Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Polizeivollzugsbeamtinnen haben heute schon eine Menge zu tragen. Nicht jede vermeintliche Lücke an der Uniform ist überhaupt vorhanden. Nicht jede Lücke am Gürtel muss oder sollte noch geschlossen werden. Würden Sie eine solche Ausrüstung über eine gesamte, oft auch überlange Schicht tragen, dann würden Sie verstehen, dass wir möglicherweise eher über Entlastungen sprechen sollten - 

(Zuruf von der AfD) 

Frau Innenministerin hat das Gewicht von 7,5 kg plus 12 kg schon erwähnt  , um eben die Beweglichkeit und Schnelligkeit der Kolleg*innen zu unterstützen, und zwar ganz egal, ob im Streifenwagen, zu Fuß oder auf dem Fahrrad.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Damit sie schneller rennen können! - Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

In dem gemeinsamen Anliegen der demokratischen Fraktionen, Polizeiarbeit besser zu machen, müssen wir aus der Logik der Aufrüstung ausbrechen. Ein robuster, gewalttätiger Einsatz ist in vielen Fällen eben nicht effektiver. Deeskalation prägt das Einsatzverhalten unserer Beamtinnen und Beamten. Das können wir an vielen Stellen jeden Tag erleben. 

Als GRÜNE sind wir im Innenausschuss der Frage nachgegangen, wie wir Todesschüsse und Verletzungen bei Einsätzen unter Beteiligung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in psychischen Ausnahmesituationen vermeiden können. 

Einen Tod wie den von Mouhamed D. wollen wir hierzulande verhindern. 

(Felix Zietmann, AfD: Wer?)

Polizeibeamte in Dortmund erschossen ihn vor zwei Jahren mit einer Maschinenpistole, nachdem sie wegen eines Notrufs aufgrund seiner akuten Suizidgefahr zu dem 16-Jährigen gerufen worden waren. Eine mögliche strafrechtliche Schuld der Beamt*innen wird gerade in einem Strafverfahren geklärt. 

Uns geht es um die Frage, wie Polizei in Einsätzen mit psychisch erkrankten Personen und mit Personen in akuten psychischen Krisen umgeht, welche Methoden und strukturellen Bedingungen es braucht, um die Eskalation solcher Einsätze zu verhindern. Leider, Herr Kosmehl, hat der Innenausschuss ein Fachgespräch zu diesem Thema abgelehnt. Ich sehe die Auseinandersetzung mit der polizeitaktischen Herangehensweise jedoch als den zentralen Zugang zu Situationen an, für die hier die Einführung von Tasern auch von Ihnen gefordert wird. 

In Deutschland haben wir noch keine ausgeprägte Polizeiforschung. Daher ist es wichtig, auch auf internationale Erfahrungen zurückzugreifen. Gerade in Großbritannien zeigt sich, dass in fast der Hälfte der Fälle, in denen Taser durch die Polizei eingesetzt wurden, Menschen mit psychischen Erkrankungen betroffen waren. Bisherige Erfahrungen in Deutschland und in den USA zeigen auch, dass für Personen in psychischen Krisen und mit Sucht- und Herzerkrankungen eine erhöhte Gefahr besteht, durch einen Elektroschock zu sterben, und das, obwohl der Einsatz von Tasern nachgewiesenermaßen keine deeskalierende Wirkung bei Menschen mit psychischen Störungen hat. 

(Guido Kosmehl, FDP: Da sagt die Landesregierung Rheinland-Pfalz etwas anderes! Dort regieren Sie mit!)

Wir sind uns doch einig: Jeder Schuss, den Polizeibeamte nicht abgeben müssen, ist gut, und zwar sowohl für die Beamten selbst als auch für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Taser helfen nicht. Sie helfen auch dann nicht, wenn man sich als Partei, wie die SPD, den Parteitag von einem Taserhersteller sponsern lässt. 

