Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Diskriminierung ist Unrecht. Der Schutz vor Diskriminierung ist ein Grundrecht. Er ist ein Menschenrecht. Der Kampf gegen Diskriminierung ist nicht ideologisch motiviert, sondern er geschieht aus einem Prinzip der Gerechtigkeit und im Interesse der Gesamtgemeinschaft. 

(Beifall bei der SPD)

Diskriminierung ist keine Randerscheinung. Betroffene erfahren täglich Ungleichbehandlungen. Diskriminierung schmerzt am meisten, wenn sie vom Staat ausgeht, weil es die Aufgabe des Staates ist, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, konkretisiert die Umsetzung dieses Grundrechts, um Benachteiligungen aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. 

Der vorliegende Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versucht, eine Lücke im AGG zu schließen, denn die Problematik von Diskriminierung durch den Staat selbst ist bisher darin nicht ausdrücklich erfasst. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Bund ändert das AGG - eine Aktualisierung ist schon im Gespräch  , oder wir nehmen uns ein Beispiel am Land Berlin und führen ein länderspezifisches Antidiskriminierungsgesetz ein. Einen solchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehen inzwischen viele Expertinnen und Experten als gerechtfertigt an. 

Der Argumentation, dass Diskriminierung durch die öffentliche Hand bereits durch das Grundgesetz abgedeckt ist, kann ich nicht folgen. Denn dementsprechend würden wir auch kein Strafgesetzbuch brauchen; Artikel 2 des Grundgesetzes regelt doch schon die körperliche Unversehrtheit. 

(Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Der war nicht schlecht! - Zuruf von Eva von Angern, Die Linke)

Meine Damen und Herren, wie Sie unschwer erkennen können, ist diese Thematik komplex und wir müssen dies detailliert in den Ausschüssen besprechen können. Vorweg: Wir empfehlen eine Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, zur Mitberatung in den Ausschuss für Inneres und Sport, in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz und in den Ausschuss für Finanzen. 

Lassen Sie mich bitte noch ein paar konkrete Punkte ansprechen. Es geht explizit nicht darum, die Bediensteten unter Generalverdacht zu stellen, ganz im Gegenteil. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Es müssen klare Regeln, Grenzen und Prozesse definiert werden. Das bringt Rechtssicherheit und liefert die Basis für Fort  und Weiterbildungen. Ziel ist es, Diskriminierung auch im Verwaltungshandeln konsequent zu verhindern. Das kann nur im Einvernehmen mit den Beschäftigten und durch tätiges Handeln geschehen. 

Viele der von Betroffenen wahrgenommenen Diskriminierungen durch Ämter und Behörden können Folge von Unwissenheit sein oder auch gelegentlich aus diskriminierenden Rechtsvorschriften resultieren. Wir müssen Formulare, Rechtsvorschriften, Abläufe auf mögliche Diskriminierungen hin prüfen. In Berlin wurde seit 2020 eine immense Klagewelle befürchtet. Sie ist bis heute ausgeblieben. Im Berliner Senat löste der § 7, die sogenannte Vermutungsregelung, eine Kontroverse aus. Aber es handelt sich nicht, wie häufig behauptet, um eine Beweislastumkehr. Es ist eine Regelung zur Beweislasterleichterung. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN)

Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Glaubhaftmachung. Das kennen die Richterinnen und Richter bereits aus zahlreichen Zivilprozessen. Dabei geht es insbesondere darum, dass es nicht immer den eindeutigen Beweis gibt und Aussage gegen Aussage steht. Ein Vorwurf muss überwiegend wahrscheinlich sein. 

Die Antidiskriminierungsarbeit ist ein stetiger Prozess. Es braucht mehr als ein Gesetz, mehr als eine Stelle. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. 

Die Wahrheit ist, Sachsen-Anhalt leistet bereits einen großen Beitrag im Kampf gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Wir haben die Antidiskriminierungsstellen des Landes. Auch die Universitäten und die Hochschulen, die Schulen und die Krankenhäuser haben bereits spezielle Antidiskriminierungsberatungen und  programme. Es gibt die Behindertenbeauftragten der Städte, die Opferberatungen, die Meldestellen für Gewalt.

Sachsen-Anhalt muss sich nicht verstecken. Aber es gibt noch Baustellen. Wir gehören zu den letzten drei Bundesländern, die der Koalition gegen Diskriminierung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch nicht beigetreten sind. Ein Beitritt wäre ein sinnbildhafter Akt und wir hoffen, weiterhin daran arbeiten zu können. 

Ich denke, ich spreche für alle Demokraten und freiheitsliebenden Abgeordneten in diesem Haus, wenn ich sage, Diskriminierung ist in Sachsen-Anhalt unerwünscht und wir werden die Betroffenen niemals allein lassen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Frau Richter-Airijoki, es gibt eine Nachfrage von Herrn Köhler. 


Gordon Köhler (AfD): 

Frau Dr. Richter-Airijoki, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben klar zum Ausdruck gebracht, dass Sie es nicht gutheißen, wenn Leute aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder vielleicht auch aufgrund ihrer politischen Einstellung diskriminiert werden oder vielleicht auch aus Verbänden oder von ihrem Ehrenamt ausgeschlossen werden. 

Mir sind Fälle bekannt, in denen Leute bspw. aufgrund ihrer vermeintlich falschen politischen Einstellung aus dem Ehrenamt herausgedrängt werden. Deswegen lautet meine Frage an Sie, zumal Sie sagten, dass Sie die Leute nicht hängen lassen wollten: Wollen wir gemeinsam ein Schreiben an den Verband der sehbehinderten und blinden Kinder aufsetzen, in dem wir deutlich machen, dass wir es nicht gut finden, wenn Ehrenamtler herausgedrängt werden, weil sie die falsche politische Einstellung haben? 

(Beifall bei der AfD)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Diskriminierung und ein Ausschluss wegen einer politischen Einstellung sind die eine Sache. Das ist völlig richtig. 

(Lachen bei der AfD)

Aber Hass ist kein universelles Recht. Wenn das Verbreiten von Hass nicht zugelassen wird, dann ist das nicht mit Antidiskriminierung zu verwechseln. 

(Oh! bei der AfD - Beifall bei der SPD, bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Ganz großes Kino! - Weitere Zurufe von der AfD)

Das ist die klare Unterscheidung.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Frau Richter-Airijoki.