Tagesordnungspunkt 24

Beratung

Einstellstopp verhindern: Personalentwicklung fördern - Organisation effizient gestalten

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4578

Alternativantrag Fraktion AfD - Drs. 8/4618


Die Einbringerin ist Frau Heiß. - Bitte sehr.

(Beifall bei der Linken)

Sie haben das Wort.


Kristin Heiß (Die Linke):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Am Dienstag stellten der Ministerpräsident und der Herr Finanzminister gemeinsam in der Landespressekonferenz den Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2025 und 2026 vor. 

Ein Teil dieses Kabinettsbeschlusses ist ein sogenannter Nachbesetzungsstopp von 24 Monaten. Dieser sei notwendig, weil ansonsten nicht genug Geld da wäre, um alle Ausgabenwünsche der Ministerien zu erfüllen. Einsparen möchte man mit dieser und mit weiteren Personalmaßnahmen insgesamt 580 Millionen €. 

Ein Nachbesetzungsstopp bedeutet, dass die Stellen, die zum bis 31. Dezember 2024 nicht besetzt sind, und die, die in den Jahren 2025 und 2026 freiwerden, nicht nachbesetzt werden dürfen. Erst nach dem Inkrafttreten des Haushaltes für das Jahr 2027 darf in der Verwaltung wiedereingestellt werden. Vom Einstellungsstopp ausgenommen sind Lehrer, Polizisten Auszubildende und Anwärter. Betroffen ist also vorrangig die Kernverwaltung. Das sind also die Bediensteten in den Ministerien und in den Behörden.

Schauen wir uns einmal einige Zahlen an, die aus dem Informationssystem des Landes kommen. Momentan gibt es im Land mehr als 51 000 Stellen. Ich rede von Stellen, nicht von VZÄ. Das ist ein wichtiger Unterschied. Ungefähr ein Drittel davon arbeitet in der Kernverwaltung. Das sind ungefähr 15 400 Personen. Von diesen Personen sind rund 2 800 Mitarbeiter 60 Jahre oder älter. Diese gehen also in den nächsten Jahren in Rente. - 2 800 Personen.

Der Ministerpräsident sagte in der Pressekonferenz, dass eine strategische Überlegung hinter dem Personalausbau stecke. 

(Eva von Angern, Die Linke: Man frage sich, welche!) 

Ich frage mich nur: Welche? Wenn die Strategie darin besteht, Geld zu sparen, dann wird das wohl aufgehen. Ansonsten lautet Ihre Strategie offenbar eher: Rasenmähermethode.

(Thomas Lippmann, Die Linke: Chaos!)

Sie überlassen es dem Zufall, wo die Lücken gerissen werden, weil Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen oder aus Frust den öffentlichen Dienst verlassen. Wo bitte ist da die Strategie? 

(Beifall bei der Linken - Zurufe von der Linken) 

Schauen wir uns weitere Zahlen an. Wir haben einmal das Stellenportal des Landes ausgewertet. Stand vergangene Woche: 349 offene Stellen. Davon waren 116 Sachbearbeiterstellen und 35 Mitarbeiterstellen. Ich sage immer, die Sachbearbeiter sind wie die Hefe beim Kuchen. Man kann auch ohne backen, aber dann wird’s     Na ja, Sie wissen schon.

Es fehlen außerdem etliche IT-Spezialisten. 30 Ausschreibungen beziehen sich nur darauf. Es werden Ausbilder im Brand- und Katastrophenschutz gesucht, Virologen, Laborassistenten, Chemiker sowie ein Dutzend Ingenieure. Und allein der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft hat 23 offene Stellen. - Dann viel Glück beim nächsten Starkregen.

(Zustimmung bei der Linken - Eva von Angern, Die Linke: Brauchen wir halt nicht!)

