Kristin Heiß (Die Linke): 

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebes Plenum! Die Kolleginnen und die Kollegen der FDP möchten sich heute für ihre Digitalisierungserfolge feiern lassen. Ich dachte mir, das können wir vielleicht gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes tun. Das Problem ist nur, die haben nämlich keine Zeit. Ich sage Ihnen auch, warum.

Wenn Sie morgens in Magdeburg vom Hauptbahnhof zum Landtag gehen, dann passieren Sie die Leiterstraße. Zwischen 7:30 Uhr und 9 Uhr können Sie regelmäßig Zeugen eines Schauspieles werden, das darstellt, wie Personalmangel und fehlende Digitalisierung aufeinandertreffen.

(Zustimmung bei der Linken - Eva von Angern, Die Linke: Was ist los? - Eva von Angern, Die Linke, lacht)

In der Leiterstraße befindet sich nämlich das Bürgerbüro Mitte. Wenn Sie dort montags, dienstags oder donnerstags vorbeigehen, sehen Sie eine Schlange von Menschen, 40, 50 und manchmal sogar 60 Leute, die darauf warten, Einlass zu bekommen,

(Rüdiger Erben, SPD: Manchmal reicht die Schlange um den Bogen herum!)

weil sie keinen Termin bekommen. Und manchmal stehen die ganz irre; da haben Sie Recht. Dann kommt man kaum dran vorbei. Darum fällt mir das auch immer auf.

Für manche Dienstleistung kann man nämlich gar keinen Termin beantragen, weil es keine Termine gibt. Die sind gar nicht verfügbar. Wenn Sie z. B. versuchen, sich umzumelden: Es gibt keinen Termin, wenn Sie nach Magdeburg ziehen. Wenn Sie einen Reisepass beantragen wollen, gibt es keinen Termin. Wenn Sie Ihr Auto zulassen wollen, gibt es keinen Termin.

Wie schön wäre es, wenn diese genannten OZG-Leistungen einfach online beantragbar wären. Das sind sie nämlich noch nicht, lieber Herr Pott. Man könnte einfach die Daten hochladen und irgendwann nach ein paar Wochen seine Sachen abholen.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Das wäre wunderbar. Das ist für uns gelungene Digitalisierung.

(Zustimmung bei der Linken)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen auch online anzubieten. Das hat Herr Pott auch gesagt. Allerdings hat Herr Pott vergessen, zu sagen, dass das bis zum Jahr 2022 erfolgen musste. Das haben Bund und Länder leider weit verfehlt.

Die hatten sich verabredet, dass IT-Lösungen vorrangig nach dem Modell „Einer für alle“, kurz EfA, umgesetzt werden sollen.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!)

Das heißt, ein Land entwickelt eine IT-Lösung und alle anderen können das mit nutzen. Laut eines aktuellen Berichtes des Bundesrechnungshofes von Anfang Oktober waren von diesen EfA-Lösungen im Juli 2024 gerade mal 5 % flächendeckend für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar.

Die FDP-Kollegen loben sich nun dafür, dass Sachsen-Anhalt es im OZG-Ranking der Länder von Platz 16, also dem letzten Platz, auf Platz 9 geschafft hat. Wenn man sich jetzt die Website anschaut, also den Dashboard Digitale Verwaltung, dann findet man da tatsächlich einige Daten zu Sachsen-Anhalt. Ich muss aber zugeben, dass ich dieses Ranking nicht gefunden habe.

Ich habe aber - Herr Pott, das haben Sie auch gesagt - das andere Ranking, Bitcom Länderindex, gefunden. Hier werden die Länder in vier Digitalisierungsbereichen verglichen, Wirtschaft, Infrastruktur, Government und Gesellschaft. Sachsen-Anhalt landet bei drei der vier genannten Bereiche auf den hinteren Rängen, nur im Bereich Government im Mittelfeld. Ob das nun ein Grund zum Feiern ist, stelle ich ein wenig infrage.

Schauen wir uns einen anderen Bereich der Digitalisierung an, die IT-Sicherheit. Bis 17. Oktober dieses Jahres hätte das Land eine eigene rechtliche Grundlage zur Umsetzung der EU-Richtlinie NIS2 schaffen müssen. Geregelt werden sollen damit die Bereiche Risikomanagement für Cybersicherheit, sichere Sprach- und Videokommunikation, Notfallsysteme und Krisenmanagement.

Und das ist auch dringend notwendig. Wir erinnern uns an den Cyberangriff auf die Landkreisverwaltung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld oder an den Ausfall des Systems im Krankenhaus in Wittenberg erst vor einigen Tagen. Da sollte man doch denken, das Land ist sehr interessiert daran, für mehr Sicherheit zu sorgen.

Wo andere Länder bereits eigene Gesetze oder zumindest Verwaltungsvorschriften haben, haben wir gar nichts. Zur Begründung der Frage, warum das so ist, heißt es in der Presse: In den Bundesländern im Dataport-Verbund wäre das alles noch ein wenig komplizierter. Und ich dachte immer, wir haben Dataport, damit die Dinge im IT-Bereich für uns einfacher sind.

(Eva von Angern, Die Linke: Was?)

So kann man sich irren.

(Zustimmung bei der Linken)

Nur mal gut, dass uns die Verträge mit Dataport nur 500 Millionen € kosten.

(Hendrik Lange, Die Linke: Vielen Dank!)

Und nun zu Ihrer Digitalisierungsrendite. Meine Fraktionsvorsitzende Eva von Angern hatte nachgefragt, wie das denn nun mit der Digitalisierung eigentlich läuft und welches Personal dafür eingesetzt wird. Konkret wollte sie wissen, wie viele Beauftragte und Mitarbeiterinnen für Digitalisierung, IT-Sicherheit bzw. Datenschutz in den landeseigenen Einrichtungen eigentlich tätig sind? - Die Antwort, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liegt tatsächlich in der Geheimschutzstelle. Wir können das also gar nicht offiziell sagen.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Was an der Antwort auf die Frage, wie viel Personal sie im Digitalisierungsbereich einsetzen, ist eigentlich geheim? Wir wollten einfach nur wissen,

(Guido Kosmehl, FDP: Sicherheit, digitaler Sicherheitsbereich!)

wie viele Stellen Sie zusätzlich geschaffen haben.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP) 

Wir fragen uns: Wie messen Sie denn jetzt Ihre digitale Rendite?

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

- Wissen Sie, Herr Kosmehl, das steht im Organigramm der Ministerien. - So viel zum Thema Sicherheit. Sie müssen bloß mal nachgucken. - Wie messen Sie denn die digitale Rendite? Welche Indikatoren haben Sie dafür entwickelt und wie genau senden Sie denn die Daten aus den Häusern? Mich würde es wirklich sehr interessieren.

(Zustimmung bei der Linken)

Wir haben den Eindruck, dass momentan eher mehr Personal einstellt wurde, um die Digitalisierung durchzuführen, anstatt die Zahl der Stellen zu reduzieren. Oder wie das im liberalen Sprech heißt: eine Rendite daraus zu ziehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich kostet das alles Geld. Das ist uns bewusst. Uns fehlt es halt nur an Transparenz dabei. Entweder die Daten werden als geheim eingestuft oder sie sind so schwer zu verstehen, dass wir gar nicht ganz genau wissen, was wir jetzt eigentlich beschließen und warum wir heute feiern sollen.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus dem Einzelplan 19.

(Guido Kosmehl, FDP: Immer feiern also!)

