Tagesordnungspunkt 21
Erste Beratung
Wer sucht, dem wird geholfen. Pflegeplätze bestmöglich finden durch tagesaktuelle Datenbank.
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/4804
Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 8/4830
Das Mitglied des Landtages Susan Sziborra-Seidlitz bringt den Antrag ein. Sie hat das Wort. - Bitte sehr.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer sucht, der findet. Wenn es nur so einfach wäre. Dass zwischen dem Suchen und dem Finden eines stationären Pflegeplatzes oder eines Platzes für Kurzzeit- oder Verhinderungspflege Tage, wenn nicht gar Wochen liegen können, zahlreiche Telefonate zu führen, viele E Mails zu schreiben sind, langes und zum Teil vergebliches Warten auf Rückrufe folgt, Eintragungen auf Wartelisten davorstehen, davon können sicherlich viele Seniorinnen und Angehörige von pflegebedürftigen Menschen in unserem Land ein Lied singen.
Wenn die eigene betagte Mutter aus dem Krankenhaus entlassen wird und nicht wieder zurück in die eigene Wohnung kann, wenn nach dem Sturz zu Hause der 80-jährige, alleinlebende Vater lieber doch in einem stationären Setting untergebracht werden soll, wenn die Pflege des Partners aufgrund eigener Erkrankung kurzfristig nicht mehr möglich ist und eine Kurzzeitpflege nötig wird, wenn die demente Mutter zwar im Haus der Kinder wohnt, diese aber tagsüber arbeiten und daher ein Platz in der Tagespflege gebraucht wird - dann beginnt das Suchen im Dickicht.
Dann können Sie sich zwar in Online-Verzeichnissen wie der BIVA-Pflegeschutzbund-Webseite oder auf dem Portal „Wohnen im Alter“ eine Übersicht von Alten- und Pflegeheimen im Land anzeigen lassen, aber mehr als Adressen und einem allgemeinen Angebot der Einrichtungen finden Sie erst einmal nicht. Sie können sich auch erst einmal an die großen Träger wie das DRK wenden. Sie können die vernetzten Pflegeberatungen im Land kontaktieren, sollte Ihnen dieses Angebot überhaupt bekannt sein. Oder Sie können erst allgemein Ihre Pflegekasse um Rat fragen.
Vielleicht findet sich in Ihrer Nähe auch eine Alten- und Servicestelle, die Sie beraten kann. Aber mehr als eine Übersicht zu den Einrichtungen in Ihrer Nähe werden Sie auch dort erst einmal nicht finden. Denn ob es freie Plätze gibt, das kann Ihnen in Sachsen-Anhalt letztlich jede Einrichtung nur selbst mitteilen. Also beginnt das Telefonieren und Nachfragen, das Vertrösten und die Aufnahme auf Wartelisten. Bei etwa 730 stationären Pflegeeinrichtungen im Land kann das dauern.
Die stark steigende Zahl an Pflegeeinrichtungen im Jahr 2011 waren es noch 500 Einrichtungen wird diese Suche in Zukunft immer aufwendiger machen. Eine zahlenmäßige Zunahme der Einrichtungen und der Pflegeplätze ist einerseits natürlich zu begrüßen; denn der Bedarf ist offensichtlich. Das macht die Suche aber andererseits aufwendiger. Auch die Trägervielfalt ist ein hohes Gut, aber diese Vielfalt und der offene Markt für Pflegeeinrichtungen dürfen nicht für die Betroffenen in Unübersichtlichkeit, langen Wegen und maximalem Aufwand enden.
Klar sind wir es im Alltag gewohnt, Angebote zu suchen, zu vergleichen und zu recherchieren. Die Konfusion bei x verschiedenen Handytarifen oder Stromanbietern mag auch nerven, aber das ist Welten von der existenziellen Notwendigkeit entfernt, schnell einen Heimplatz zu finden. Im Bereich der Pflege muss das Land deshalb ordnungsrechtlich aktiv werden, um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu entlasten.
Wir hatten dazu in der letzten Sitzung des Sozialausschusses plastische Schilderungen von Selbsthilfegruppen pflegender Angehöriger und deren Landesverband. Tritt Pflegebedürftigkeit und der Bedarf nach einem Heimplatz auf, herrscht zuallererst Überforderung und Orientierungsschwierigkeit. Die klare Forderung an uns als Politik lautet daher: Schafft eine zentrale Informationsmöglichkeit!
Das scheint irgendwie naturgegeben, diese Überforderung und der kleinteilige Weg hin zu einem Heimplatz. Es gibt viele Einrichtungen und darüber kann niemand einen Überblick haben. Bei etwa 166 000 pflegebedürftigen Personen und aktuell etwa 27 600 Personen, die in Sachsen-Anhalt vollstationär untergebracht sind, haben wir viele Tausend betroffene Familien im Land, die phasenweise ratlos vor der Aufgabe stehen, ein angemessenes Pflege-Setting zu entwickeln.
Für die Angehörigen ist das vor allem eine psychische Belastung. Für die Pflegebedürftigen ist es mit der Gefahr verbunden, nicht optimal betreut und gepflegt zu werden, wenn zeitweise nur Übergangslösungen gefunden werden können, da das Finden eines Heimplatzes sich hinzieht.