Auch im Bereich der Personalbewirtschaftung fehlen Fachkräfte. Wenn Sie also beschließen, dass weiterhin Lehrer und Polizisten eingestellt werden müssen, dann müssen Sie bedenken, dass das in der Verwaltung auch jemand machen muss. Das muss ja jemand abwickeln. Die Lehrer und Polizisten stellen sich also nicht von allein ein. 

Erinnern Sie sich an den Brandbrief, der im April im Landesschulamt verfasst wurde. Es ging darum, dass nicht genug Menschen im Personalbereich vorhanden waren, um Lehrer einzustellen. Drei Stellen sind in dem Bereich übrigens gerade ausgeschrieben. Die können wahrscheinlich nicht kommen. Das klingt alles nach einem richtig guten Plan. 

(Eva von Angern, Die Linke: Das war zynisch gemeint!) 

Was aber während des Nachbesetzungsstopps möglich ist, ist eine Versetzung innerhalb der Landesverwaltung. Was heißt das? - Wenn sich also eine Kollegin aus einer nachgeordneten Behörde, sagen wir einmal, aus dem BLSA, bei einem Ministerium bewirbt, dann kann sie in das Ministerium wechseln. Dann entsteht aber im BLSA eine Lücke. 

Ich prophezeie Ihnen, dass genau das passieren wird: Der nachgeordnete Bereich wird in den nächsten zwei Jahren ausbluten, weil die Kolleginnen und Kollegen sich auf die oft besser dotierten Stellen in den Ministerien bewerben werden. Haben Sie das bei Ihrem Beschluss bedacht?

Aber die nachgeordneten Behörden haben oft direkt mit den Menschen und mit den Unternehmen im Land zu tun. Sie erbringen Dienstleistungen für den Bürger; z. B. geht es um das Ausstellen von Schwerbehindertenausweisen, die Zurverfügungstellung von Flurstücksunterlagen, die Prüfung von Viehbetrieben und der Lebensmittelindustrie sowie die Auswertung von Coronatests. Diese Prüfungen und Dienstleistungen werden dann so nicht mehr stattfinden können. Haben Sie das bei Ihrem Beschluss bedacht? 

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt tatsächlich Menschen in diesem Land, die gern in der Landesverwaltung arbeiten möchten. Und wir bilden sie sogar in unseren Hochschulen aus. Wohin gehen denn die jungen Menschen mit einem Master in Verwaltungswissenschaften von der Hochschule Harz oder die juristischen Absolventen der Universität Halle oder Ingenieure und ITler der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg? - Ich kann es Ihnen sagen: Sie werden wahrscheinlich woandershin gehen. Dazu komme ich gleich noch einmal. Denn Sie sagen nämlich mit dem Nachbesetzungsstopp 

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

all den jungen Menschen, dass Sie sie nicht im Landesdienst willkommen heißen. - Was für ein fatales Signal. Wir haben doch jetzt schon einen immensen Fachkräftemangel. Der wird durch Sie und Ihren Beschluss nur noch schlimmer. 

Davon profitieren, lieber Herr Kosmehl, werden die Kommunen, die ebenso händeringend Personal brauchen, und natürlich die Bundesbehörden. Wer also kann, der bewirbt sich z. B. beim Umweltbundesamt in Dessau, bei der Cyberagentur, bei der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder in Halle oder beim Bundesverwaltungsamt in Magdeburg.

(Eva von Angern, Die Linke: Die freuen sich!) 

Oder die Fachmenschen gehen in die benachbarten Bundesländer. - Glückwunsch an Niedersachsen, Thüringen oder Brandenburg!

(Zustimmung bei der Linken - Zuruf von Hendrik Lange, Die Linke)

Gern haben wir das Personal für Sie auf unsere Kosten ausgebildet. 

Verrückt ist auch: Sie, verehrte Landesregierung, haben im Jahr 2022 einen Kabinettsbeschluss gefasst zur Einrichtung einer zentralen Personalvermittlungsstelle im Innenministerium. Das Ziel war es, die Konkurrenzfähigkeit der Landesverwaltung als Arbeitgeber im Vergleich zum Bund, zu den Ländern und zur Privatwirtschaft herzustellen.

