Ulrich Thomas (CDU):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Eine lebhafte Debatte - das war nicht anders zu erwarten. Ich kann zumindest feststellen: Wir sind uns darin einig, dass wir die Entscheidung von Intel, das Projekt zwei Jahre zu schieben, bedauern. Das kann ich hier konstatieren. Allerdings muss ich feststellen, dass es große Unterschiede im Umgang mit der neuen Situation gibt. 

Meine Damen und Herren! Diese Unternehmensentscheidung von Intel taugt überhaupt nicht für Spott, Häme oder Schadenfreude. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Sie taugt genauso wenig dazu, irgendwo politischen Nektar zu saugen, um irgendwie zu erklären, dass man alles schon gewusst hätte und dass das, was passiert ist, alles schon vorhersehbar gewesen wäre. Meine Damen und Herren! Wer das macht und wer so denkt, der hat Wirtschaftspolitik bis heute nicht verstanden. 

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich das Mimimi der Linken oder der AfD hier wahrnehme, dann muss ich feststellen: Einige von uns waren vor anderthalb Jahren bei der Konzernleitung in San Francisco. Wir haben uns unterrichten lassen, was Intel vorhat. Vor anderthalb Jahren habe ich niemanden sagen hören, dass das nichts wird und wir darauf verzichten sollten. Alle waren der Meinung, dass das eine Chance ist, die wir ergreifen müssen. Ich möchte die Kollegen daran erinnern, dass wir damals alle die Chance gesehen haben. Ich finde, wir sollten gemeinsam weiterhin diese Chance sehen und zu dieser Chance stehen, meine Damen und Herren. 

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn es der Linken und der AfD so ernst ist und sie sagen, dass das der Abgesang von Intel war, dann bringen Sie bitte einen Antrag in den Landtag ein und beauftragen die Landesregierung, von der Intel-Investition Abstand zu nehmen. Dann haben wir eine Ehrlichkeit und sehen, wer den wirtschaftlichen Aufschwung und Fortschritt in diesem Land möchte und wer nicht bzw. wer dann sagt: „Es ist eh alles verloren!“ Meine Damen und Herren! So kann man Wirtschaftspolitik nicht betreiben. Das sind genau die Menschen, die den Unternehmen, denen es nicht gutgeht, nicht beistehen, sondern sagen: Ihr seid ja selbst schuld, weil ihr falsch entschieden habt.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch Quatsch!)

Meine Damen und Herren! Insofern möchte ich den Fokus auf die Habenseite legen. Was spricht denn nach wie vor dafür, dass Intel zu uns kommen wird? Zunächst können wir feststellen - darauf müssten wir doch stolz sein  , dass wir es bei diesem Großinvestitionsvorhaben geschafft haben, in den letzten zwei Jahren die Weichen so zu stellen, dass wir an dem Punkt sind, dass Intel dort bauen könnte. Diesbezüglich sage ich auch im Namen meiner Fraktion Danke schön allen Beteiligten, insbesondere der Landesregierung

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

unter Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Ich sage Danke dem Finanzminister Michael Richter, der die Landesgesellschaft ins Leben gerufen hat, und ich sage auch Danke dem Wirtschaftsminister Sven Schulze, der uns eingeladen hat, mit nach San Francisco zu kommen, um vor Ort zu hören, was die Menschen direkt sagen und wir das nicht immer über Dritte hören müssen. Einen zweiten Punkt möchte ich noch ansprechen, der mir auch wichtig ist     

(Es ist ein Knall an der Fensterscheibe zu hören - Zurufe)

- Ich bin darin schon routiniert. Ich hatte es schon einmal, dass während meiner Rede ein Vogel gegen die Scheibe geflogen ist. 

(Zuruf: Eine Taube!)

- Eine Taube, ja. Das ist so: Manche Reden sind anziehend. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Lachen)

Meine Damen und Herren! Auch dass sich mit Blick auf diese Großinvestitionen die Stadt Magdeburg und die Anrainerkommunen zusammengerauft haben und mittlerweile als Team spielen, finde ich bemerkenswert. Wir haben oft Disharmonien in der kommunalen Landschaft mit dem Land zu verzeichnen. Das war an der Stelle ausgeräumt. Auch das ist ein großes Verdienst. 

