Tagesordnungspunkt 5
Aussprache zur Großen Anfrage
Entwicklung der Altersrenten in Sachsen-Anhalt
Große Anfrage Fraktion Die Linke - Drs. 8/4433
Antwort Landesregierung - Drs. 8/4660 neu
Unterrichtung - Drs. 8/4737
Entschließungsantrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4802
Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D mit einer Gesamtdauer von 45 Minuten vereinbart. Die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten: CDU 13 Minuten, AfD acht Minuten, FDP und Grüne jeweils zwei Minuten, SPD drei Minuten, Die Linke vier Minuten.
Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zunächst der Fragestellerin das Wort. Das ist die Fraktion Die Linke. Für diese spricht Frau Hohmann. Sie steht bereits in den Startlöchern. - Frau Hohmann, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Monika Hohmann (Die Linke):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich mich sehr herzlich bei der Deutschen Rentenversicherung bedanken, welche die Daten und Statistiken für die Beantwortung der Großen Anfrage zur Verfügung gestellt hat und damit erneut einen guten Überblick über die Situation der Rentnerinnen und Rentner in diesem Land gegeben hat.
Wir haben bereits im Jahr 2017 eine Große Anfrage zu dem Thema „Entwicklung der Altersrenten in Sachsen-Anhalt“ gestellt. Ich habe einmal nachgeschaut: Fast auf den Tag genau vor sieben Jahren, nämlich am 23. November 2017, habe ich an diesem Rednerpult zur Auswertung der Großen Anfrage gesprochen.
(Unruhe)
Das Thema Rente wurde in dieser Zeit in verschiedenen Debatten sowohl im Landtag als auch auf der Bundesebene in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, doch passiert ist wenig.
(Beifall bei den Linken - Zuruf von der Linken: Jawohl!)
Mit dem bevorstehenden Winterwahlkampf wird das Interesse an diesem Thema vermutlich zunehmen. Umso mehr freut es mich, dass wir schon heute die Möglichkeit haben, hier im Landtag einen Antrag zu beschließen, der mehr als nur warme Worte beinhaltet und die Landesregierung beauftragt, auf der Bundesebene entsprechende Ergebnisse für die Rentnerinnen und Rentner im Land herbeizuführen.
Doch kommen wir zu der Großen Anfrage und ihrem Inhalt. Mit den Antworten haben wir ein weitreichendes Bild von den Rentenleistungen in Sachsen-Anhalt erhalten. Auch wenn die Landesregierung in diesem Kontext die Armutsgefährdungsquote im Alter mit der Armutsgefährdungsquote von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verglichen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es akutere Baustellen bei der Armutsbekämpfung im Land gibt, zeigte sich klar, dass die Rentnerinnen und Rentner die großen Verlierer der letzten Krisen sind.
(Beifall bei der Linken)
Die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln standen niedrigen Renten gegenüber, die weder durch entsprechende Rentenanpassungen noch durch Tarifsteigerungen oder gar eine Inflationsprämie ausgeglichen werden konnten. Auch wenn die Renten um ca. 11 % gestiegen sind, bleibt diese Steigerung weit hinter der Inflationsrate von insgesamt rund 16 % in den letzten Jahren zurück.
Das zeigt, dass die Rentnerinnen und Rentner zu den finanziell am stärksten belasteten Menschen gehören. Wir haben das heute Morgen in der Aktuellen Debatte schon einmal gehört. Besonders alarmierend sind die Angaben zu den Zahlbeträgen. Diese zeigen eindeutig, dass 40 % der Rentenzahlbeträge bei 1 200 € liegen, und das nach mindestens 45 Versicherungsjahren.
(Eva von Angern, Die Linke: Das geht gar nicht!)
Rund ein Viertel der Zahlbeträge liegt unter 1 000 €. Das ist ein alarmierendes Zeichen. Das ist skandalös und lässt sich als Problem nicht kleinreden,
(Beifall bei der Linken)
indem man die Armutsgefährdungsquote von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen danebenstellt. Es kann nicht sein, dass wir die prekäre Situation der einen Gruppe gegen die der anderen ausspielen. Es ist unsere Aufgabe als Politikerinnen, Lösungen für ein gutes und auskömmliches Leben aller zu finden,
(Zuruf von der FDP)
nicht jedoch, Umverteilungsdebatten zu führen und Problemverschiebungen auf unterster Ebene vorzunehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Rentnerinnen und Rentner, die über 45 Jahre hinweg Beiträge eingezahlt haben, blicken auf ein langes Arbeitsleben zurück. In Sachsen-Anhalt erfahren diese Menschen und ihre Arbeits- und Lebensleistung kaum Würdigung. Der durchschnittliche monatliche Rentenzahlbetrag nach 45 Jahren Berufstätigkeit liegt in Sachsen-Anhalt bei 1 452 €. Damit liegt Sachsen-Anhalt nicht nur unter dem Bundesdurchschnitt, sondern auch unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Im Ländervergleich belegt Sachsen-Anhalt damit nur den vorletzten Platz.
