Vizepräsident Wulf Gallert:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir nunmehr zu dem Tagesordnungspunkt 16 kommen, noch eine nachträgliche Bemerkung zu der gestrigen Debatte unter dem Tagesordnungspunkt 18, zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Thema Schwangerschaftsabbruch. Ich habe inzwischen das Protokoll zu dieser Debatte bekommen. Ich werde Ihnen jetzt einen kurzen Abschnitt vorlesen und danach einen Ordnungsruf erteilen. Und zwar ging es um die Rede von Eva von Angern. Sie sagte:

„Ich will es noch einmal deutlich sagen: Eine Abtreibungsklinik ist keine Schönheitsklinik. Das, was hier insbesondere die AfD wieder gezeigt hat, zeigt einfach nur, welches frauenfeindliche Menschenbild Sie haben.“ 

Dann vermerkt das Protokoll:

„(Beifall bei der Linken - Nadine Koppehel, AfD: So ein Blödsinn! Ihr ermordet Kinder!)“.

Dafür erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf. Dies verletzt die Würde des Parlaments. 

(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD - Ulrich Siegmund, AfD: Politischer geht’s gar nicht!)

Nunmehr kommen wir zu dem 


Tagesordnungspunkt 16

Beratung

Transparenz für eine starke Demokratie

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4668

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/4716


Einbringerin für die Fraktion Die Linke ist die Abg. Frau Heiß. - Frau Heiß, Sie haben das Wort. 

(Beifall bei der Linken)


Kristin Heiß (Die Linke): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Parlament steht unter Beobachtung. Wir werden von Kameras gefilmt, Journalisten schauen uns zu, Bürger sind hier, um unsere Debatten zu verfolgen. Vereine, Firmen, Gewerkschaften, Kita-Träger und Krankenkassen schauen sich ganz genau an, welche Gesetze wir hier verabschieden und wie wir sie begründen. Wissenschaftler analysieren, wie Fraktionen arbeiten, und Studenten befragen uns für ihre Abschlussarbeiten. 

Wir stehen ständig im Fokus der Öffentlichkeit. Daher ist es wichtig, dass unsere Arbeit möglichst verständlich und transparent ist und dass das, was wir hier machen, für die Menschen nachvollziehbar und verfolgbar ist. Dazu gehören die öffentlich tagenden Ausschüsse, die Parlamentsdokumentation, in der Anträge und Kleine Anfragen einsehbar sind, und dazu gehören das Lobbyregister des Landtages und Regelungen zu Nebenverdiensten von Abgeordneten. 

Einige dieser Dinge werden regelmäßig in einem Ranking zusammengefasst. Erst Ende August veröffentlichte Transparency International ein Lobbyranking aller Bundesländer und des Bundes. - Ich glaube, die Uhr funktioniert nicht. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Wir haben ein technisches Problem. Ich stoppe zehn Minuten. 


Kristin Heiß (Die Linke):

Danke. - Nachdem wir bei dem Ranking im Jahr 2021 noch einen Platz im Mittelfeld ergattern konnten, sind wir nun deutlich nach unten gerutscht und stehen auf dem vorletzten Platz. Woran liegt das? - Andere Länder sind schlichtweg an uns vorbeigezogen. Sie haben gesetzliche Regelungen geschaffen, die deutlich wirksamer und damit transparenter sind als unsere. Dazu gehören die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen, die nun alle eine Karenzzeit für Ministerinnen und Minister haben; übrigens alle von der CDU bzw. der CSU regiert. Neun der 16 Bundesländer haben bei den Verhaltensregeln nachgebessert. Beim legislativen Fußabdruck ist unser Nachbarland Thüringen Spitzenreiter. 

(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)

Nur in Sachsen-Anhalt hat sich seit 2021 am Score nichts geändert. Unsere Verhaltensregeln sind gerade so über dem Durchschnitt und bei der Karenzzeit und dem legislativen Fußabdruck haben wir noch immer null Punkte.

