Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Gewalt gegen Frauen nimmt in Deutschland kontinuierlich zu. Laut dem Lagebild Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes wurden im Jahr 2023 insgesamt 256 276 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen, und zwar um 6,5 %. 

In den letzten fünf Jahren lässt sich ein Anstieg der polizeilich registrierten Fälle von häuslicher Gewalt um 19,5 % feststellen. Allein durch sogenannte Partnerschaftsgewalt starben laut aktuellem BKA-Bundeslagebild 155 Frauen im Jahr 2023. 

Auch in unserem Land ist leider ein besorgniserregender Anstieg häuslicher Gewalt zu erkennen. Nach der Kriminalstatistischen Auswertung Häusliche Gewalt des Landeskriminalamtes    

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Frau Grimm-Benne, einen Augenblick, bitte. 


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Es wäre hilfreich, wenn Gespräche, die notwendig oder auch nicht notwendig sind, außerhalb geführt würden; denn es gibt hier im Plenum einen zu hohen Geräuschpegel. Diese Anregung möchte ich geben. - Frau Grimm-Benne, bitte schön. 


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung): 

Zumal ich gerade von Opfern und Toten spreche.

(Zustimmung bei der Linken, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch in unserem Land ist ein besorgniserregender Anstieg häuslicher Gewalt zu erkennen. 

Nach der kriminalstatistischen Auswertung „Häusliche Gewalt“ des Landeskriminalamts wurden im Jahr 2023  7 928 Fälle häuslicher Gewalt erfasst, davon 5 566 Fälle von Partnerschaftsgewalt und 2 426 Fälle von familiärer Gewalt. Das entspricht einem prozentualen Anstieg in Höhe von 11,3 % im Vergleich zum Vorjahr.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Daten letztendlich nur das sogenannte Hellfeld abbilden, also die den Ermittlungsbehörden bekannt gewordenen Delikte. Denn auch wenn sich mittlerweile mehr Frauen trauen, die Täter anzuzeigen, gibt es noch immer zu viele Betroffene, die es aus den unterschiedlichsten Gründen gerade nicht tun - sei es aus der Angst davor, dass ihnen nicht geglaubt oder geholfen wird; sei es wegen der Befürchtung, es nicht alleine zu schaffen, weil z. B. die finanzielle Abhängigkeit vom Partner zu groß ist, oder sei es aus der Scham, sich als Opfer zu offenbaren. 

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die alarmierenden Daten zu häuslicher Gewalt beweisen, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland Alltag ist. Die Täter sind ganz überwiegend Männer. Es sind Ehemänner, Lebensgefährten, Freunde oder Ex-Partner. Ihre Gewalt reicht von sozialer und digitaler Kontrolle, Stalking und Psychoterror, über Schläge und Misshandlung bis hin zu Mord.

Viele verharmlosen diese Gewalt noch immer als Familiendramen und tun sie damit als Familiensache ab. Mir ist es deswegen heute ganz wichtig zu sagen: Dieses Thema gehört in die Öffentlichkeit. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Wenn Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind, müssen wir diese Taten klar als das benennen, was sie sind, als Femizide. 

(Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Henriette Quade, fraktionslos)

Ich möchte mich nicht damit abfinden, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland Alltag ist. Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, sondern ein strukturelles Problem. Es ist eine zentrale Aufgabe des Staates, Frauen vor Gewalt zu schützen. 

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Unser Land hat sich dazu in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, das Hilfesystem auszubauen und Finanzierungslücken zu schließen. Die Landesregierung hat im Februar 2024 mit dem Aktionsplan PROGRESS eine Strategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Sachsen-Anhalt beschlossen. 

Um betroffenen Frauen den Weg in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben aufzuzeigen, setzen wir dabei auf ein gestärktes und gut vernetztes Hilfesystem. Die Einrichtungen im Hilfesystem in Sachsen-Anhalt stehen den betroffenen Frauen und Mädchen mit großer Empathie und Professionalität zur Seite. In den vergangenen mehr als 30 Jahren haben sie unschätzbare Arbeit geleistet. Sie zeigen den Betroffenen Perspektiven auf. Sie verhelfen ihnen zu einem selbstbestimmten und gewaltfreien neuen Leben. Für dieses wichtige und beeindruckende Engagement möchte ich ihnen im Namen der gesamten Landesregierung von Herzen danken. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ausgehend von den Empfehlungen der im Jahr 2021 erstellten Studie zur Bestandsaufnahme und Bedarfserhebung des Hilfeangebots für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Sachsen-Anhalt sowie in enger Abstimmung mit den Akteurinnen des Hilfesystems, wurden das Hilfesystem personell deutlich gestärkt und das vorhandene Beratungsangebot ausgeweitet. Zudem wurde die tarifgerechte Bezahlung und Eingruppierung der Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, der Beratungs- und Interventionsstellen und der Frauenzentren umgesetzt. 

So stehen im Jahr 2024 für den Kernbereich des Hilfesystems Mittel in Höhe von rund 7,46 Millionen € zur Verfügung; das sind 3,5 Millionen € mehr als im Jahr 2021. Hierfür möchte ich dem Landtag ausdrücklich danken. Im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushalts für die Jahre 2025/2026 sollen die seit 2021 unternommenen Anstrengungen verstetigt werden. Es ist mir ganz wichtig zu sagen, dass das im Entwurf auch gelungen ist. 

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Schutz- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre mitbetroffenen Kinder müssen in Umsetzung der Istanbul-Konvention leicht zugänglich sein. Hierzu gehört auch, dass die Inanspruchnahme der Angebote nicht an finanzielle Hürden gekoppelt werden darf. 

