Eva von Angern (Die Linke): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Als wir den Antrag als Linksfraktion eingereicht haben, war die Ampel zwar nicht in guter Verfassung, aber es standen noch keine Neuwahlen an. Das, was in den letzten Wochen geschehen ist, hat für uns, bezogen auf diesen Antrag   nicht nur bezogen auf diesen Antrag, aber eben auch auf diesen Antrag  , den Druck erhöht, dass wir heute hier als Landtag von Sachsen-Anhalt tatsächlich eine Entscheidung treffen müssen, dass wir der Landesregierung einen klaren Auftrag erteilen müssen, damit das Gewalthilfegesetz das Licht der Welt erblickt. Das ist sehr, sehr dringend. 

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen von der FDP, das ist Ihre Chance, uns im Hinblick auf die Mutmaßung eines Besseren zu belehren und den Gesetzentwurf im Bundestag, wenn er denn käme, zu unterstützen. Er könnte aus den Reihen der Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht werden. Er könnte, wie viele andere Gesetze, das Licht der Welt erblicken. Das heißt: Setzen Sie sich dafür ein innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion, dass das auch tatsächlich erfolgt. Der Druck ist größer geworden.

Meine Damen und Herren! Wer die sozialen Medien und die Presselandschaft verfolgt, der kann nicht nur anlässlich des 25. Novembers, also des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, erkennen, dass die Frauenverbände auf der Bundesebene   sei es die Unabhängige Koordinierungsstelle für die Frauenschutzhäuser, seien es der Deutsche Frauenrat und häufig auch die Frauenverbände der Parteien, der demokratischen Parteien   sich gerade heftig auf den Weg gemacht haben, damit dieses Gesetz noch eine Chance bekommt, tatsächlich Realität zu werden. 

Die Sorge innerhalb der Frauencommunity   auch das will ich sagen   ist groß. Sie ist groß, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weil leider die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Kanzler Friedrich Merz heißt, groß ist. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern: In den 90er-Jahren, als ich Jura studiert habe, gab es einen riesigen Aufschrei; es gab eine Debatte und eine Beschlussfassung im Bundestag über die Frage, ob der Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Friedrich Merz höchstselbst hat dagegen gestimmt. Ich verstehe die Sorge der Frauen. 

(Zustimmung bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir unseren Antrag in Bezug auf das Gewalthilfegesetz und das Starkmachen der Landesregierung gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung aufrechterhalten. Die Möglichkeit besteht. Es gibt noch ausreichend viele Sitzungstage des Bundestags. Auch wenn jetzt eine Sitzungswoche abgesagt worden ist, gehe ich davon aus, dass man sich im Bundestag nicht gänzlich der Arbeit verweigert. Also machen Sie sich dort bitte stark. 

Sie erinnern sich: Wir haben das Thema Frauenschutzhäuser und Gewaltschutz auch hier, auch in dieser Wahlperiode schon mehrfach besprochen. Es war immer wieder die Ansage, auch von der Gleichstellungsministerin: Das funktioniert nicht; wir warten erst einmal ab, was im Bund passiert. Das haben wir auch so akzeptiert; denn in der Koalitionsvereinbarung stehen gute Dinge. Aber wir brauchen jetzt ehrlicherweise sozusagen den doppelten Boden. Ich bin nicht naiv. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz auf der Bundesebene tatsächlich kommt, ist nicht sehr groß. Das heißt, wir müssen aktiv werden. 

Ich glaube, ich war nicht die Einzige, die gestern die Zahlen des BMI, also von Frau Paus und Frau Faeser, als dramatisch zur Kenntnis nehmen musste. Ich habe geschluckt, als ich die Zahl 360 Femizide gelesen habe. Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir mit dem Hilfenetzwerk in Sachsen-Anhalt, mit den Akteurinnen aus Polizei, Justiz und Jugendämtern ins Gespräch kommen. 

Ich bitte Sie, liebe Landesregierung, darum, dies zu koordinieren, um zu klären: Woher kommen diese Zahlen? Sind das Zahlen   zumindest bei den versuchten Tötungsdelikten, bei den sexualisierten Gewaltdelikten  , die aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld gekommen sind? Wie groß ist das Dunkelfeld wahrscheinlich? Oder ist es, ähnlich wie bei dem Thema Kindeswohlgefährdungen, so, dass die absoluten Zahlen, sowohl im Hell- als auch im Dunkelfeld, zugenommen haben? Egal zu welcher Antwort wir kommen, die Zahlen, die gestern vorgestellt wurden, sind so alarmierend, dass dringender Handlungsbedarf besteht. 

(Zustimmung bei der Linken)

Ein weiterer Punkt, den wir hier als Linksfraktion schon einmal aufgerufen haben, ist das Thema Tagessatzeigenanteil. Ich gehe davon aus, dass das Gewalthilfegesetz nicht kommt, und dann müssen wir handeln. Dass es Einrichtungen gibt, die 48 € für den Tag nehmen müssen, als Tagessatzeigenanteil, führt eben dazu, dass Frauen dort nicht Schutz suchen. 

Ein Beispiel aus dem Frauenhaus Magdeburg. Dort hat man sich auf den Weg gemacht, Spenden zu sammeln, um den Eigenanteil über Spenden finanziert zu bekommen, damit die Frauen nicht weggehen müssen. Allein im letzten Jahr waren es 21 Frauen, die in diesen Genuss kamen - und das meine ich in Anführungszeichen. Es gab aber eben auch vier Frauen, die gegangen sind, die also nicht den Schutz gesucht haben. Das ist ein Armutszeugnis in einem reichen Land wie Deutschland. Das ist völlig inakzeptabel. 