Meine Damen und Herren! In der Welt wird durchaus wahrgenommen, wie wir uns bei Investoren geben. Deshalb muss man auch sagen: Wir sind heute - auch dank der Initiative von Intel - für Investoren auf der Weltkarte angekommen. Fahren Sie einmal nach Halberstadt und schauen Sie sich die Investitionen von Daimler Truck an. Auch über diese wurde lange nicht öffentlich gesprochen; denn es ist heutzutage üblich, dass Investoren bis zum letzten Moment Stillschweigen vereinbaren. 

Auch ich persönlich habe schon Erklärungen unterschrieben, darüber zu schweigen und nichts zu erzählen, weil man sich nicht sicher ist. Insofern muss man das bis zu einem bestimmten Punkt respektieren. Dann muss man auch akzeptieren, dass im Progress immer noch andere Entscheidungen bzw. Anpassungen und dergleichen mehr gibt. Es gibt keine Verabschiedung von Intel, sondern nur den Aufschub. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das ist eine unternehmerische Entscheidung. Ich glaube, jeder, der ein Unternehmer führt oder geführt hat, kennt solche Phasen, in denen man doch noch einmal kurz warten muss, weil die Dinge nicht so sind, wie sie vielleicht einmal waren. 

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch eines sagen, weil immer dieser Vorwurf kam, dass wir keine maximale Transparenz hätten. Kollege Rausch, Ihre heutige Rede - ich will sie gar nicht bewerten - war nicht die Beste. Wir haben in jeder Sitzung des Wirtschaftsausschusses dieses Landtages ausführlich über Intel diskutiert. Es war für jedes Mitglied des Wirtschaftsausschusses möglich, Fragen zu stellen, und zwar im Vorfeld, live oder im Nachhinein. Jeder war gleich informiert. Auch das ist ein Verfahren gewesen, das an ich an anderen Stellen so nicht immer erlebt habe. 

Der Vorwurf, da wäre etwas im Geheimen gelaufen oder da haben sie gekungelt, 

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

- nein, das gehört sich nicht  , das ist infam und gehört sich nicht. Dann kommen Sie selbst in die Sitzung des Wirtschaftsausschusses und vertreten Ihre Kollegen, wenn Sie diese nicht ernst nehmen, und nehmen Sie die Informationen wahr. 

Meine Damen und Herren! Ein dritter Punkt - auch das halte ich für wichtig  : Wir gewinnen etwas Zeit für weitere Planungen, auch in der Fläche. Viele Kommunen in einem größeren Radius haben schon ihre Planung an bevorstehende Investitionen angepasst; denn eines ist doch wohl klar, dazu braucht man auch kein Prophet zu sein: Natürlich wird es in diesem Hightech-Park Investitionen geben und natürlich werden dort Arbeitsplätze entstehen. Natürlich werden das Land und auch das Umland davon profitieren. Das sorgt dafür, dass wir die Planungen im Umland vorantreiben können. 

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Generell ist die Produktion von Computerchips weltweit in drei großen Konzernen zu finden. Jeder kämpft um das Stück Kuchen. Alle, die in San Francisco dabei waren und Herrn Gelsinger persönlich erleben durften, wissen, dass er genau davon gesprochen hat: Wir brauchen einen Standort in Europa. Das ist geopolitisch auch für diesen Konzern wichtig; denn man kann es auch umformulieren: Was ist, wenn Intel diesen Standort freigibt? Dann kann auch ein Konkurrent kommen. Dann kommt der Wettbewerber aus Südkorea oder aus Taiwan. Ich glaube nicht, dass das in die Unternehmensstrategie von Intel passt, meine Damen und Herren. Deshalb bin ich weiterhin optimistisch, dass Intel nach Magdeburg, nach Deutschland kommen wird. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Auch wir sollten großes Interesse daran haben. Ich glaube, einige von uns haben schon vergessen, dass wir diese große Unabhängigkeit, die wir uns alle auf die Fahnen geschrieben haben bei Corona, bei der Energiekrise, bei den Medikamenten, bei den Computerchips etc. hier im Land behalten. Da kann es doch nicht sein, dass wir nach zwei Jahren sagen: „Chips weg! Dann sind sie eben weg und müssen woanders gebaut werden; tut uns leid, war nicht schön.“

Nein, meine Damen und Herren, dafür stehen meine Fraktion und, ich glaube, auch die Koalition nicht zur Verfügung. 

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wissen um die Verantwortung für diese Chipfabrik. Deshalb halten wir daran fest. 

