Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frieden scheint so einfach zu sein: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Doch seit der Antike gibt es auch die bekannte Sentenz: Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.

Das tiefe Unbehagen bei Waffenlieferungen, besonders im Hinblick auf die geplante Stationierung von US Raketensystemen in Deutschland kann ich sehr gut nachvollziehen. Zu oft wurden Aufrüstung und Waffenproduktion als friedenssichernde Maßnahmen verkauft.

Natürlich machen mehr Waffen die Welt nicht sicherer. Wenn Waffen die Welt sicherer machen würden, müssten die USA mit ihren 300 Millionen Schusswaffen das sicherste Land der Welt sein. Doch die Wahrheit kennen wir alle: Eine Kriegs- und Waffenlogik führt nie zu einem dauerhaften Frieden. Waffen schaffen keinen Frieden. Aber Frieden schaffen ohne Waffen - das kann ich mir aktuell am Beispiel der Ukraine nicht vorstellen.

Denn was wäre passiert, wenn niemand in der Ukraine in den Krieg gezogen wäre? - Ein Handlanger Putins würde jetzt in Kiew sitzen. Die Ukraine gäbe es nicht mehr. Viele Ukrainer und Ukrainerinnen wären in Gefängnissen und in Internierungslagern und sicherlich hätten noch viel mehr Menschen als bisher schon ihr Leben verloren.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Wenn man sieht, welche Gräueltaten in den besetzten ukrainischen Gebieten geschehen sind, ist dies anzunehmen.

Was genau dann auch immer gerade in der Ukraine geschehen würde, Frieden gäbe es dort sicherlich nicht. Jetzt zwar auch nicht, aber der Griff zu den Waffen, die Selbstverteidigung der Ukraine macht einen Frieden zumindest vorstellbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nein, Waffen schaffen keinen Frieden, aber Waffen können Krieg verhindern, beenden bzw. die Kriegsparteien in ein Gleichgewicht bringen und dazu zwingen, über Frieden zu reden. So können Bedingungen geschaffen werden, eine Friedenslogik zu initiieren.

Eine echte Friedensordnung setzt auf Kooperation, Verständigung, verlässliche Absprachen und ja, auch auf einen Vertrauensvorschuss. Gerade letzteres ist zurzeit gegenüber Russland nach seinem brutalen Überfall auf die Ukraine und keinerlei Anzeichen, diese Aggression zu beenden, völlig unmöglich.

Frieden mit Russland ist aktuell unmöglich, weil es dazu immer beide Seiten am Tisch braucht. Und wenn nach Diplomatie gerufen wird: Diplomatie setzt voraus, dass man wirklich miteinander reden will. Aber mit wem bitteschön soll man aufseiten Russlands reden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es scheint tatsächlich so, dass nur militärische Stärke Russland an den Verhandlungstisch zwingen kann. Demokratinnen und Demokraten widerstrebt es zutiefst, Waffen statt Worte sprechen zu lassen.

Wenn aber die Gegenseite offensichtlich blind und taub für Worte des Friedens ist, was soll man dann machen? Das ist nicht als rhetorische Frage gemeint, sondern es ist genau die existenzielle und drängende Frage, die sich aktuell politisch stellt. Jegliche Appeasement-Politik gegenüber Russland verbietet sich. Wandel durch Handel ist im Falle Russlands gescheitert. Wehrhafte Demokratie heißt auch, gegenüber Aggressionen totalitärer Regime gerüstet zu sein, so bitter das auch ist. 

So sehr es missfällt: Den Frieden in Europa sichert aktuell nur eine klare militärische Stärke. Dazu gehören Waffenlieferungen an die Ukraine, und ich denke, dazu gehört auch eine Unterstützung durch die USA, bis Europa eigene Abstandswaffen produzieren kann, die klar anzeigen: Eine bloße Friedenstaube sind wir nicht; wenn nötig, können wir zum Falken werden. Aber wir sollten uns davor hüten, diese Stärke selbst zu glorifizieren. Jeder Abrüstungsvertrag, jede diplomatische Einigung, jede Versöhnungskommission ist wertvoller, verdienstvoller und heldenhafter als militärische Stärke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sich der Kriegs- und militärischen Logik außenpolitisch zu nähern, darf nicht zu einer Militarisierung der Gesellschaft führen. Das Recht des Stärkeren ist Gift für unser soziales Miteinander. Unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist immer auch eine Friedensordnung. 