Auch wenn die Armutsgefährdung in der Altersgruppe 65 Jahre und älter derzeit in Anführungszeichen nur bei 10,2 % liegt, zeigen die Zahlen einen schleichenden Prozess der Armutsgefährdung, der erst gar nicht akut werden darf, bevor wir handeln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es zeigt sich ganz klar, dass wir es mit einem strukturellen Problem auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt zu tun haben.
(Beifall bei der Linken)
Die Landesregierung gibt es in ihrer Antwort auf die Große Anfrage klar zu erkennen: Der Grund für niedrige Renten liegt in der Erwerbsphase von Rentnerinnen und Rentnern und nicht in der von ihnen erbrachten Arbeits- und Lebensleistung. Niedriglöhne und fehlende Tarifbindung führen zu niedrigen Renten.
Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, die Grundsicherung im Alter oder Wohngeld beziehen, steigt. Im Jahr 2020 waren rund 31 % der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter Rentnerinnen und Rentner. Nur drei Jahre später drei Jahre später! ist ihr Anteil bereits auf 41 % gestiegen. Das ist ein alarmierender Befund, wenn man weiß, dass nur ca. 40 % der Anspruchsberechtigten überhaupt einen Antrag stellen. 60 % stellen keinen Antrag.
(Beifall bei der Linken)
Ähnlich verhält es sich bei den Bezieherinnen und Beziehern von Wohngeld. Auch bei den Wohngeldberechtigten stieg der Anteil der Rentnerinnen und Rentner. Im Jahr 2015 lag er bei 47 %. Acht Jahre später kletterte der Anteil auf mittlerweile 65 %, Tendenz steigend.
Übrigens lag auch das war bei der Auswertung der Antwort auf die Große Anfrage sehr schön zu sehen der Anteil der Rentnerinnen und Rentner an den Wohngeldberechtigten im Landkreis Mansfeld-Südharz bei 71 %
(Eva von Angern, Die Linke: Mansfeld-Südharz!)
und im Landkreis Wittenberg bei 70 %. 70 % der Wohngeldberechtigten sind Rentnerinnen bzw. Rentner.
(Eva von Angern, Die Linke: Das ist bitter!)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ein weiterer interessanter Befund wurde uns in der Antwort auf die Frage 3b präsentiert. Wir wollten wissen, wie viele Menschen sich vor dem Renteneintritt in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung befanden. - Lediglich 54 % waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Auswirkungen auf die Rente. Angesichts der Tatsache, dass das durchschnittliche Renteneintrittsalter im Jahr 2023 bei 64 Jahren lag, wird klar, dass viele Erwerbstätige mit Abschlägen in Rente gehen. Dann weiß man auch, wie die Rentensituation aussieht.
Das belegen auch die Rentenzahlbeträge der Neurentnerinnen und rentner, die oftmals noch unter den Zahlbeträgen der Bestandsrentner liegen. Im Jahr 2023 lag der durchschnittliche Rentenzahlbetrag bei Erstbezug, also für diejenigen, die zum ersten Mal Rente erhielten, bei 1 186 €.
Es ist nicht hilfreich, das Risiko der Altersarmut an der Quote der Rentnerinnen und Rentner zu messen, die Grundsicherung im Alter beziehen. Ich habe es vorhin schon gesagt: Die Dunkelziffer liegt höher; denn es gibt viele Rentnerinnen und Rentner, die diese Sozialleistungen nicht in Anspruch nehmen. Die Gründe reichen von Scham bis Unwissenheit.
Aus diesem Grund müssen wir den Umrechnungsfaktor bei der Rentenberechnung für ostdeutsche Beschäftigte beibehalten. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung von der Renteneinheit spricht, während die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Ost und West weiterhin bei fast 20 % liegt. Auch das haben wir heute schon gehört.
Mit der Streichung des Umrechnungsfaktors wird sich die Rentenungleichheit wieder verschärfen und wird in Sachsen-Anhalt besonders spürbar werden. Es muss zu einer Stabilisierung des Rentenniveaus kommen. Wir plädieren für eine Anhebung auf 53 %. Das gelingt aber nur, wenn wir eine Bürgerversicherung haben, in die alle einzahlen.
(Beifall bei der Linken)
Unser Nachbarland Österreich zeigt uns, wie es geht. Ein gesetzliches Rentensystem kann vor Armut schützen, den Lebensstandard sichern und gleichzeitig finanzierbar sein. Statt einen Teil der Alterssicherung vom Kapitalmarkt abhängig zu machen, wurde in Österreich das gesetzliche Rentensystem zu einer Erwerbstätigenversicherung ausgebaut.
Sehr geehrte Damen und Herren! In Ostdeutschland ist die gesetzliche Rente für die allermeisten Menschen die alleinige Einkommensquelle im Alter. Zusätzliche Einkünfte aus Betriebsrenten, Versicherungen oder Kapitalerträgen sind nach wie vor die Ausnahme. Die Leistungen der gesetzlichen Rente bestimmen den Lebensstandard und die Teilhabe und haben Einfluss auf die Gesundheit im Alter.
Die Landtage des Ostens müssen das politische Sprachrohr in die Bundespolitik hinein sein, um die Verarmung durch Niedriglöhne und Niedrigrenten zu bekämpfen.
(Beifall bei der Linken)
Aus diesem Grund bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.