Ich will vielleicht auch einmal die Dinge aus dem Blickwinkel von Intel beleuchten. Natürlich hat Intel ein klares Bekenntnis zu diesem Standort gegeben. Das Unternehmen ist vielerorts schon unterwegs im Sponsoring, im Unterstützen, auch in persönlichen Gesprächen mit meiner Anwesenheit. 

Meine Damen und Herren! Auch Intel hat Kapital investiert. Es glaubt doch niemand, dass ein Börsenkonzern Kapital tot liegen lässt. Auch dazu wird es irgendwann Fragen geben. Deshalb ist der Druck natürlich auch bei Intel nach wie vor da. Ich habe schon ausgeführt, dass Intel auch in Europa produzieren will. 

Meine Damen und Herren! Und auch das kann man sagen: Intel entwickelt auch neue Produkte, neueste Technologien und ist nach Ansicht mancher Experten dabei, wieder auf die Überholspur zu kommen, um mit anderen Produzenten aufzuschließen. Wie gesagt, die Angst vor Konkurrenz ist vorhanden. 

Aber, meine Damen und Herren, damit bin ich auf der anderen Seite der Medaille, nämlich bei den Unwägbarkeiten. Was bereitet Sorge? Worauf müssen wir achten? Das ist natürlich die derzeit schlechte wirtschaftliche Lage. Hätte Intel hier eine Automobilindustrie, die Chips ohne Ende brauchte, würden sie wahrscheinlich schon morgen anfangen, diese Fabrik zu bauen. Aber die Situation ist nicht so aufgrund bestimmter politischer Entscheidungen, die in Berlin getroffen wurden, sodass die Automobilindustrie momentan so viel mit sich selbst zu tun hat, dass sie an mehr Chips nicht zu denken vermag. 

Das ist eine große Unwägbarkeit, meine Damen und Herren, und wir können nur hoffen, dass sich die Politik in Berlin nun endlich dreht. 

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen weiterhin genug Kunden für die Chips, die wir produzieren können. Der Ministerpräsident hat es gesagt - ich will es unterstreichen  : Wenn wir hier jeden Tag Industriearbeitsplätze verlieren, dann verlieren wir damit auch Hardware und damit auch die Notwendigkeit, hier Chips zu produzieren und einzubauen. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die Kunden vor Ort sind. Hinzu kommt die Ungewissheit über die allgemeine Entwicklung in der Welt. Auch die ist schwierig. 

Man muss auch deutlich sagen: Es wird immer - egal an welchem Punkt wir sind; Herr Grube hat das auch schon gesagt  , eine finale wirtschaftliche Entscheidung des Unternehmens bleiben. Sie werden immer entscheiden: Wie ist die Situation und was mache ich hier?

Zum Schluss will ich sagen, was aus der Sicht der CDU-Fraktion die Handlungsoptionen sind. Natürlich brauchen wir keine zweijährige Hängepartie. Das wäre fahrlässig. Wir müssen jetzt sehen, wie wir mit der Situation umgehen; auch immer unter Berücksichtigung der Möglichkeit, dass sich das mit Intel weiter verzögert oder womöglich es gar nicht zur Investition kommt. Hier ist das Erste und das Wichtige, dass wir die Baumaßnahmen für die Erschließung fortführen, damit wir hier zeitnah Investitionen ermöglichen können. Es wäre nicht im Sinne des Landes, dass wir uns von der Entscheidung von Intel und deren Wartezeit abhängig machen. 

Wir brauchen eine enge und stetige Kommunikation mit Intel. Der Ministerpräsident hat angekündigt, meine Damen und Herren, dass wir zeitnah darüber informiert werden, wie die Tendenz und der Trend sind und wie diese zwei Jahre genutzt werden. 

Wir werden das Heft des Handelns auch dahin gehend in der Hand behalten, dass wir den Hightech-Park weiterentwickeln. Und jawohl, wir werden über mögliche Alternativen nachdenken. Das machen wir aber nicht öffentlich, denn mit Öffentlichkeit schüren wir nur Erwartungen, wobei sich andere wieder freuen, wenn sie nicht erfüllt werden. Das werden wir intern in unserer Fraktion tun. 

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Intel ist und bleibt eine große Chance für dieses Land und an dieser Chance werden wir festhalten. 

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Thomas. Es gibt noch eine Frage. Wollen Sie sie beantworten?


Ulrich Thomas (CDU):

Sehr gern.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Gallert ist heute sehr wissbegierig. - Bitte, Herr Gallert. 