Noch einmal unmissverständlich: Wer Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt, wer US-Raketen auf deutschem Boden duldet, der redet nicht dem Krieg das Wort, sondern - so paradox es klingt - er hat den Frieden im Blick und im Herzen. 

(Oliver Kirchner, AfD: Ha, ha!)

Es muss uns beides gelingen - die starke Faust und die weiterhin ausgestreckte Hand. Bei Russland sehe ich gerade nur zwei geballte Fäuste. Um dies zu ändern, reicht es nicht aus, einzig auf Verständigung zu setzen; denn alles, was auf Dominanz und potenzielle Unterwerfung ausgerichtet ist, wird im System Putins als Schwäche ausgelegt und spielt den autoritären Kräften in die Hände, die dann glauben, sich alles erlauben zu können. Diesen Glauben zu widerlegen, gelingt nur durch eigene Verteidigungsfähigkeit. 

Wenn ein demokratischer Staat Waffen in die Hand nimmt, dann kann und dann darf es immer nur um die Wiederherstellung des Status quo ante gehen. Demokratischer Waffengang ist nie expansiv oder aggressiv. Die NATO ist und bleibt ein Verteidigungsbündnis. 

Der Ukrainekrieg lehrt uns: Es braucht eine ehrliche Außenpolitik. Es gilt, autoritäre Regime und menschenverachtende politische Herrscher klar zu benennen. Es gilt, demokratische Bewegungen vor Ort zu stärken. Das internationale Völkerrecht und die Menschenrechte sind und müssen Leitlinien sein, die wir klar und deutlich benennen, auch wenn wir mit solchen diktatorischen Regimen sprechen, damit autoritäre Herrscher früh erkennen: Wehrhafte Demokratie kennt rote Linien und handelt auch danach. Denn wie oft im Rückblick festgestellt worden ist: Es war ein entscheidender Fehler, Putin die Besetzung der Krim durchgehen zu lassen. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es braucht einen ehrlichen Pazifismus. Das ist mir als Grüne besonders wichtig. Wir kommen aus der Friedensbewegung. Das war konstitutionell für die Gründung der GRÜNEN-Partei.

(Lachen bei der AfD)

Wir sind quasi mit den Forderungen nach Abrüstung und einer Entmilitarisierung groß geworden. Die erste friedenspolitische Häutung hatten wir im Zuge des Kosovokrieges. Standhaft friedenspolitisch sind wir mit Joschka Fischers „I‘m not convinced“ 

(Zuruf von der AfD: Kriegstreiber! - Zuruf von Nadine Koppehel, AfD)

zu der Frage der Massenvernichtungswaffen des Hussein-Regimes im Irak geblieben. Der Ukrainekrieg hat uns dann als dritter Stepstone deutlich gemacht: Wer Demokratie und Frieden will, der muss diese gegen autoritäre Herrscher verteidigen können. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Frieden ist zu wichtig, zu sehr Kern einer humanitären Welt, um sie den Kriegstreibern zu überlassen. 

Wenn die Fraktion Die Linke nach Lehren fragt, dann muss ich an den unseligen Beschluss zur Öffnung von Nord Stream 2 erinnern, den dieser Landtag einen Monat vor Beginn des Angriffskrieges von Putin getroffen hat - mit den Stimmen aller Fraktionen, außer der GRÜNEN. 

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Da standen die Panzer schon an der Grenze!)

Was wirklich noch fragwürdiger ist: Dieser Beschluss gilt bis heute. Sie könnten sich einmal dafür einsetzen, dass dieser Beschluss endlich aufgehoben wird. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir persönlich ist zum Abschluss der Zusammenhang von Frauenförderung, Frauenrechten und Frieden besonders wichtig. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Was? - Oliver Kirchner, AfD: Ha, ha!)

Hierfür möchte ich beispielhaft die Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, verabschiedet am 31. Oktober 2000, nennen. Sie anerkennt die Rolle von Frauen in Friedens- und Sicherheitsprozessen und fördert neben dem zentralen Schutz von Frauen und Mädchen in bewaffneten Konflikten, die Beteiligung von Frauen an Entscheidungsebenen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene sowie Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten. Die Resolution anerkennt die besondere Rolle von Frauen als aktive Akteurinnen in der Konfliktprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung. Es zeigt sich in Studien: Friedensverhandlungen, an denen Frauen einen aktiven Part eingenommen haben, sind nachhaltiger wirksam. Die Verabredungen halten länger. Feministische Außenpolitik ist eine friedensstiftende Außenpolitik. 