(Guido Heuer, CDU: Ach so!)

Ich frage mich: Was machen denn die Kolleginnen und Kollegen dort in den nächsten zwei Jahren? 

(Eva von Angern, Die Linke: Die haben Freizeit!) 

Welche Konkurrenzfähigkeit, wenn Sie gar keine Konkurrenz sein wollen? Wenn also weniger Personal zur Verfügung steht, die Leistungen aber trotzdem erbracht werden müssen, was passiert dann? - Ich kann es Ihnen sagen: Wir werden mehr extern vergeben. Nur mal gut, dass wir keine Beraterdatenbank mehr haben, sodass die Staatssekretärskonferenz sich nicht mehr mit den Beraterverträgen befasst und die Vorlagen für den Finanzausschuss nicht einheitlich sein sollen. Das nenne ich einmal einen seriösen Umgang mit Steuergeldern.

(Zustimmung bei der Linken)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich vor einigen Tagen mit Prof. Dr. Stember, der an der Hochschule Harz tätig ist, austauschen können. Das ist der Professor, der die Enquete-Kommission zum Personalmanagement in Sachsen-Anhalt wissenschaftlich begleitet hat. Die Kommission tagte von 2007 bis 2010 hier im Landtag und machte Vorschläge für einen besseren Umgang mit dem Landespersonal. Die Enquete-Kommission hat damals folgende Dinge festgestellt: 

Es sollen eine Gesamtstrategie zu Personalentwicklungsmaßnahmen im Land erstellt werden und eine Demografiekonzeption, um mit der Überalterung der Bevölkerung umgehen zu können. Es sollen ein besseres Wissensmanagement etabliert und Fortbildungskonzepte erstellt werden sowie Ressourcenbindungen stattfinden - um nur einige Aspekte zu nennen. 

Es ist alles da, was es braucht, um Personalmanagement durchzuführen - Sie haben es nur nie genutzt.

(Beifall bei der Linken)

Hätte man all das genutzt, was damals besprochen wurde, müssten wir jetzt nicht über einen Nachbesetzungsstopp sprechen. Für Ihre verfehlte Personalpolitik können doch die Kolleginnen und Kollegen in den Landesbehörden und die Bürger erst recht nichts. Sie müssen es aber ausbaden. Sie, verehrte Landesregierung, gehen mit dem Beschluss den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands. 

(Zuruf von der CDU) 

Statt einen Schritt zurückzugehen und sich ernsthaft mit dem Personal zu beschäftigen, kürzen Sie einfach Hunderte von Stellen. Ich will daran erinnern, dass das Ihre Beschäftigten sind, die jeden Tag für Sie arbeiten, die Ihre Vorhaben und die Beschlüsse der Koalition umsetzen. Und Sie beschließen hier, dass Ihnen egal ist, was mit den Menschen in Ihren Häusern passiert. Das ist weder wertschätzend noch motivierende Personalführung.

(Beifall bei der Linken)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei den Forderungen in unserem Antrag haben wir uns an dem orientiert, was die Enquete-Kommission damals empfohlen hat. Man könnte doch einfach einmal schauen: Haben alle Kolleginnen und Kollegen Stellenbeschreibungen und Tätigkeitsdarstellungen? Sind diese aktuell? Welche Aufgaben erledigen wir im Land? Welche sind hinzugekommen? Welche sind weggefallen? Welche haben sich durch die Digitalisierung verändert? Welche Referate sind zu klein und müssen vielleicht zusammengelegt werden? Wenn man das alles geprüft hat, dann kann man doch ein Konzept erstellen; dann kann man Personalmanagement betreiben. Aber so, wie Sie das gerade machen, wird es richtig gefährlich.

Wir lehnen diesen Nachbesetzungsstopp schon jetzt vehement ab. - Herzlichen Dank.