Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das geltende Recht, nach dem Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich strafbar sind, wurde nach intensiven Beratungen und insbesondere nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch im Jahr 1993 beschlossen. Nach dem Urteil verpflichtet das Grundgesetz den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Ausgehend von der im Grundgesetz verankerten zentralen Verpflichtung des Staates, die Menschenwürde zu achten und zu schützen, ist der Gesetzgeber gehalten, sich schützend und fordernd vor das ungeborene menschliche Leben zu stellen. Die Aufgabe, Art und Umfang dieses Schutzes angemessen und wirksam zu regeln, erfordert auch strafrechtliche Regelungen. 

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch zugleich festgestellt, dass das Grundgesetz ein Schutzkonzept zulässt, nach dem in der Frühphase der Schwangerschaft der Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens mit der Mutter und nicht gegen sie erreicht werden soll. Daran anknüpfend hat es ein dem Schutzauftrag entsprechendes Beratungskonzept für die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft als zulässig angesehen. Dem tragen im geltenden Regelungsgefüge die §§ 218 ff. StGB, insbesondere § 218a StGB, Rechnung. Dieser bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Schwangerschaftsabbruch für die Schwangere straflos bleibt. 

Die im Antrag geforderte vollständige Streichung des § 218 StGB würde dem ungeborenen Leben den verfassungsrechtlichen Schutz entziehen. Der Antrag betont recht einseitig die Rechte der Frauen. Zum Schutz des ungeborenen Lebens lese ich in Ihrem Antrag leider kein Wort.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Streichung, wie es der Antrag ebenfalls fordert, durch Regelungen außerhalb des Strafgesetzbuches auszugleichen, wirft äußerst anspruchsvolle gesellschaftspolitische, rechtliche sowie ethisch höchst sensible und zum Teil natürlich auch persönliche Fragen auf. Bezeichnenderweise enthält der Antrag an dieser Stelle überhaupt keinen eigenen konkreten Regelungsvorschlag.

(Zuruf von der Linken)

Eine mit 18 ehrenamtlichen Expertinnen und Experten besetzte Kommission unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich rund ein Jahr lang mit zahlreichen Fragen der reproduktiven Selbstbestimmung und der Fortpflanzungsmedizin beschäftigt und am 15. April 2024 ihren Abschlussbericht mit Empfehlungen vorgelegt.

Anlässlich der Übergabe hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Abschlussbericht als „gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs“ bezeichnet.

(Zuruf)

- Das war ein Zitat. - Insbesondere vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Debatten zu Fragen der reproduktiven Selbstbestimmung hat auch das Bundesministerium für Gesundheit die Notwendigkeit eines breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsenses betont.

Ungeachtet dessen leitet der heute zur Debatte stehende Antrag aus den Empfehlungen des Berichts bereits heute gesetzgeberischen Handlungsbedarf ab. Der Bundesregierung ist allerdings darin zuzustimmen, dass sich die Regelungsmaterie aufgrund ihrer fachübergreifenden und gesellschaftlichen Relevanz übereilten Reaktionen nicht zugänglich ist. Die Bundesregierung hat zugesagt, den Bericht gründlich auszuwerten und dabei insbesondere die verfassungs- und völkerrechtlichen Argumente sorgfältig zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung wird die Bundesregierung Konsequenzen und mögliche Änderungsvorschläge zu bewerten haben. Damit wird berücksichtigt, dass die Initiative zur Beauftragung der Kommission auch von der Bundesregierung ausgegangen ist und diese unisono unverzüglich ihr Interesse an einer umfassenden Bewertung der Empfehlungen bekundet hat. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer dahin gehenden Initiative des Bundesrates jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht.   Vielen Dank.