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

So wie Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit, ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg. Bei allen Spaltungstendenzen und politischer Hetze leben wir in Deutschland und in Sachsen-Anhalt überwiegend und größtenteils in friedvollen Zeiten. Dafür sollten wir alle dankbar sein und eine besondere Sensibilität dafür haben, dass die Abwendung von Krieg durch militärische Stärke noch kein Frieden ist. - Vielen Dank. 

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Lüddemann, es gibt eine Vielzahl von Nachfragen und eine Intervention, und zwar einmal eine Nachfrage von Frau Dr. Richter-Airijoki, eine Intervention von Herrn Siegmund - er hat sich an das Mikrofon gestellt gehabt, aber weil die Rede ein bisschen länger dauerte und er nicht die ganze Zeit dort stehen wollte, habe ich zugestimmt, dass er sich wieder hinsetzt  , 

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig!)

eine Nachfrage von Herrn Zietmann und eine Nachfrage von Herrn Erben. Lassen Sie die Nachfragen zu? 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ja.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Erst einmal ja. Frau Dr. Richter-Airijoki beginnt. - Bitte. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Aber ganz kurz, bitte! - Zuruf von der AfD: Das geht nicht!)


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD): 

Danke. - Meine Frage bezieht sich auf Ihre Frage: Mit wem soll man reden? - Das ist ganz klar. Mit Putin zu reden, ist sehr, sehr schwer vorstellbar. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Warum?)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es auch eine breite Zivilgesellschaft gibt. Sie erwähnten auch die Stärkung demokratischer Strukturen. Muss man heutzutage, in der Zeit der modernen Medien, nicht auch viel breiter denken, als nur mit den Repräsentanten des Staates zu reden? Die Medien sind ein Weg, aber es gibt auch internationale Organisationen, die Vereinten Nationen - das ist klar  , aber auch die Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg, IPPNW, die auch Gesprächsangebote machen. Die haben auch Partner, Ärztinnen und Ärzte in Russland. Werden denn Möglichkeiten wirklich genug ausgeschöpft, viel breiter als mit Putin zu reden, auch mit einem breiten Teil der Bevölkerung? 

Damals beim deutschen Widerstand hat man auch gedacht, dass das nur ein paar Soldaten sind, denen es zu viel geworden ist. Im Nachhinein hat man gesehen: Der Widerstand war doch viel breiter, als man gedacht hat. Also: Gibt es nicht doch breitere Möglichkeiten, ein Gespräch zu führen? - Das ist meine Frage. 

Ich möchte noch eine Würdigung für Christian Ströbele anschließen, der sich im Jahr 2001 im Deutschen Bundestag als einer der ganz wenigen nicht erhoben hat, um Putin Applaus zu spenden, weil er damals schon in Tschetschenien ähnlich vorgegangen ist wie in der Ukraine heute. - Danke.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Die Frage ist an Frau Lüddemann gerichtet. - Frau Lüddemann, bitte. 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Wir sind an dieser Stelle sehr eng beieinander, Frau Kollegin. Ich hatte auch erwähnt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, friedenspolitische Initiativen, auch wenn sie vielleicht nicht so breit organisiert sind, ein Teil von aktiver Außenpolitik sein müssen. Wir kennen das alle: In totalitären Regimen ist es gar nicht so einfach, sich wirklich so zu organisieren, dass man auch deutlich sichtbar wird. Dazu gehört es auch, sich wirklich in das Land hineinzufühlen und sich damit zu identifizieren: Wo sind denn Menschen, die es wert sind, sie zu stärken, um aus dem Land heraus, in dem Fall friedenspolitisch, aber auch demokratiepolitisch, Aktivitäten zu unterstützen? An dieser Stelle bin ich ganz bei dir. 

Ich nehme auch wahr, dass die Außenministerin genau dieses tut und an dieser Stelle auch um Haushaltsmittel kämpft, um das weiter unterstützen zu können. Ich finde es auch persönlich sehr, sehr wertvoll, wenn zwischen Organisationen, die bei uns aktiv sind, ob das das DRK oder Ähnliches ist, auch solche Gesprächsfäden behalten werden. Aber hierbei ging es tatsächlich um die obere diplomatische Ebene. Diese ist am Ende entscheidend, wenn es um Krieg oder um Frieden geht. An dieser Stelle sehe ich in Russland wirklich weit und breit keinen Partner. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Es folgt Herr Siegmund mit einer Intervention. 


