Marco Tullner (CDU): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Zu dem Antrag der GRÜNEN. Wir haben in der Koalition lange dazu gerungen. Wir wollten ihn eigentlich ablehnen   er wird jetzt überwiesen  , weil wir dieses Thema in der von Ihnen vorgelegten Fassung für völlig aus der Zeit gefallen halte. Ich will das anhand eines einfachen Beispiel begründen, das auf den ersten Blick komisch klingt, aber auf den zweiten Blick, denke ich, zum Ziel führt. 

Ich habe neulich abends die „Tagesthemen“ geschaut. Dort gibt es immer auch ein lokales Fenster, in dem Fall einen Bericht von der Universität Magdeburg. Darin hat Herr Strackeljan ganz stolz berichtet, dass unter den 11 500 Studenten an der Universität Magdeburg mehr als 1 600 indische Studenten seien, die hier lediglich einen Semesterbeitrag zahlen müssten. Diese Studenten wurden dann dazu interviewt, wohin sie nach dem Studium gehen wollen: Sie wollen zu Porsche, zu Audi, Formel 1-Manager oder irgend so etwas werden. Jedenfalls wollten diese Studenten offenbar nicht in Sachsen-Anhalt bleiben. 

Dazu habe ich mir erlaubt, die Frage zu stellen: Können wir uns das in diesen wirtschaftlichen Zeiten, die sich eher verdüstern, was die Steuereinnahmen angeht, eigentlich noch leisten? Müssten wir die Fragen nicht grundsätzlicher stellen? 

1 600 Studenten, rechnen wir einmal mit fünf Jahren, dann wären wir bei mehr als 8 Millionen €, die wir allein an einer Universität wie der Magdeburger für den Wissenschaftsbetrieb   wenn wir das einmal voraussetzen würden   generieren könnten. 

Parallel dazu: Wir waren in Pécs und haben uns dort die Zahnarztausbildung angeguckt, die sowohl deutsch- als auch englischsprachig läuft. Die finanzieren die gesamte Pécser Universität quasi quer, indem sie sozusagen durch diese Studiengebühren, 7 500 € pro Semester, für Zahnärzte und Humanmediziner und anderes machen. Angesichts dessen frage ich mich, ob wir das in diesen Zeiten, in denen wir mühsam um jeden Euro ringen, den die Landesregierung uns bei den Problemen in diesem Haushalt überantwortet hat, und unter diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hier und da hinkriegen. Ist es nicht an der Zeit, die Fragen hierzu grundsätzlich anders zu stellen? Sie haben noch einmal fröhlich an die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren erinnert. Ja, wir haben dabei mitmachen müssen, in so einer koalitionären Logik.

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Aber ich frage mich nach wie vor: Was haben wir damit eigentlich angerichtet? Wir haben damals gedacht, wir zwingen junge Leute, ihr Studium zügig zu beenden. Heraus kam jedoch, dass wir die stabilen Einnahmen, die wir zuvor zur Verbesserung der Lehre hatten, dann nicht mehr hatten und dann kompensieren mussten. 

All das, in diesen Kontext gebettet, ist diese Debatte, die Sie heute führen, der absolut älteste Hut, den dieses Land nun überhaupt nicht gebrauchen kann. Denn a) besteht, praktisch gesehen, gar kein Problem, und b) müssen wir die Fragen, wenn wir dieses Land zukunftsfest und demografiefest machen und vor allen Dingen finanziell auf eine solide Basis stellen wollen   das tut es im Moment nämlich nicht  , grundsätzlich neu beantworten müssen. Die CDU-Fraktion ist dazu bereit und lädt alle ein, dabei mitzumachen. - Vielen Dank. - Es gibt eine Frage.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Ja, Herr Tullner, es gibt eine Frage von Herrn Gebhardt. Möchten Sie diese beantworten? 


Marco Tullner (CDU): 

Sehr gern sogar. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Dann los. 


Stefan Gebhardt (Die Linke): 

Vielen Dank für die Bereitschaft, die Frage zu beantworten, Herr Tullner. Ich habe kurz überlegt, weil Sie noch einmal das Beispiel gebracht haben, das der Kollege Gallert gestern in der Debatte angeführt hat, als es um die Wirtschaftskraft in Sachsen-Anhalt und um die Demografie ging: dass die Studenten, die aus Indien hierherkommen und hier studieren, nicht beabsichtigen   wie es in dem Beitrag, den Sie gesehen haben, dargestellt wurde  , in Sachsen-Anhalt zu bleiben. 

Haben Sie eine Idee, warum es der Fall sein könnte, dass diese Studenten nicht in Sachsen-Anhalt bleiben, sondern nach dem Studium in andere Bundesländer wechseln?


Marco Tullner (CDU): 

Ich weiß, auf welchen Pfad Sie mich locken wollen, Kollege Gebhardt.

(Lachen bei der Linken - Hendrik Lange, Die Linke: Sie brauchen nur loszugehen! Einfach mutig nach vorn!) 

Ich werde dieser Versuchung ausdrücklich widerstehen. Aber ich will an dieser Stelle eines sagen: Natürlich ist der Fehlanreiz der Hochschulpakt, der damals richtig war und sozusagen den innerdeutschen Finanzausgleich zwischen den geburtenstarken Jahrgängen im Westen und den Kapazitäten im Osten hergestellt hat. 

Wenn aber jetzt von 11 500 Studenten in Magdeburg allein 1 600 indische Studenten     Ich habe nichts gegen indische Studenten - damit das niemand in den falschen Hals bekommt. Aber wenn wir hier sozusagen die halbe Welt einladen, kostenlos unser gutes Bildungssystem zu nutzen, jedoch die Effekte davon nicht eintreten, dann müssen wir doch zwei Fragen beantworten: Wie können wir unseren Wirtschaftsstandort attraktiver machen, um die indischen Studenten im Land halten? Das ist die eine Seite der Medaille. 

Aber wenn 99,9 % der Universitäten auf der Welt   das ist jetzt eine kühne These; bitte weisen Sie mir nicht nach, dass das nicht ganz so stimmt   für ausländische Studenten Gebühren nehmen und das dort akzeptiert ist und sogar die Bereitschaft dazu da wäre, dann frage ich mich: Warum haben wir an dieser Stelle Denkverbote, an einer Stelle, wo wir sie nicht brauchen und wo sie uns schaden, und zwar in Bezug auf eine Verbesserung der Bildung und eine Verbesserung unserer Gesellschaft?