Tagesordnungspunkt 4
Erste Beratung
Aktionsplan Waldrettung - den Wald wieder zum Klimaschützer machen
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4690
Die Einbringung erfolgt durch das Mitglied der Fraktion Die Linke Frau Eisenreich. - Frau Eisenreich, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
(Beifall bei der Linken)
Kerstin Eisenreich (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wald spielt eine entscheidende und vielfältige Rolle in unserem Leben. Darüber sind sich hier wohl alle einig. Trotzdem sollten wir uns dies immer wieder verdeutlichen. Er ist wichtiger Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tierarten und sorgt für biologische Vielfalt. Er schützt den Boden vor Erosion, filtert Luft und Wasser, speichert Wasser und sorgt für die Grundwasserneubildung. Er produziert Sauerstoff, speichert Kohlenstoff in der Biomasse und im Waldboden, schafft günstige mikroklimatische Bedingungen durch hohe Luftfeuchte und geringe Sonneneinstrahlung. Er reduziert Lärm. Erholungssuchende finden im Wald Ruhe und Entspannung. Er liefert uns Wildfleisch, Pilze und Beeren.
(Eva von Angern, Die Linke: Und die sind lecker!)
Der Wald prägt und gestaltet das Landschaftsbild und bewahrt auch historische Kulturzeugnisse. Er spielt natürlich auch in unserem kulturellen Gedächtnis eine große Rolle. Nicht zuletzt ist er ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, vor allem mit dem vielseitig einsetzbaren nachwachsenden Rohstoff Holz. Damit ist er gleichzeitig Arbeitsplatz für Försterinnen und Förster, Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter und viele andere.
Doch der Wald leidet bundesweit und so auch in Sachsen-Anhalt. Der Befund ist nicht neu. Wir diskutieren darüber hier im Hohen Haus spätestens seit dem Zeitpunkt, als das Orkantief Friederike im Jahr 2018 über das Land fegte und verheerende Spuren in unseren Wäldern hinterließ, sowie seit der darauf folgenden Dürreperiode.
Trotzdem haben die kürzlich getroffenen Aussagen zu den Ergebnissen der vierten Bundeswaldinventur aufgeschreckt. Der Wald könne uns derzeit nicht mehr in dem gewohnten Maße bei der Erreichung der Klimaziele helfen, so Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir. Die hohen Baumverluste und der geringere Zuwachs von Bäumen durch die Auswirkungen der Klimakrise haben zu einem Rückgang des Kohlenstoffvorrates geführt. Er kann also seine für uns so wichtige Klimaschutzfunktion nicht mehr umfassend erfüllen.
Meine Damen und Herren! Die Fakten dazu liegen doch längst auf dem Tisch. So konstatiert der Waldzustandsbericht 2023 für Sachsen-Anhalt, dass die mittlere Kronenverlichtung über alle Baumarten und Baumaltersgruppen hinweg mit 26 % über dem langjährigen Durchschnitt von 19 % liege. Aber auch der hohe Anteil stark geschädigter und absterbender Bäume zeigt, dass der Wald in einem alarmierenden Zustand ist.
(Beifall bei der Linken)
In allen Bereichen sticht insbesondere die Fichte hervor. Laut Bundeswaldinventur hat Sachsen-Anhalt in den letzten zehn Jahren drei Viertel seines Fichtenbestandes verloren. Leider ist Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland, das in den vergangenen zehn Jahren 12 000 ha Waldfläche verloren hat, während in Deutschland insgesamt die Waldfläche um rund 15 000 ha zugenommen hat.
(Christian Hecht, AfD: Na bitte! Nettozuwachs!)
Auch wenn im Waldzustandsbericht für Sachsen-Anhalt kleine positive Anzeichen bei bestimmten Baumarten zu sehen sind, so bleibt das Gesamtbild für unsere Wälder weiterhin dramatisch und mit den vielen kahlgefallenen Flächen, insbesondere im Harz, natürlich auch weithin sichtbar. Das führt z. B. dazu, dass an 37 Punkten für die Waldzustandserhebung derzeit gar keine Erhebungen mehr stattfinden können. Der Wold
(Eva von Angern, Die Linke: Das war Freud! - Wolfgang Aldag, GRÜNE, lacht)
- Ich fange noch einmal an. - Der Wald kann damit unter anderem seine wichtige Schwammfunktion nicht mehr vollumfänglich erfüllen. Das mussten die Menschen beim Winterhochwasser im Südharz leidvoll erleben. Denn alle Fachleute sind sich hierin einig: Mit einem funktionierenden Waldbestand im Harz wäre dieses Hochwasser wesentlich glimpflicher abgelaufen.