Wulf Gallert (Die Linke):

Natürlich, Herr Präsident, immer. - Herr Thomas, Sie haben gesagt - Sie meinten offensichtlich die AfD und Die Linke  : Dann stellen Sie doch einen Antrag dazu, dass die Landesregierung die Investitionen für Intel streicht. Das haben Sie gerade gesagt. Jetzt frage ich Sie einmal, was Sie damit meinen. 

Sie haben ja heute mehrfach vom Ministerpräsidenten gehört, dass es dezidiert überhaupt keine Investitionen für Intel gibt. Es gibt keine einzelbetriebliche Förderung. Einen Antrag dazu, diese aus dem Landeshaushalt zu streichen, dürften wir nicht stellen; denn diese gibt es nicht. 

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Was es gibt, ist eine Infrastrukturförderung, ist dieser Hightech-Park. Dazu haben wir ausdrücklich gesagt: Wir müssen jetzt entscheiden, ob wir diesen Hightech-Park unter der Voraussetzung entwickeln wollen, dass Intel eventuell kommt und zusätzliche Flächen für Supporter und Supplier, also eine Erweiterung, beansprucht, oder ob wir davon ausgehen wollen, dass dieses Risiko zu groß ist und wir jetzt anfangen, das zu entwickeln, auch ohne dass Intel kommt. 

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Wir haben dezidiert nicht gesagt, dass wir diesen Hightech-Park nicht wollen. Vielmehr haben wir klar gesagt, dass wir jetzt entscheiden müssen, wie wir ihn entwickeln. Wenn Sie jetzt sagen, dass wir einen Antrag stellen sollen, die Investitionen für Intel zu streichen, dann frage ich: Was meinen Sie denn damit? Denn den Hightech-Park wollen wir auch. Intel selbst bekommt überhaupt kein Geld. Mich interessiert, welchen Antrag wir denn jetzt stellen sollen, Herr Thomas. 


Ulrich Thomas (CDU):

Es steht mir nicht zu, der Linken Anträge zu diktieren. Mir fielen zwar viele ein, aber das möchte ich Ihnen und mir ersparen. Grundsätzlich reden Sie ja, wenn es um Unterstützung geht, immer über Geld. Es gibt auch andere Unterstützung, die man leisten kann, die manchmal auch wichtiger ist. Das ist logistische Unterstützung. Das ist auch Unterstützung in persönlichen Gesprächen. 

Sie haben argumentiert: Wir sollen davon ablassen; das alles macht keinen Sinn; der Amerikaner denkt sowieso nur an sich und gar nicht mehr an die Europäer. Das haben Sie alles gerade hier verlautbart.


Wulf Gallert (Die Linke): 

Stimmt überhaupt nicht.


Ulrich Thomas (CDU): 

Das haben Sie aber so gesagt und so war es auch zu verstehen. 

Wenn das Land Sachsen-Anhalt sagt: „Wir möchten Intel nicht.“ und der Landtag das beschließen soll, dann bringen Sie einen Antrag dazu ein, dass sich das Land Sachsen-Anhalt von dem Intel-Vorhaben distanziert.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

Bringen Sie doch einen solchen Antrag ein, wenn Sie es nicht wollen. Das wird die unternehmerische Entscheidung womöglich nicht ändern, aber politisch hätten Sie es einmal klar bewertet. Denn Sie, gerade Sie persönlich, Herr Gallert, fahren hier einen Schlingerkurs zwischen „Wir wollen Intel.“ und „Wir wollen es nicht“, gerade so, wie die Tagesform der Linken es braucht.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie so weitermachen mit diesem Schlingerkurs, dann wird Sie ein Schicksal wie in Sachsen ereilen. Ich bin darüber nicht traurig, aber ich sehe es klar vor mir. Denn die Leute nehmen Ihnen das nicht mehr ab: Montag so, Dienstag anders und Mittwoch wieder ganz anders. 

Deswegen sollten wir - politisch gesehen - wenn wir dieses Land voranbringen wollen, bei einer 30 Milliarden-€ Investition nicht schlingern, sondern sollten stabil stehen, die Chancen sehen und nicht immer nur die Sorgen und die Risiken. Letzteres machen Sie, und das ist nicht hilfreich. 

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Thomas. - Wir haben die Tagesordnungspunkte 25 und 7 geschafft. Wir haben etwas länger gebraucht, aber das ist uns das Thema wert. Hierzu werden keine Beschlüsse in der Sache gefasst.