(Zustimmung von Kerstin Eisenreich, Die Linke)

Um den Stillstand zu beenden und den Menschen in unserem Land die Möglichkeit zu geben, zu partizipieren und Prozesse nachvollziehen, haben wir diesen Antrag eingereicht. Sie haben den von uns im Jahr 2021 zu diesem Thema gestellten Antrag damals leider abgelehnt. Heute bekommen Sie die Möglichkeit, es besser zu machen.

Beginnen wir mit dem Lobbyregister. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sei doch total super und ausreichend und funktioniere gut. Immerhin 464 Eintragungen wurden bereits getätigt und mussten auch getätigt werden, da eine Eintragung verpflichtend ist. Diese Zahl findet sich auch im Änderungsantrag der Koalition, der uns seit gestern vorliegt. 

Wir haben schon im Jahr 2021 festgestellt, dass einige Lobbyisten, die wir bei Gesetzesvorhaben angehört haben, nicht im Lobbyregister standen. Leider hat sich daran wenig geändert. Das Lobbyregister ist unvollständig und lückenhaft.

Wir haben in einer Recherche alle Anhörungen seit dem 1. März 2023 geprüft, also über einen Zeitraum von anderthalb Jahren. An dieser Stelle haben Sie, verehrte Koalition, für Ihren Änderungsantrag offenbar aufgehört zu recherchiert; dabei wird es gerade an dieser Stelle besonders spannend. Anhörungen haben wir z. B. durchgeführt zum Vierten und Fünften Gesetz zur Änderung der Bauordnung, zu einem Antrag zur reproduktiven Selbstbestimmung, zu einem Gesetzentwurf zum Krebsregister oder auch zum Radverkehr in Sachsen-Anhalt - um nur einige Beispiele zu nennen. 

Zu diesen Entwürfen und Anträgen wurden diverse Lobbyvertreter angehört, darunter Krankenkassen, ärztliche Vereinigungen, Kammern, Berufs- und Sozialverbände. Insgesamt wurden von den seit März 2023 Angehörten 50 nicht in das Lobbyregister eingetragen, obwohl sie von uns angehört wurden. Daher appellieren wir an Sie alle und an die Ausschussvorsitzenden: Bitte achten Sie darauf, dass die Anzuhörenden im Register stehen. Es müssen gleiche Rechte für alle gelten. 

(Beifall bei der Linken)

Wir sind sehr dankbar dafür, dass Externe sich zu unseren Vorhaben äußern. Wir wissen, dass es viel Zeit und Kraft kostet, die Gesetzentwürfe zu bearbeiten, sich eine Meinung dazu zu bilden und sich schriftlich oder mündlich an uns zu wenden. Wir lernen aus ihren Äußerungen und finden sie sehr hilfreich. Auch die Menschen außerhalb des Plenums sind nicht nur daran interessiert, welcher Verband sich eingebracht hat, sondern auch wofür und weshalb er sich einbringt. Daher müssen wir nachsteuern und diese Informationen aufnehmen. 

Ebenso wichtig ist es, den Fußabdruck von Lobbyisten sichtbar zu machen. Nicht immer ist der Gesetzgebungsprozess frei von möglichen Einflussquellen von außen. Daher ist es naheliegend und bei Gesetzgebungsverfahren besonders wichtig, die Inhalte und Stellen, auf die Einfluss genommen wurde, kenntlich zu machen. Damit können wir die externe Mitwirkung für alle sichtbar machen, auch und insbesondere für uns Parlamentarierinnen. Gerade wenn in folgenden Wahlperioden neue Kolleginnen und Kollegen ins Plenum kommen, kann eine Nachvollziehbarkeit sehr hilfreich sein.

Mehr Transparenz und eine eindeutige Regelung braucht es auch nach wie vor bei dem Thema Karenzzeiten. Während bereits zwölf von 16 Bundesländern eine solche Regelung etabliert haben, ist bei uns nach wie vor nichts passiert. Eines der großen, hohlen Argumente ist, dass eine solche Regelung die Arbeitsmobilität des ausscheidenden Ministers einschränken würde. Ich nehme an, wir hören das auch gleich noch einmal. Wir haben uns daher schlaugemacht und sind dabei auf eine schriftliche Stellungnahme des Direktors des Instituts für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie der Universität Heidelberg, Herr Prof. Dr. Bernd Grzeszick, gestoßen. 