Ulrich Siegmund (AfD): 

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Die GRÜNEN haben sich seit 2022 zu einem der größten Kriegstreiber, Kriegshetzer dieses Landes entwickelt. Sie rufen am lautesten nach Waffenlieferungen. Wenige Monate zuvor, zur Bundestagswahl 2021, hatten Sie dieses Plakat veröffentlicht. Ich zeige Ihnen das einmal.

(Ulrich Siegmund, AfD, hält ein bedrucktes Blatt Papier hoch)

„Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete.“

- Das hängt zur Motivation an meinem Schreibtisch direkt neben meinem Büro. Ich habe das gerade geholt. Ich habe mir dort so einen kleinen Clowni darauf gemacht. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Achtung, Herr Siegmund! Das Zeigen geht nicht, weil wir das nicht abbilden können.


Ulrich Siegmund (AfD):

Ja, okay. Ich ergänze es verbal. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Deswegen haben Sie eben den Slogan vorgelesen. 


Ulrich Siegmund (AfD):

Es ist gut. Ich führe weiter aus. 

(Unruhe)

Ich habe mir einen kleinen Clowni dazu gemacht, weil dieser Clowni im Prinzip Ihre Politik am besten symbolisiert. 

(Olaf Meister, GRÜNE: Es hat sich etwas geändert im Februar 2022!)

Ich möchte von Ihnen eigentlich nur wissen: Würden Sie dieses Plakat zur nächsten Bundestagswahl wieder aufhängen? Denn wenn man einmal ehrlich ist: Die Attribute, die Sie gerade ausgeführt haben, kann man auf jede einzelne Kriegshandlung dieser Welt übertragen. Krieg ist immer schlecht. Warum haben Sie dieses Plakat aufgehängt? Sie hätten in Klammern schreiben müssen: außer gegen Russland. Das wäre ehrlich gewesen. 

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja, genau!)

Das haben Sie aber nicht gemacht. Sie haben es pauschalisiert auf alle Kriegsgebiete. Also, hängen Sie dieses Plakat zur nächsten Wahl wieder auf oder werden Sie es dann mit dem Attribut „außer gegen Russland“ versehen? 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Siegmund, das war keine Intervention. Sie haben sich für eine Intervention gemeldet gehabt. Wenn Sie aber dann eine Frage stellen, dann ist das ein Missbrauch dieser Intervention. Das muss man auch einmal sagen, jedenfalls so dezidiert, wie Sie Frau Lüddemann zur Stellungnahme aufgefordert haben. - Frau Lüddemann, wollen Sie trotzdem reagieren? 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Ich würde gern eine Bemerkung machen, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Bitte.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich werde hier vom Rednerpult des Landtags von Sachsen-Anhalt aus keinen Wahlkampf planen. Das würde mir auch gar nicht zustehen. Ich will aber noch einmal darauf verweisen, dass ich in meiner Rede einige Stepstones genannt habe, die uns von einer doch sehr pazifistisch ausgerichteten Partei hin zu einer Partei geführt haben, die jetzt sehr klar sagt: Natürlich braucht es Waffen. 

(Lothar Waehler, AfD: Kriegstreiber!)

Es braucht Waffen in Europa. An dieser Stelle sind wir wieder bei dem Gedicht von Wilhelm Busch. 

Ich habe die Stepstones benannt. Wie wir mehrfach an dieser Stelle schon diskutiert haben, ist festzuhalten: Die Welt ist nach Februar 2022 eine komplett andere. 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Zietmann mit einer Nachfrage. 


Felix Zietmann (AfD): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Lüddemann, vielen Dank für die Chance der Nachfrage meinerseits. Es geht mir nicht um den Inhalt Ihrer Rede. Diesen möchte ich nicht bewerten. Mir geht es bloß um eine Verständnisfrage meinerseits. Sie haben vom brutalen russischen Angriffskrieg gesprochen. Seit der Antike gab es Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Kriege. Ich möchte gern von Ihnen wissen: Welcher Krieg, der bisher stattfand, war nicht brutal? 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Keine Frage: Jeder Krieg, jede militärische Auseinandersetzung ist brutal. Das ist immanent. 

(Lothar Waehler, AfD: Warum erwähnen Sie es dann? Weil es schön klingt?)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Die nächste Nachfrage kommt von Herrn Erben. - Herr Erben, bitte. 


Rüdiger Erben (SPD): 

Kollegin Lüddemann, zunächst: Die lange Kette der Nachfragen und Interventionen hat mir die Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag in Bezug auf Nord Stream 2 zu recherchieren. Den haben wir durch den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Sitzung im April 2022 für gegenstandslos erklärt. Das kann man nachgucken. Das ist die Drs. 8/1053. Aber das war überhaupt nicht mein Anliegen. 