(Oh! bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: So weit sind wir noch nicht gegangen! - Zurufe von der AfD) 

Herr Kollege Erben, manchmal ist es eben nicht die bessere Erfahrung, sondern manchmal haben wir es offenbar mit der Situation zu tun, dass auch ein solches Sponsoring hilft. Das finde ich schwierig. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die rechtlichen und auch die polizeitaktischen und praktischen Fragen zum Einsatz von Tasern sind nicht trivial. Wir haben das hier kurz angetippt gesehen. Die Hürde für den Einsatz des Tasers liegt so hoch wie die für den Einsatz der Schusswaffe. Gerade im Hinblick auf den Grundsatz der Wahl des mildesten Mittels kann es in konkreten Einsatzmomenten zu rechtlichen Unsicherheiten kommen. Dies bedarf einer konkreten und rechtssicheren Ausgestaltung.

Zumindest wäre - ich sprach das bereits in meiner Frage an - eine Verbindung des Tasers mit der Aktivierung der Bodycam notwendig.

Der Taser hält nicht, was er verspricht. Er birgt zu große Risiken für Menschen mit psychischen Erkrankungen, für Menschen unter Drogeneinfluss und mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er hat bei den beiden erstgenannten Gruppen auch keinerlei deeskalative Wirkung. 

(Zuruf von der AfD: Also gleich schießen!)

In Notwehrsituationen, die dynamisch sind, eignet sich der Taser aufgrund der unsicheren Trefferquote nicht zur sicheren Gefahrenabwehr. Diese Feststellungen lassen befürchten, dass es zu mehr Einsätzen auch in anderen Bereichen kommen könnte. Wir GRÜNE lehnen die Einführung des Tasers für den Streifendienst der Polizei ab. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Beim SEK macht das Sinn; für diesen Bereich haben wir die Einführung auch befürwortet. Aber für den Streifendienst macht das keinen Sinn. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Herr Striegel, Herr Kosmehl hat es vorgezogen, auch an Sie eine Frage zu stellen. 


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Sehr gern, Herr Präsident. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Das kann ich mir vorstellen. 


Guido Kosmehl (FDP):

Herr Striegel, ich gehe davon aus, dass sich Ihre Ablehnung auf die GRÜNEN in Sachsen-Anhalt bezieht. Denn die Ampelkoalition in Berlin hat, wie Sie wissen, mit ihrem Gesetzespaket gerade auch die Ausstattung der Bundespolizei mit Tasern durch den Deutschen Bundestag gebracht. Auch in Rheinland-Pfalz sind die Erfolge einer Ampelregierung durchaus nachvollziehbar, gerade auch bei der Frage der Abschreckung. Deshalb würde ich sicherheitshalber fragen: Ihre Ablehnung bezieht sich nur auf Sachsen-Anhalt und Sie persönlich und andere Entscheidungen würden Sie den Kollegen anderorts überlassen?


Sebastian Striegel (GRÜNE): 

Die Verfassungsprinzipien gelten, Herr Kollege Kosmehl. Ich bin für diesen Landtag gewählt worden; andere sind für andere Landtage gewählt worden. Insofern spreche ich für meine Fraktion hier.

(Christian Hecht, AfD: Zum Glück bald nicht mehr!) 

Ich spreche für meinen Landesverband und weiß mich dabei im Übrigen auch einig mit vielen anderen grünen Innenpolitikerinnen und Innenpolitikern im Bund und in den Ländern.

(Guido Kosmehl, FDP: Im Bund nicht!) 

Sie wissen sehr genau, dass das Sicherheitspaket der Ampel an einigen Stellen auch umstritten war. Auch Ihre Partei hat, glaube ich, an der einen oder anderen Stelle Schwierigkeiten damit gehabt. Aber ganz klar ist: Ich spreche hier für die GRÜNEN in Sachsen-Anhalt, und das aus meiner fachlichen Überzeugung heraus.

(Andreas Schumann, CDU: Wenn man gewählt wäre, wäre das schön, ja! Das war die Liste! Nichts weiter als die Liste! - Zurufe von der AfD) 

Ich will, dass Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt und dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Sachsen-Anhalt sicher sein können. Dafür kämpfe ich jeden Tag. 

(Beifall bei den GRÜNEN)