Daher hat auch die Landesregierung ein großes Interesse daran, die Eigenbeteiligung der von Gewalt betroffenen Frauen für die Nutzung der Schutz- und Beratungsangebote zukünftig abzuschaffen. In einem ersten Schritt hat mein Haus im Jahr 2023 im Rahmen der Anpassung der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der inhaltlichen Arbeit in den Frauenhäusern und deren ambulanten Beratungsstellen eine Begründungspflicht für die Träger bei Tagespauschalen eingeführt, wenn ein Betrag in Höhe von mehr als 15 € von gewaltbetroffenen Frauen zu bezahlen ist. 

Um die aktuell noch notwendige Eigenbeteiligung der Frauen dauerhaft abzuschaffen, bedarf es jedoch der verlässlichen und dauerhaften finanziellen Beteiligung des Bundes an der Regelfinanzierung des Hilfesystems. Deshalb ist und bleibt das Gewalthilfegesetz ein zentraler Bestandteil unseres politischen Engagements. 

Mein Haus engagiert sich seit Jahren auf Bundesebene im Rahmen des Runden Tischs „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, der insbesondere aus Vertretungen von Bund, Ländern und Kommunen besteht. Dort haben wir uns mit Nachdruck für eine tagessatzunabhängige Finanzierung der Frauenhäuser eingesetzt. Denn Gewaltschutz geht nur gemeinsam. 

(Zustimmung bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Andreas Silbersack, FDP)

Zudem haben wir sowohl bilateral als auch im Rahmen der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen der Länder darauf gedrungen, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. So hatte die GFMK die Bundesregierung im Juni dieses Jahres einstimmig dazu aufgefordert, schnellstmöglich einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung aufzustellen und sich dauerhaft an der Regelfinanzierung zu beteiligen. 

Ich begrüße es daher außerordentlich, dass Bundesministerin Paus   man kann sich darüber streiten, ob er zu spät kam   am 6. November 2024 einen entsprechenden Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag vorgestellt hat. Kernstück des Gesetzentwurfs ist der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt. Erstmals würde es einheitliche Vorgaben für die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen geben, auch für digitale Gewalt. 

Doch dieses Gesetzesvorhaben   Sie haben es bereits mehrfach angesprochen   droht nun endgültig zu scheitern. Ich weiß, dass im Augenblick überlegt wird, welche Pakete an Gesetzesvorhaben tatsächlich noch auf die Tagesordnung des Bundestags kommen. Ich wünsche mir persönlich, dass dieser Gesetzentwurf dabei wäre. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Ich sage ganz deutlich: Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt muss zur Priorität gemacht werden, und das noch in dieser Legislaturperiode. Daran halten wir auch nach dem Bruch der Regierung fest. Hierbei hoffe ich und setze ich auch auf die Unterstützung dieses Hohen Hauses. Lassen Sie uns ganz im Sinne des ursprünglichen Gedankens des 25. Novembers dafür kämpfen, gemeinsam Gewalt gegen Frauen zu beseitigen. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken, bei den GRÜNEN und von Henriette Quade, fraktionslos)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Ministerin. 


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Frau Präsidentin! Ich habe jetzt noch eine Minute und 21 Sekunden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Entschuldigung. Ich hatte gedacht     Ich war der Meinung, Sie hätten ihren Beitrag beendet. 


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Ich würde diese Minute gerne dazu nutzen, um etwas zur Finanzierung hinsichtlich der schwierigen Grenze der Förderung von Investitionen für Frauenhäuser zu sagen. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

Da ich aber bereits beim letzten Mal, Frau Präsidentin, meine Redezeit überschritten habe, würde ich darum bitten, dass mich jemand befragt, damit ich die Redezeit tatsächlich auch einhalten kann. 

(Guido Kosmehl, FDP: Oh! - Lachen - Eva von Angern, Die Linke: Das mache ich! Vorsichtshalber melde ich mich!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Ministerin, bitte.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau von Angern! Ich habe selbstverständlich prüfen lassen, welche Möglichkeiten bestehen, um die zur Verfügung stehenden Mittel so weit wie möglich auszuschöpfen. 

Ich habe beim letzten Mal vorgetragen, dass nach dem aktuellen Stand der Mittelabfluss bei einer Höhe von ungefähr 250 000 € liegt, d. h., Mittel in Höhe von 250 000 € stehen noch zur Verfügung. Wenn wir im Rahmen eines Umwidmungsantrags den Betrag von Nummer 5 in die Nummer 8 packen, müssten allerdings bis zum Ende dieses Jahres   Kassenschluss ist der 17. Dezember   die Angebote eingeholt und die Maßnahmen faktisch abgerechnet sein. Das werden wir nicht mehr bis zum 17. Dezember schaffen. 

Deswegen möchte ich folgenden Vorschlag ankündigen, der hoffentlich von den Regierungsfraktionen getragen wird. Wir werden unseren Haushalt Einzelplan 05, denke ich, noch im November beraten. Denn er ist einer der ersten Einzelpläne, der im Dezember durch den Finanzausschuss beschlossen werden soll. 

Wir haben in unseren Einzelplan geschaut und würden eine neue Stelle ausbringen, nämlich die Nummer 8. Wir haben dafür Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 2025 und 2026 in Höhe von 200 000 € ausgebracht. Nach aktuellen Stand versuchen wir, über einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen dort Mittel in Höhe von 150 000 € zu veranschlagen, um mit diesen Mitteln das Investitionsvolumen für das nächste Jahr zu erhöhen. Wir halten das für zielführender. Aber das muss dann im Grunde das Parlament entscheiden.

(Eva von Angern, Die Linke: Ich glaube, sie ist fertig!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Ministerin, vielen Dank. - Frau von Angern, möchten Sie nachfragen oder hat es sich geklärt? 

(Eva von Angern, Die Linke: Es hat sich erledigt!)