(Marco Tullner, CDU: Wie heißt der?)

- Bernd Grzeszick, lieber Herr Kollege Tullner. - Darin heißt es: 

„Die Mobilität von Arbeitskräften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor ist wichtig für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft und kann für beide Sektoren von großem Nutzen sein.“ 

Das finden wir übrigens auch. Aber, so der Verfassungsrechtler weiter:

„Sie birgt jedoch möglicherweise das Risiko, dass ehemalige Amtsträger Informationen, in deren Besitz sie aufgrund ihrer früheren Funktionen gelangt sind, weitergeben, die nicht weitergegeben werden sollten, und […] die in Bezug auf ihre früheren Arbeitgeber zu Interessenkonflikten führen.“ 

Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Interessenkonflikt geht es nicht darum, einem ehemaligen Minister zu verbieten, seine eigene Kanzlei aufzumachen. Es geht lediglich darum, die Interessen des Landes und die ausscheidenden Minister vor sich selbst zu bewahren, nicht weil sie mutwillig etwas ausplaudern, sondern weil wir eben alle nur menschlich sind und somit auch fehlbar. 

Mit dem Antrag wird nicht nur mehr Klarheit, Ehrlichkeit, schlichtweg Transparenz geschaffen, sondern auch mehr Gerechtigkeit für alle Beamtinnen und Beamten. In § 81 des Beamtengesetzes ist geregelt, dass jede Beamtin und jeder Beamte verpflichtet ist, während der ersten fünf Jahre nach Beendigung des Beamtenverhältnisses seine Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung anzuzeigen. Fünf Jahre!

(Guido Kosmehl, FDP: Nur anzuzeigen!)

Ich denke, vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die entsprechenden Regelungen des Bundes und anderer Bundesländer ist die Forderung von 24 Monaten mehr als angemessen. 

(Beifall bei der Linken)

Um fair und objektiv entscheiden zu können, ob ein Interessenkonflikt bei einem Wechsel von einem politischen Amt in die Privatwirtschaft besteht, soll ein unabhängiges Gremium eingesetzt werden. Als Mitglieder könnten wir uns NGOs, wie Lobbycontrol, Gewerkschaften und Personalvertretungen und Vertreterinnen aus der Wissenschaft vorstellen. 

Zum Schluss zu den Nebeneinkünften von Abgeordneten. Die Maskenskandale und die Aserbaidschan-Affäre, beide in der Union, beide auf Landes- und Bundesebene, haben erneut deutlich gemacht, dass es ohne eine konsequente Offenlegung aller Nebeneinkünfte nicht mehr geht. 

Auch bei Berater- und Rechtsanwaltstätigkeiten sollte veröffentlicht werden, in welchen Branchen die Kunden tätig sind. Es ist elementar für das Vertrauen der Menschen in die Politiker, dass es keinen Interessenkonflikt mit dem Abgeordnetenmandat gibt. Das ist wichtig, um das Vertrauen in die Politik, das in den vergangenen Jahren stark gesunken ist, wiederzugewinnen. Sicherlich hat niemand von uns etwas zu verbergen, daher wäre eine Umsetzung dieser Regelung wohl kein Problem. 

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist aber ein merkwürdiges Bild!) 

Das gilt auch für die betragsgenaue Nennung von Nebeneinkünften ab dem ersten Euro. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, konkret und transparent Nebeneinkünfte anzugeben, egal ob aus Erwerbstätigkeit oder aus einer Gremientätigkeit. 

Fest steht, dass dem von uns vorgelegten Antrag zur Transparenz und zur Regelung einer Karenzzeit weder sachlich noch rechtlich etwas entgegensteht. Lassen Sie uns transparenter werden, lassen Sie uns Vertrauen zurückgewinnen. - Vielen Dank.