Wissen Sie, was Oracle Apex bedeutet oder das Verfahren MS-SQL-DB für LLST? Tatsächlich wurden diese Vorgänge erläutert. Aber auch die Erläuterungen bei Einzelplan 19 sind so schwer zu verstehen, dass ich wirklich gar nicht weiß, worum es geht. Die Digitalisierung, von der alle reden, ist offenbar hoch komplex, teuer und schwer umsetzbar. Das ist traurig; denn wir sind alle darauf angewiesen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen die Digitalisierung dringend. Sie würde vieles verbessern, vereinfachen und vielleicht sogar Kosten sparen; drei Fliegen mit einer Klappe. Ich will fairerweise anerkennen, dass die Hausleistung im Digitalisierungsministerium vieles tut, um die Verwaltung weiter zu digitalisieren. Sie kann nichts dafür, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eher wenig in dem Bereich gemacht wurde.

(Zustimmung von Kathrin Tarricone, FDP)

Oder sagen wir: wenig erfolgreich. Wir erinnern uns an die Panne mit den Firewalls an den Schulen. 40 Millionen € sind da reingeflossen, ohne dass die Schulen diese tatsächlich flächendeckend genutzt haben. Offensichtlich gab es hier ein Kommunikationsproblem zwischen dem Bildungs- dem Finanz- und dem Digitalisierungsressort.

Oder wir erinnern uns an die wunderbare Ausschreibung für den Nachfolger für Hamissa. Das ist das Haushaltsprogramm, das die Verwaltung aktuell immer noch nutzt und das optisch und auch von der Nutzbarkeit her eher an die 90er-Jahre erinnert.

(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)

Im Jahr 2026 läuft die Wartung für das Programm aus. Das Land wird aber erst voraussichtlich im Jahr 2029 das neue Programm voll umfänglich nutzen können.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Das heißt: Drei Jahre ohne Wartung; das wird sehr spannend. Interessant ist es in diesem Zusammenhang übrigens auch, wo sich ein Großteil der Digitalisierungsmittel im Haushalt befindet; nicht etwa im Einzelplan 19, also dem Haushalt für Informations- und Kommunikationstechnologie. Nein, im Corona-Sondervermögen.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das ist nicht gesagt!)

Im Sondervermögen stecken jetzt schon 315 Millionen € in nur einer einzigen Digitalisierungsmaßnahme. Und es wird noch verrückter.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Die Landesregierung möchte die Gelder im Corona-Sondervermögen für das Jahr 2025 so umschichten, dass in der Maßnahme „Digitalisierung der Verwaltung“ mit einem Rutsch doppelt so viel Geld drin steckt wie im Einzelplan 19. Das ist doch irre.

Und wissen Sie, was richtig schlimm ist? - Das ist die Quelle, aus der das Geld für die Maßnahmen kommen soll. Es soll nämlich aus den anderen Maßnahmen, z. B. für soziale Einrichtungen und Beratungsstellen,

(Zurufe von Eva von Angern, Die Linke)

Investitionen in Krankenhäuser, Beratungsstellen für Kinder und Frauen, Maßnahmen zur Bewältigung von Lernrückständen und Baumaßnahmen für Schulen kommen. Ich sage das, um nur einige der 35 Maßnahmen zu nennen, aus denen Geld umgeschichtet werden soll, um die Verwaltung zu digitalisieren. Und ehrlich: Das hat doch nichts mehr mit dem Pandemiegeschehen zu tun,

(Zustimmung bei der Linken)

sondern das ist eher ein Verschieben von lange notwendigen Digitalisierungsmaßnahmen in das Sondervermögen. Oder was genau hat die Einrichtung von Standardarbeitsplätzen in der Verwaltung, die die Digitalisierung von Bezügeakten oder den Ersatz von Leitstellentechnik des Notrufes 110 genau mit Corona zu tun? Das hätte ganz genauso auch ohne Corona gemacht werden müssen.

(Eva von Angern, Die Linke: Genau! - Zustimmung bei der Linken)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu feiern gibt es heute nichts, gar nichts. Aber wir haben viel Arbeit vor uns. Und hoffen wir, dass wir irgendwann noch weiter oben stehen im Digitalisierungsranking. - Vielen Dank.