt Deutschland gemeinsam mit seinen Bündnispartnern die Ukraine gegen die russische Aggression. Es kann einen stabilen Frieden nur dann geben, wenn er auch für das ukrainische Volk akzeptabel ist. Aber genauso ist es im Interesse Deutschlands, dass sich dieser Krieg nicht auf andere Länder ausweitet, und vor allem, dass Deutschland nicht in den Krieg hineingezogen wird.

(Zuruf von der AfD)

Deshalb können wir alle froh sein - ich muss sagen, ich bin stolz darauf  , dass unser Bundeskanzler in seiner Haltung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern nicht wackelt und auch nicht wankt.

(Beifall bei der SPD)

Niemand kann wollen, dass sich die russische Antwort auf einen Taurus-Einsatz gegen deutsche Soldaten, gegen NATO-Einrichtungen oder gar gegen das deutsche Hoheitsgebiet selbst richtet. Es ist eine der wichtigsten Fragen, ob Deutschland diese klare Haltung auch nach den Neuwahlen zum Deutschen Bundestag beibehalten wird.

Meine Herren von der AfD!

(Zuruf von der AfD: Wir haben auch Frauen!)

- Aber die haben zu dem Thema vermutlich nichts zu sagen.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das ist sexistisch! Frauenfeindlich! - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe)

In Ihrer Haltung zu Russland, zu dem Diktat von Putin und zu den von ihm begonnenen Krieg ist der Übergang zum Landesverrat bei Ihnen seit Langem fließend.

(Oliver Kirchner, AfD: Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! - Unruhe)

Wer es nicht erwarten kann, dass militärische Landgewinne dem Aggressor zum Geschenk gemacht werden, wer versucht, in die annektierten Gebiete als Wahlbeobachter zu reisen, wer Geld aus dubiosen Kassen in Russland annimmt,

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Welche Kassen? - Unruhe)

und wer sich im Netz von Trollen und Bots aus Moskau unterstützen lässt, der bringt auch Sicherheit und Frieden hier in unserem eigenen Land in Gefahr.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Es kann nicht verwundern, dass Sie den Tag herbeisehnen, an dem in Washington ein Präsident antritt, der das präpotente Gehabe von Wladimir Putin genauso bewundert wie Sie.

(Zuruf von der AfD)

Dass in Ihren Reihen längst alle Skrupel abgelegt worden sind, zeigt ein Beitrag des MDR aus dieser Woche. Nach den Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks ist aus dem Büro Ihrer Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel versucht worden, der bewaffneten Terrorgruppe von Prinz Reuß einen Kontakt zu Donald Trump in den USA zu vermitteln.

(Oliver Kirchner, AfD: Und eine Kanone hat sie ihm auch noch angeboten! - Zuruf von der AfD: Wie denn? Per Fax? - Unruhe)

Aber zurück zu der Überschrift Ihres Antrages, zum Frieden in Europa. Frieden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es in Europa nur durch Europa geben können. Gerade nach dem Wahlsieg von Donald Trump gilt: Wir müssen uns in der Europäischen Union und im europäischen Teil der NATO so eng zusammenschließen, dass wir aus eigener Kraft unsere demokratischen Werte schützen,

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der Linken)

uns gegenseitig Beistand leisten können und Angriffe von außen wirksam abwehren können. Das wird keine leichte Aufgabe sein. Aber die Alternative wäre, unsere Art, hier in Europa zu leben, aufzugeben. Aber verlassen Sie sich darauf: Dazu wird es nicht kommen.

Mit Ihrem Antrag werden wir heute das einzig Sinnvolle tun: Wir lehnen ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und von Anne-Marie Keding, CDU)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Herr Erben, es gibt eine Intervention. - Bitte, Herr Waehler.


Lothar Waehler (AfD): 

Herr Erben, was Sie gesagt haben, ist nicht wahr. Ich habe nichts bewertet; ich habe nur festgestellt. Ich habe festgestellt, dass deutsche Gebiete nach Polen gegangen sind. Ich habe das nicht bewertet, mit einer Verschiebung oder wie auch immer, wie Sie das hier darstellen wollen. Es ist ja nun einmal eine Tatsache, dass das so ist. Das habe ich nicht gemacht; das haben nicht meine Vorfahren gemacht. 

(Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD: Doch, Ihre Vorfahren haben das gemacht! - Guido Kosmehl, FDP: Oh, oh, oh!)

Aber meine Vorfahren kommen aus diesen Gebieten und die sind vertrieben worden. Ihre Parteikollegin hat das gestern gleichgesetzt mit den Leuten, die als Asylbewerber usw. hierherkommen und unsere Leistungen entgegennehmen. Sie hat diese Menschen mit den Vertriebenen gleichgesetzt. Es ist eine Unverschämtheit - das muss ich ganz offen sagen  , dass solche Leute gleichgesetzt werden.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die sind Opfer von Krieg und Vertreibung!)

Ich habe nur - nur! - eine Bewertung vorgenommen und gesagt, dass es so ist, und weiter gar nichts. Das will ich einmal festhalten.

(Zustimmung bei der AfD)


Rüdiger Erben (SPD): 

Herr Waehler, zunächst halte ich die Ermahnung, die Sie vorhin vom Präsidenten erhalten haben, für mehr als berechtigt.

(Zuruf von der AfD: Ja, klar!)

Denn Sie haben nicht nur darauf hingewiesen, dass im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, der von Deutschland ausgegangen ist, ehemalige deutsche Gebiete heute zu Polen gehören. Sie haben das in dem Kontext getan, als Ihr Kollege vorhin redete und es um die Frage ging: Wer erhält welche Gebiete im Ergebnis eines Waffenstillstands? In diesem Kontext haben Sie diesen Zwischenruf getätigt.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Damit stellt sich dieser Zwischenruf völlig anders dar. In dem konkreten Fall geht es darum: Darf ein Aggressor das eroberte Land behalten oder nicht? - Sie verdrehen die Dinge; das ist ein völlig anderer Zusammenhang als in der Frage der Grenzziehung im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs.