Wulf Gallert (Die Linke):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich auf diesen Tagesordnungspunkt insoweit vorbereitet, als dass ich mir eine Menge anderer Arbeit mitgenommen habe, weil ich dachte, das wird für jemanden, der nicht Mitglied irgendeiner Kirchengemeinde ist, nun wahrlich ein sehr ruhiges Thema.
Soweit ich das verstanden habe, ist die Regelung, die hierin angeregt wird, aber aus meiner Perspektive eigentlich total in Ordnung, und zwar, weil sie eigentlich eine bessere Trennung zwischen Staat und Kirche vollzieht. Wann gibt es die größten Streitigkeiten? - Die größten Streitigkeiten gibt es im Zusammenhang mit der Kirchensteuer immer dann, wenn die Leute fragen, wieso wir ihr Geld wollen, obwohl sie kein Mitglied der Kirche sind.
Bisher ist die Situation im Grunde genommen die, dass die Leute gegen das Finanzamt klagen. Das Finanzamt muss sich dann mit den Leuten auseinandersetzen. Das Finanzamt hat damit aber gar nichts weiter zu tun, weil sie die Namenslisten von den Kirchengemeinden bekommen.
Jetzt wird überlegt zu sagen: Führt die juristische Auseinandersetzung gefälligst unter euch und nehmt nicht das Finanzamt mit hinein. Das finde ich eine sehr, sehr sinnvolle Lösung. Wenn man für die Trennung von Staat und Kirche ist, dann könnte man zumindest bei diesem kleinen Teil zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Zustimmung bei der Linken, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)
Das alles ist doch so banal, dass ich eigentlich nicht nach vorn getreten wäre. Das Interessante bei Herrn Dr. Tillschneider war Folgendes - deswegen bin ich nach vorn gegangen : Man kann über die Trennung von Staat und Kirche sehr, sehr unterschiedlicher Meinung sein. Es gibt innerhalb von Demokratien sehr unterschiedliche Modelle und auch ich - das unterscheidet mich z. B. von Herrn Stehli - finde die Verbindung von Staat und Kirche bei uns an verschiedenen Stellen ein bisschen sehr auffällig eng und sie ist auch ein Stück weit disproportional zur eigentlichen Bevölkerung in Sachsen-Anhalt, die überwiegend kein Mitglied einer Kirchengemeinde ist, aber sich in öffentlichen Lebensbereichen häufig von Kirche vertreten lassen muss, obwohl sie gar nicht gefragt wird, und zwar bis hin zu Fragen von sozialen Angeboten, bspw. Diakonie, Caritas usw.
Wir kennen die Auseinandersetzungen, wenn es um die Menschen geht, denen dort aus irgendwelchen Gründen gekündigt wird, weil sie sich angeblich nicht christlich verhalten. All das sehe auch ich ausgesprochen kritisch.
Aber das, was er hier erzählt hat, war wirklich eine Offenbarung. Er hat nämlich ganz klar gesagt, das würde ihn alles nicht stören, das würde ihn alles nicht interessieren, wenn die Kirche die politischen Positionen der AfD vertreten würde; denn dann wäre er für eine Staatskirche. Und das ist der Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der Linken, der CDU, der SPD und bei den GRÜNEN)
Das, was die AfD will, ist die Unterordnung der Kirche unter ihr politisches Parteiprogramm. Dazu sage ich jetzt einmal: So wie er das vorgetragen hat, muss mir niemand mit der DDR kommen. Das, was er als seine politische Position, als die Position der AfD vorgetragen hat, ist tausendmal schärfer als das, was zu DDR-Zeiten gegenüber den Kirchen umgesetzt werden sollte. Dazu sage ich als Atheist: Gnade uns Gott. - Danke.
(Beifall bei der Linken, der CDU, der FDP, der SPD und bei den GRÜNEN - Oliver Kirchner, AfD: Ich dachte, er ist Staatskundelehrer!)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Es gibt eine Intervention. Bitte.
Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):
Ich will nur noch eines klarstellen: Das, was wir von den Kirchen verlangen, ist keine Unterordnung unter das AfD-Programm,
(Zuruf von der SPD: Doch, na klar!)
sondern wir verlangen, dass sie einen vernünftigen Patriotismus predigen,
(Unruhe)
wie er jedem Christenmenschen ansteht und wie es z. B. die orthodoxen Kirchen in Bulgarien, in Rumänien, in Serbien und in Russland ganz normal tun.
(Zuruf: Jetzt ist der wunde Punkte getroffen! - Unruhe)
Einen gesunden Patriotismus in der Kirche - das brauchen wir.
(Anhaltende Unruhe)
Wulf Gallert (Die Linke):
Wissen Sie, wir haben in den letzten Jahrzehnten häufig den Satz gehört: Wie kann Satire noch das Leben einholen? Entschuldigung, zu dieser Äußerung braucht es überhaupt keinen Kommentar mehr. Genau das ist die Bestätigung. Herr Tillschneider hat genau das bestätigt, was ich eben gesagt habe.
(Zustimmung bei der Linken)
Er will die Kirchen bei uns im Sinne eines staatlichen Propagandainstrumentes installieren, wie es die Russisch-Orthodoxe Kirche in Moskau jetzt ist.
(Zustimmung bei der Linken - Zuruf von der AfD)
Das ist seine Vorstellung.
Vom Kollegen Meister habe ich gerade einen Begriff gehört, den ich mir hier hart verkneife. Aber eine solche Unterordnung von nichtstaatlichen Institutionen unter die eigene politische Agenda war bitte sehr nicht Kern der DDR, sondern der Situation vor 1945 in diesem Land. - Danke.
(Beifall bei der Linken - Zustimmung bei der CDU, der SPD und bei den GRÜNEN)
Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:
Danke.