Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema „Migration und Zuwanderung“ wird derzeit in der Bevölkerung als das wichtigste politische Thema angesehen,

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe)

und das hat Gründe. Sachsen-Anhalt nahm seit 2014 bis heute mehr als 81 500 Asylsuchende auf. Im letzten Jahr wurde mit gut 7 750 Zugängen in Sachsen-Anhalt die dritthöchste Zugangszahl seit 1994 verzeichnet. In diesem Jahr sind bereits mehr als 3 600 Asylsuchende in Sachsen-Anhalt aufgenommen worden. In Sachsen-Anhalt sind momentan zusätzlich mehr als 33 100 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine untergebracht.

Mir ist sehr bewusst, dass wir auf ausländische Fachkräfte, dass wir auf ausländische Auszubildende und auf Studenten aus dem Ausland, die anschließend möglichst dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehen, mehr als angewiesen sind. Wir wissen aber nur zu gut, dass im Wege der irregulären Migration unverändert noch zu viele zu uns kommen, die keinen Schutzgrund haben.

(Zustimmung bei der CDU und von Guido Kosmehl, FDP)

Deshalb sind etwas mehr als 5 000 Ausländer in Sachsen-Anhalt ausreisepflichtig. Es geht also um die deutliche Begrenzung der irregulären Migration. Denn wer gar nicht erst ohne Schutzgrund nach Deutschland kommt, der muss auch nicht aufwendig abgeschoben werden.

Die erhebliche Zuwanderung in den letzten Jahren beruht auch auf massiven Mängeln des europäischen Asylsystems. Nach wie vor ist der Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union völlig unzureichend. Eine Registrierung und eine Aufnahme von Asylsuchenden durch die an sich zuständigen europäischen Mitgliedstaaten an den Außengrenzen erfolgen nicht annähernd wirksam genug.

Stattdessen können Asylsuchende häufig unregistriert weiterreisen und sich einen europäischen Zielstaat ihrer Wahl aussuchen. Das ist oftmals Deutschland. Eine Ursache hierfür ist, dass selbst für ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland im EU-Vergleich hohe Sozialleistungen gewährt werden.

Darüber hinaus funktioniert das sogenannte Dublin-Verfahren in weiten Teilen nicht. Nach Griechenland, Ungarn und Italien können überhaupt keine Überstellungen nach der Dublin-Verordnung vollzogen werden, da diese Staaten geltendes EU-Recht seit Jahren nicht einhalten.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Eine Empörung darüber, dass geltendes europäisches Recht gebrochen wird, unterblieb bislang. Die nach langen Verhandlungen beschlossene Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems wird erst im Juni 2026 in Kraft treten, sodass gut anderthalb Jahre zu überbrücken sind. Bis dahin kann nicht abgewartet werden.

Es sind dringende Fragen zu beantworten: Wie können Erstaufnahme, Aufnahme und Unterbringung in den Kommunen sichergestellt werden? - Wir alle wissen, dass die Aufnahmekapazitäten in den Kommunen erschöpft sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie sieht es mit Sprachkursen, mit der Integration in die Gesellschaft, der Beschulung von Kindern, die bei ihrem Eintreffen in der Regel kein Deutsch sprechen, der Erlangung oder Anerkennung von Berufsqualifikationen aus? - Wir alle wissen, dass die Integrationsmöglichkeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt sind.

Was ist mit der Bekämpfung der Kriminalität, die von Ausländern ausgeht? Wie können Straftäter schnellstmöglich ausgewiesen und abgeschoben werden? Und vor allem: Wie kann die irreguläre Migration weiter begrenzt werden? Diese Fragen sind für unsere Bürgerinnen und Bürger zu Recht von größter Relevanz, und sie erwarten Antworten.

(Zustimmung bei der CDU)

Die jüngsten von der Bundesregierung im Rahmen ihres Sicherheitspakets vorgeschlagenen Maßnahmen sind keinesfalls verfassungswidrig, keinesfalls europarechtswidrig und keinesfalls völkerrechtswidrig.

(Guido Kosmehl, FDP: Warum macht die CDU dann nicht mit?)

Ich kritisiere vielmehr, dass das, was rechtlich darüber hinaus noch möglich wäre, vom Bund nicht angegangen wird. So ist es im Maßnahmenkatalog der Bundesregierung richtig und wichtig, Ausweisungsmöglichkeiten für Straftäter zu verschärfen. Es ist auch richtig und wichtig, bei zu Freiheitsstrafen verurteilten Straftätern mehr Möglichkeiten vorzusehen, Abschiebungsverbote zu versagen oder aufzuheben.

Ebenfalls ist es zu begrüßen, dass für Personen mit asylrechtlichem Schutz, die ohne beachtenswerten Grund in ihr Herkunftsland zurückreisen, nun die Aufhebung des gewährten Schutzstatus erfolgen soll. Gleiches gilt für den Vorschlag, dass sogenannte Dublin-Fälle keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.

