Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Reichsgewerbeordnung von 1869 enthielt erstmals Regelungen zum Schutz arbeitender Kinder. Das Preußische Fürsorgeerziehungsgesetz von 1900 regelte die Unterbringung von damals so bezeichneten verwahrlosten oder gefährdeten Kindern und legte damit den Grundstein für die heutige Praxis staatlicher Eingriffe, auch in die Familie, zum Schutz unserer Jüngsten.
Im Jahr 1922 dann das Reichsjugendwohlfahrtgesetz, das erste landesweit gültige Gesetz zur Regelung der Jugendfürsorge in Deutschland. Dieses formulierte die erste Definition zur Jugendhilfe und wurde schließlich 1990 in das heutige Kinder- und Jugendschutzgesetz, das SGB VIII, überführt.
Diese gesetzliche Entwicklung spiegelt den wachsenden gesellschaftlichen Konsens wider, Kinder und Jugendliche nicht nur zu schützen, sondern auch aktiv in ihrer Entwicklung zu fördern. Sie markiert den Übergang von einem paternalistischen Ansatz hin zu einem Recht auf Unterstützung und Selbstverwirklichung. Für eine gerechtere Gesellschaft ist eine an den Kinderrechten orientierte Jugendhilfe unabdingbar.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Daher ist es völlig richtig, dieses politische Feld in den Fokus der Politik zu stellen, wie es der vorliegende Antrag einfordert. Denn aktuell stehen Familien und junge Menschen vor besonderen Herausforderungen. Corona, Klimakrise, Ukrainekrieg reichen sicherlich als Schlagworte aus, um die Herausforderungen zu benennen. Mit Blick auf die Jugendämter sei das Schlagwort Fachkräftemangel noch hinzugefügt.
Doch abseits dieser Problembeschreibungen steht auch ein neuer Entwicklungsschritt für den gesetzlichen Rahmen an. Zum 1. Januar 2028 tritt die sogenannte große Lösung in Kraft. Dann sind die Jugendämter wirklich für alle Kinder und Jugendliche zuständig; dann werden wir eine wirklich inklusive Kinder- und Jugendhilfe haben. Gegenwärtig ist für die Gruppe der jungen Menschen mit seelischen Behinderungen die Eingliederungshilfe, also die Sozialämter, zuständig. Das soll sich ändern und das ist gut so.
Das muss man natürlich bestmöglich vorbereiten. Wenn wir also über einen Jugendhilfegipfel sprechen, dann müssen wir auch über die Umsetzung der großen Lösung sprechen. Das kommt mir in dem vorliegenden Antrag viel zu kurz. In Ihrer Rede haben Sie es benannt, aber im Antrag kommt es irgendwie nur so am Rande vor. Ehrlich gesagt scheint mir das Thema der Inklusion insgesamt sehr randständig mitgedacht zu sein. Wo sind denn bei Ihrem angedachten Gipfel die Träger der Eingliederungshilfe benannt? Wo finden sich Sozialämter als Gesprächspartner?
Genauso randständig werden im Übrigen darüber muss man reden, wenn man über Partizipation spricht die jungen Menschen selbst mitgedacht. Als Teilnehmende am Jugendgipfel sind sie anscheinend nicht vorgesehen. Wenn es gut läuft, dann haben wir zum Zeitpunkt des Gipfels einen Landesheimrat, und wenn nicht, dann haben wir sicherlich auch Selbstvertretungsgremien auf der Ebene der Einrichtungen und der Träger. Diese jungen Menschen sollten sich nach meinem Verständnis aktiv in einen solchen Gipfel einbringen können.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Über diese beiden Leerstellen in Ihrem Antrag hätte ich gern im Ausschuss beraten. Nun gibt es den Alternativantrag der Koalition, was eher gegen eine Ausschussberatung spricht. Dieser ist allerdings noch dünner und zu diesem werden wir uns definitiv nur der Stimme enthalten können.