Aber das ist nicht naturgegeben, das muss nicht so sein. Diese vielen Schritte und Telefonate abzukürzen auf einen einzigen Klick, ist sogar denkbar einfach. Das Land Nordrhein-Westfalen hat es vorgemacht. Mit der dortigen Heimfinder-App finden Sie in einer Sekunde freie Plätze in Ihrer Nähe. Das haben mein Mitarbeiter und ich in der Sitzung des Sozialausschusses selbst live ausprobiert. Ich habe heute mit der App Pflegeplätze in Bielefeld gesucht ich war erstaunt, dass es Bielefeld überhaupt gibt und dort gibt es auch Pflegeplätze.
(Zuruf von der CDU)
Diese findet man mit der App.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Ich kann sagen: Einfacher geht es nicht. Innerhalb weniger Minuten App heruntergeladen, Wohnort eingegeben oder eben „Bielefeld“ - und sofort freie Plätze und Kontaktmöglichkeiten gefunden.
Nun ist es nicht so, dass dem Ministerium das unbekannt ist. Vielmehr scheint es einen internen Arbeitsprozess zu geben. Das wurde im Ausschuss auch deutlich. Das ist schon einmal gut. Aber dieses Thema verdient einen klaren politischen Handlungsauftrag, eine klare Priorisierung für das administrative Handeln und damit auch eine verbindliche Zeitschiene. Das wollen wir mit unserem Antrag bewirken.
Es braucht für diese smarte Hilfestellung bei der Suche nach einem Heimplatz zweierlei: eine gesetzlich verankerte tagesaktuelle Meldepflicht für die Einrichtung zu ihren freien Plätzen und die technische Aufbereitung dieser Daten für ein Online-Portal und eine entsprechende App. Beides soll im Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Gerade für die Normierung einer Meldepflicht wollen wir das Ministerium für ihre Gespräche mit den Einrichtungen stärken; denn natürlich macht so eine Meldepflicht erst einmal Arbeit.
Das ist ein weiterer Punkt, den die Heimaufsicht zu prüfen und zu kontrollieren hat. Vielleicht muss der eine oder andere Träger, die eine oder andere Einrichtung auch zum Jagen getragen werden. Ganz ohne Widerstand wird das nicht gehen. So ist es meines Wissens übrigens auch in NRW gewesen.
Aber dafür ist ein Landtagsbeschluss hilfreich, wenn klar ist, dass diese smarte Variante, einen Heimplatz zu finden, Anliegen der Landespolitik ist. Damit lässt sich doch gleich ganz anders argumentieren, wenn das Ministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf in die Anhörung der Verbände gibt.
Machen wir ernst mit der oftmals formulierten Redewendung: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Dann heißt das eben auch, möglichst barrierefreie Angebote durch das Land zu entwickeln. Damit sind wir schlicht auch Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. Das regelt nicht der Markt. Das kann und soll nicht jeder Betroffene eigenverantwortlich regeln müssen.
Wir wollen per gesetzlichem Rahmen den pflegebedürftigen Angehörigen das Leben leichter machen; denn schwer genug haben Sie es sowieso. Daher an dieser Stelle mein großer Dank: Sie, die pflegenden Angehörigen, sind der größte Pflegedienst dieser Republik, und Sie leisten einen großartigen Job.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der Linken, bei der SPD und bei der FDP)
Haben Sie vielen Dank für die oft aufopferungsvolle Pflege Ihrer Angehörigen. Auf Familien, Nachbarschaften und Freunde ist auch im Alter oftmals Verlass. Das ist toll und wichtig. In den Fällen, in denen das nicht mehr reicht, wollen wir bestmöglich unterstützen.
Da ich noch drei Minuten Redezeit habe, ganz kurz zu dem Alternativantrag der AfD-Fraktion. Sie haben damit eine prima Abschreibekompetenz bewiesen. Das reicht übrigens auch für ein Studium, weil Sie es durch Prosa geschafft haben, das Plagiat zu vermeiden.
(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Woher wollen Sie das wissen, dass wir abgeschrieben haben?)
- Sie haben es doch von uns abgeschrieben.
(Lachen bei den GRÜNEN)
Wer das inhaltlich nebeneinanderlegt, der wird es erkennen. Sie vielleicht nicht, aber alle anderen.
(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)
Es gibt einen entscheidenden Unterschied: Sie setzen an dieser Stelle auf Freiwilligkeit. Das klingt erst einmal plausibel. Die Träger finden die Pflicht und die damit verbundene Arbeit sicherlich erst einmal nicht so klasse, weil das mehr Arbeit macht und sie sehr viel zu tun haben. Was Sie dabei nicht bedacht haben: Die Träger finden die mit dieser Meldung verbundene Arbeit nicht so klasse, weil sie viel zu tun haben, und zwar auch dann, wenn es freiwillig ist. Das würde dazu führen, dass wir eine flächendeckende Übersicht, wie wir sie für die pflegenden Angehörigen brauchen, für diejenigen, die einen Pflegeplatz suchen, nicht erreichen können. Das ist so nicht zu erreichen.
Wir wollen Seniorinnen und Senioren und den pflegenden Angehörigen in unserem Land helfen. Sie wollen populistisch aufspringen und irgendwie originell sein - klappt halt einfach wieder einmal nicht.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.