Diese Maßnahmen reichen aber bei Weitem nicht aus. Das Sicherheitspaket der Bundesregierung umfasst keine Maßnahmen zur Begrenzung irregulärer Migration in die Bundesrepublik Deutschland. Aufnahmeprogramme werden trotz der bestehenden Aufnahmebelastung nicht aufgehoben. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wird nicht ausgesetzt. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die zehn Maßnahmen zur Begrenzung irregulärer Migration, die aus meiner Sicht erforderlich sind und die ich in der April-Sitzung des Landtags vorgestellt hatte.

Daher begrüße ich es auch, dass seit Montag Binnengrenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen stattfinden.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Diese sind zwar im Sicherheitspaket des Bundes nicht benannt, finden aber gleichwohl statt. Diese Binnengrenzkontrollen entfalten allerdings erst dann ihre vollständige Wirkung, wenn sie auch mit konsequenten Einreiseverweigerungen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen verbunden sind. Dies ist nach geltendem europäischen Recht möglich. Der Schengener Grenzkodex sieht in bestimmten Situationen Grenzkontrollen ausdrücklich vor.

Artikel 14 des Schengener Grenzkodex ermöglicht es Mitgliedstaaten, auch an Binnengrenzen, an denen Grenzkontrollen durchgeführt werden, illegal Einreisenden die Einreise zu verweigern. Dies hat der Europäische Gerichtshof im September 2023 bestätigt. Auch die Dublin-III-Verordnung steht Einreiseverweigerungen an der Grenze nicht entgegen. Die Dublin-III-Verordnung, Frau Abg. Quade, gibt einem Asylsuchenden nämlich weder das Recht, sich einen Zielstaat seiner Wahl auszusuchen, noch ein Einreiserecht von einem EU-Mitgliedstaat in den nächsten.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Die Verweigerung der Einreise von sogenannten Dublin-Fällen wird dazu führen, dass die Dublin-III-Verordnung wieder Anwendung findet, d. h., dass Asylverfahren dort durchgeführt werden, wo ein Asylantrag erstmals hätte gestellt werden können.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Schumann, CDU)

Zu guter Letzt auch das Völkerrecht: Also, weder die Europäische Menschenrechtskonvention noch die Genfer Flüchtlingskonvention stehen Einreiseverweigerungen entgegen. Personen, denen an der deutschen Binnengrenze die Einreise versagt wird, verbleiben schließlich in einem EU-Mitgliedstaat oder der Schweiz, wo ihnen keine Verfolgung droht.

Das Unionsrecht und das Völkerrecht stehen somit einer Einreiseverweigerung und einer Zurückweisung an den deutschen Binnengrenzen nicht entgegen. 

Darüber hinaus hätte ich mir von der Bundesregierung gewünscht, dass auch bei Leistungskürzungen noch einen Schritt weitergegangen wird. 

(Zuruf von der AfD)

Meines Erachtens sollte die Möglichkeit von Leistungseinschränkungen nach § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes grundsätzlich auf alle vollziehbar Ausreisepflichtigen ausgeweitet werden, die ihre Ausreisepflicht aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht nachkommen. 

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Zur Begrenzung der irregulären Migration sollte auch auf diese Möglichkeit nicht verzichtet werden. 

Gestatten Sie mir, Frau Abg. Quade, abschließend noch eine Bemerkung: Es ist nicht brandgefährlich, Probleme zu benennen und wirksame Lösungen zu finden, die mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht vereinbar sind. Es ist allein gefährlich, Probleme zu verschweigen und keine Lösungen anzubieten. 

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt eine Intervention von Herrn Scharfenort von der AfD-Fraktion. - Herr Scharfenort, bitte.


Jan Scharfenort (AfD): 

Für mich ist der Punkt wichtig, den Sie angesprochen haben, nämlich nicht nur Grenzkontrollen durchzuführen, sondern tatsächlich die Zurückweisung an den Grenzen vorzunehmen. Ich hoffe, dass ich das richtig verstanden habe. Das ist laut vieler namhafter Verfassungsrechtler rechtlich durchaus möglich: Artikel 16a des Grundgesetzes. Einige meinen, dass europäisches Recht dagegenspreche. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass man das so anwenden könne. Das würde bedeuten - ich hoffe, ich habe Sie richtig verstanden  , dass jeder, der unser Land über die Grenze betritt, aus einem sicheren Drittstaat kommt. Sie haben die Schweiz genannt; alle Länder, die an Deutschland grenzen, sind sichere Drittstaaten. Wenn an der Grenze also jemand sagt: „Ich beantrage Asyl“, dann würden Sie ihn - so habe ich es hoffentlich richtig verstanden - zurückweisen? Ist das richtig?


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Er muss tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben, anderswo einen Asylantrag zu stellen. Das besagt die Dublin-III-Verordnung. Wenn er diese Möglichkeit gehabt hätte - das muss geprüft werden, bevor er deutsches Hoheitsgebiet betritt  , dann kann man tatsächlich die Einreise verweigern. Der Begriff der Einreiseverweigerung kommt aus dem Asylrecht. Dort kennt man den Begriff der Zuweisung nicht. Insofern habe ich hier einfach den rechtlich zutreffenden Begriff der Einreiseverweigerung genannt.