(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)
Der Wald ist Arbeitsplatz für viele Menschen - das sagte ich schon, aber vielleicht ist es hier noch einmal hervorzuheben , die sich tagtäglich aufopferungsvoll um den Fortbestand unserer Wälder, ihren Umbau hin zu klimastabilen Wäldern einsetzen. Wie muss eigentlich jemandem zumute sein, wenn er angesichts riesiger kahler Flächen in seinem Betreuungsbereich quasi vor dem Nichts steht? Ob Förster, Waldarbeiter oder andere Beschäftigte in der Forstwirtschaft, im Landesforstbetrieb oder im Landeszentrum Wald - ihnen gilt an dieser Stelle ausdrücklich unser Dank für ihre Arbeit.
(Beifall bei der Linken - Zustimmung von Elrid Pasbrig, SPD, und von Dorothea Frederking, GRÜNE)
Ihre Arbeit, das heißt der naturgemäße Waldumbau und damit die Wiederherstellung der Klimaschutzfunktion, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Denn sie erleben die Früchte ihrer Arbeit möglicherweise nicht mehr selbst, aber sie übernehmen Verantwortung für unser aller Gemeinwohl und vor allem auch das künftiger Generationen. Auch dafür gilt ihnen unser allerhöchster Respekt und Dank.
(Beifall bei der Linken)
Doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, vom Dank allein können die Beschäftigten nicht leben. Wenn wir aber gewillt sind, gut ausgebildetes und hochqualifiziertes Fachpersonal zu halten bzw. für die Besetzung bisher unbesetzter Stellen zu gewinnen, dann müssen wir attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Gute Bezahlung, attraktive Angebote der Weiterbildung oder auch ein betriebliches Gesundheitsmanagement im Landesforstbetrieb und im Landeszentrum Wald sind dabei das Minimum und ein Zeichen der Wertschätzung.
Meine Fraktion ist aber auch der Auffassung, dass es als Gesellschaft und Politik unsere Pflicht ist, die Arbeit der Beschäftigten mit langfristigen zuverlässigen Rahmenbedingungen zu unterstützen. Wir nehmen Sie, Herr Minister Schulze, beim Wort, wenn Sie im Vorwort zu dem Waldzustandsbericht 2023 sagen, dass hierbei ein gemeinsames Handeln erforderlich sei.
Breit angelegte und öffentlichkeitswirksame Pflanzaktionen, wie auch kürzlich wieder in der Harzregion, sind ungeheuer wichtig, um die Menschen für die Problematik zu sensibilisieren und sie einzubeziehen. Sie ersetzen jedoch auf keinen Fall eine langfristige Strategie. Deshalb schlagen wir vor, mit einem Aktionsplan Waldrettung z. B. über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren Wiederaufforstung, Waldumbau und Pflegemaßnahmen systematisch zu fördern
(Lothar Waehler, AfD: Ganz toller Plan! Ganz toll!)
und dies auch langfristig finanziell sicherzustellen. Denn klares Ziel muss es dabei sein, unsere Wälder klimastabil und biologisch vielfältig zu entwickeln und sie so zukunftssicherer zu machen.
(Beifall bei der Linken - Lothar Waehler, AfD: Meine Fresse!)
Dabei lohnt es sich im Übrigen auch, einmal über die Landesgrenzen zu schauen, z. B. nach Thüringen. Diese Vorhaben setzen natürlich auch voraus, dass Forschung und Wissenschaft noch viel intensiver mit der forstlichen Praxis zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit muss unbedingt auch gefördert und erleichtert werden. Denn letztlich wissen wir alle nicht so richtig, wie sich Klima- und Standortbedingungen entwickeln.
Es ist schwierig, das vorherzusagen. Und wir werden an dieser Stelle möglicherweise auch Fehlversuche akzeptieren müssen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit, der mitunter den systematischen Waldumbau begrenzt bzw. Hindernisse aufzeigt, ist die Eigentümervielfalt und die Kleinteiligkeit im privaten Waldbesitz. Immerhin gibt es in Sachsen-Anhalt, um einmal Zahlen zu nennen, 51 000 private Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, die durchschnittlich 6 ha Wald besitzen.
(Eva von Angern, Die Linke: Was!)
Der Aufwand, der mit der Beantragung von Fördermittel verbunden ist, ist für Besitzer von Kleinstwaldflächen natürlich immens groß. Manchmal schreckt auch mangelnde Liquidität den einen oder anderen ab. Deshalb ist der Umbau zu einer effektiven und nachhaltigen Forstverwaltung in Sachsen-Anhalt weiter voranzutreiben.