(Zustimmung bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch an dieser Stelle verweise ich wieder auf das Gewalthilfegesetz, das ein Durchbruch gewesen wäre. Ich verweise aber auch auf die Istanbul-Konvention. Deutschland hat sie unterzeichnet. Darin steht ganz klar, dass es niedrigschwellige, kostenfreie Schutzangebote geben muss. Wir haben sie nicht in Sachsen-Anhalt. Wir haben dafür eine Frauenhausfinanzierungsrichtlinie, die besagt: Ihr dürft maximal 15 € Eigenanteil nehmen, aber wenn ihr mehr nehmen müsst, dann müsst ihr das erklären. Ein Erklärungstatbestand ist, dass es zur Existenz des Frauenschutzhauses erforderlich ist. 

Meine Damen und Herren, das kann doch nicht unser Ernst sein! Frauenhäuser sind dafür da, Frauen zu beraten und ihnen Schutz zu geben, aber nicht dafür, um Spenden zu werben, Spenden einzusammeln und selbst zu putzen und alles andere auch noch zu tun. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Guido Kosmehl, FDP)

Ein wichtiger Punkt, der in der Koalitionsvereinbarung enthalten ist   ich erinnere Sie gern daran  , der noch nicht umgesetzt wurde, ist das Thema Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche, die von häuslicher Gewalt mittelbar oder unmittelbar betroffen sind und dringend einen wohnortnahen niedrigschwelligen Zugang brauchen. Und es ist nicht die Nummer gegen Kummer. Wir reden hierbei über eine ganz andere Qualität. Wir reden auch darüber, dass aus diesen Kindern und Jugendlichen Täter und Opfer werden können. Das ist kein Mythos. Gucken wir in die Frauenschutzhäuser: Dort haben wir Frauen, die schon als Kinder mit ihren Müttern in Frauenschutzhäusern waren. Das ist also nichts Neues. Wir müssen handeln und auch präventiv vorgehen. 

Ein weiterer Punkt   das Thema hat zwei Regierungsbefragungen gefüllt   sind die Investitionen in die Frauenschutzhäuser. Herzlichen Dank an die Koalition   Herr Heuer, Sie haben sich dafür starkgemacht, auch Herr Pott, aber auch die SPD   für die Investitionsmittel. 

Frau Ministerin Grimm-Benne hat uns den Ball vors Tor gelegt. Sie hat in der letzten Regierungsbefragung gesagt: Wenn die Mittel für die Investitionen nicht in der Hauptgruppe 6, sondern in der Hauptgruppe 8 veranschlagt würden, dann könnten die Frauenschutzhäuser auch Investitionsmittel von mehr als 5 000 € beantragen. Bitte lassen Sie uns das auf kurzem Wege machen. Ich traue es Frau Grimm-Benne zu, das mit Herrn Richter zu machen, 

(Guido Kosmehl, FDP: Na ja, ich habe Zweifel!)

- Herr Kosmehl, die Zweifel habe ich auch   -, aber meine Erfahrung sagt mir: Lassen Sie uns das machen. Deswegen: Lassen Sie uns das gemeinsam machen. 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja, ich mache das!)

Von mir aus können wir auch einzeln darüber abstimmen, wenn Ihnen das leichter fällt. Das würde ich schon vorweg sagen. 

Am Ende meiner Rede möchte ich noch ausdrücklich sagen: Ich danke all jenen, die im Hilfenetzwerk von Sachsen-Anhalt seit vielen Jahrzehnten aktiv sind, sei es als hauptamtliche Mitarbeiterinnen, sei es als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. 

(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben tolle Mitarbeiterinnen in den Frauenschutzhäusern, viel Ehrenamt, das in Vorständen dahintersteckt, in den Interventionsstellen, in den Beratungsstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt. 

Ich möchte mich natürlich auch ganz herzlich bei dem Dachverband, dem Landesfrauenrat, bedanken, der immer dranbleibt an dem Thema. Das ist nicht unwichtig.

(Zustimmung bei der Linken und von Guido Kosmehl, FDP)

Auch wenn es vielleicht überrascht, möchte ich sagen: Es tut gut, dass wir eine sehr engagierte, sehr kompetente, mit Herzblut dabei seiende Landesgleichstellungsbeauftragte haben. - Danke, Sarah Schulze, du machst einen tollen Job. 

(Zustimmung bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns gemeinsam die Istanbul-Konvention mit Leben erfüllen. Wir haben einen ganz klaren Auftrag. Deutschland hat sie unterschrieben. Es ist nicht nur eine Bundes-, sondern auch eine Landes- und kommunale Sache. Insofern: Wenn es Ihnen leichter fällt   ich kann es am Ende noch einmal sagen  , dann würde ich im Zweifel auch beantragen, dass wir punktweise abstimmen, damit zumindest ein paar Fortschritte erreicht werden. Bitte nicht an den Ausschuss überweisen! Die Zeit drängt. - Vielen Dank. 

(Beifall bei der Linken)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Vielen Dank, Frau von Angern. - Ich habe bei der Einleitung dieses Tagesordnungspunktes vergessen, auf den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 8/4826 hinzuweisen.

(Guido Kosmehl, FDP: Sehr richtig!)

Der Schlusssatz von Frau von Angern gibt mir Gelegenheit dazu, auf diesen Alternativantrag hinzuweisen.

(Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)