Wir schlagen deshalb außerdem vor zu prüfen, aus dem für die privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer zuständigen Landeszentrum Wald heraus eine Funktionseinheit „Aufforstungszentrum“ einzurichten. Diese soll sich um Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufforstung und alle weiteren damit verbundenen Maßnahmen kümmern.
Wie das in die Praxis umgesetzt werden kann, hat übrigens die Forstbetriebsgemeinschaft Ostharz bereits ausgearbeitet. So könnten nämlich einerseits Landesziele beim Waldumbau besser umgesetzt und z. B. langfristige Großverträge für Pflanzgutlieferungen abgeschlossen werden. Andererseits könnte die kleinteilige Fördermittelbeantragung zurückgefahren werden und damit eigentlich entfallen.
Darüber hinaus sind schon heute sehr viele Engagierte in Initiativen und Pilotprojekten tätig, die Ideen und Konzepte zum naturgemäßen Waldumbau und natürlicher Wiederbewaldung haben. Diese stehen oft vor sehr hohen bürokratischen Hürden, wenn es um die Umsetzung ihrer Ideen geht. Deshalb, so finden wir, benötigen sie eine möglichst unbürokratische Unterstützung. Das bietet vor allem auch innovativen Ansätzen, auf die wir in allen Bereichen im Land so viel Wert legen, eine große Chance.
Nun ein Wort zum Kohlenstoffvorrat. Dass der Kohlenstoffvorrat laut vierter Bundeswaldinventur zurückgegangen ist, hat auch damit zu tun, dass den Wäldern Holz entnommen wird. Das ist überhaupt nichts Ungewöhnliches, weil Holz als Rohstoff schon immer wichtig war. Allerdings stellt sich die Frage, was mit dem Holz, das entnommen wird, angestellt wird.
Unser Ziel muss es sein, den im Holz gespeicherten Kohlenstoff möglichst dauerhaft zu konservieren und wenig durch Verbrennungen wieder als CO2 freizusetzen. Diesbezüglich sollten wir mehr auf modernen Holzbau und andere Holzprodukte sowie Holzeinlagerung setzen. Dies konserviert einerseits den Kohlenstoff, da das CO2 im Holz gebunden ist, und es spart andererseits zusätzliche CO2-Emissionen, weil durch das Holz andere Erzeugnisse, wie Beton, Stahl usw., ersetzt werden können.
(Beifall bei der Linken)
Doch selbst, wenn wir all das umsetzen, sind wir verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Folgen der erheblichen Klimaveränderungen abzumildern. Denn wer dies unterlässt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird zum Totengräber unserer Wälder.
Unser Wald muss sich dem veränderten Klima anpassen, wenn er für uns das bleiben soll, was er ist: Lebensraum, Erholungsraum, wirtschaftlicher Nutzraum. Das bedeutet auch, dass er sich verändern wird. Monokulturen, wie sie in der Vergangenheit aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus angepflanzt wurden, müssen künftig tabu sein.
(Beifall bei der Linken)
Der Mensch braucht den Wald, um zu überleben und der Wald braucht uns jetzt, um selbst überleben zu können. Sorgen wir also gemeinsam dafür, dass der Wald wieder zum Klimaschützer wird und unterstützen wir deshalb mit langfristig gesicherten Rahmenbedingungen alle, die für dieses Ziel arbeiten. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Eisenreich, es gibt eine Intervention von Herrn Lizureck. - Herr Lizureck, Sie haben das Wort. - Bitte sehr.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Sie geben vor, den Wald zu schützen, aber Ihr politisches Handeln passt nicht zu dem, was Sie vorgetragen haben. Ich gebe zu bedenken, dass Sie dem Beschluss, Windkrafträder in Wäldern aufzustellen, zugestimmt haben. Kein Beschluss hat die Wälder jemals so geschädigt wie dieser.
Durch Windkrafträder werden Böden ausgetrocknet und die Struktur des Waldes, also Biotope, wird zerstört. Wenn Sie sich mit Jägern unterhalten, dann sagen Sie Ihnen, dass es dort, wo Windkrafträder stehen, keine Tiere mehr gibt.
(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Mein Gott!)
Warum wohl? - Dies liegt am sogenannten Infraschall. Tiere nehmen Laute und Schwingungen viel, viel stärker wahr, als es Menschen tun. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
(Kathrin Tarricone, FDP: Dazu gab es eine Studie!)
- Sie und Ihre Studien - alles klar. Sie haben sich mit Jägern unterhalten, die aus der Praxis kommen? - Na, alles klar.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Lizureck, das war eine Intervention auf die Rede von Frau Eisenreich. Diese ist jetzt beendet und wir kommen zur Debatte.