Cornelia Lüddemann (GRÜNE): 

Gut so. 


Rüdiger Erben (SPD): 

Sie waren, wenn man einmal von den Erklärungen von Herrn Kirchner absieht, bisher die Rednerin, die am entschiedensten Diplomatie zur Beendigung des aktuellen Krieges in der Ukraine ausgeschlossen hat. Ich will dazu anmerken: Mir fällt kein einziger Krieg ein, der durch Diplomatie beendet worden ist, wo nicht Todfeinde in Verhandlungen getreten sind; denn sonst hätten sie nicht über die Beendigung reden können. 

Mir fällt auch kein einziger Abrüstungsvertrag ein, der erfolgreich verhandelt worden ist, wo nicht Tod- oder Klassenfeinde oder so etwas miteinander verhandelt haben und zu Ergebnissen gekommen sind. 

(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)

Vielleicht auch passend zu dieser Logik: Wir haben in den 1980er-Jahren zwischen Ost und West erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen durchgeführt, und das, obwohl die Sowjetunion einen Krieg in Afghanistan geführt hat.

Deswegen ist meine Frage: Wie weit wollen Sie das denn jetzt treiben? Ich habe ja gerade von Game Changern gesprochen. Es wird alle zwei Monate ein neues Waffensystem genannt, das den Erfolg bringen soll. Wann wäre denn für Sie der Punkt erreicht, ab dem man sagen kann, dass man auch mit einem Todfeind verhandeln muss?


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Danke für die Frage. Ich will an das Ende Ihrer Ausführungen anknüpfen. Etwas geht mir wirklich auf die Ketten. Alle zwei Monate oder vielleicht auch drei Monate - ich kann das gar nicht so genau sagen - gibt es eine Diskussion um neue Waffensysteme, um neue Liefernotwendigkeiten etc. Genau das ist nämlich das Problem. Es ist jetzt vergossene Milch, aber ich will es gern noch einmal festhalten, weil wir ja über die Historie reden. Wenn man vor zweieinhalb Jahren sehr klar gesagt hätte, dass wir die Ukraine unterstützen wollen und eine Situation herstellen wollen - das ist die Antwort auf die Frage insgesamt  , in der Putin sieht „Die meinen es ernst, das ist ein ernsthafter Gegner für mich, ich muss mich in Verhandlungen begeben“, dann hätten wir vielleicht diesen Krieg gar nicht zweieinhalb Jahre hier in Europa toben lassen. Es ist das Problem der Auseinandersetzung, dass wir die Ukraine immer nur häppchenweise unterstützen. Kommentatoren sagen nicht zu Unrecht - ich will mir nicht die Aussage anmaßen, mich in diesem Kriegsgeschehen wirklich auszukennen, aber Kommentatoren sagen es nicht zu Unrecht  , dass wir der Ukraine immer nur so viel geben, dass es gerade zum Überleben reicht, dass es aber zu wenig ist, um tatsächlich ein Game Changer zu sein. Das ist nämlich ein Problem.

Das hat etwas mit der Auseinandersetzung innerhalb der Bundesregierung zu tun und mit Verlaub auch mit der Uneinigkeit in der SPD. Die SPD sagt auf der einen Seite: Ja, wir müssen die Ukraine mit allem unterstützen, was wir haben. Auf der anderen Seite - das haben sie ausgeführt - gibt es die Mützenich-Fraktion, wie ich es jetzt einmal nennen möchte. Die sagen: Eigentlich am liebsten gar nicht. Das ist ein Teil des Problems.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir müssen insgesamt eine Situation herstellen, dass Putin uns als demokratischen Westen ernst nimmt und sich auch tatsächlich auf Gespräche oder sogar Verhandlungen einlässt. Das ist meine feste Überzeugung.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Erben, Sie scheinen eine kurze Nachfrage zu haben.


Rüdiger Erben (SPD):

Noch einmal die Frage: Wo ist denn die Grenze? Wenn es erforderlich wäre, Putin dahin zu bringen, was Sie jetzt sagen, wo ist dann die Grenze für Sie erreicht? Sind es am Ende NATO-Truppen?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Die Frage ist deutlich geworden. - Frau Lüddemann.


Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Ich kann Ihnen das jetzt nicht so genau sagen. Ich kann nicht sagen, an welchem Tag das ist oder mit welcher Waffenkategorie. Es geht darum, ein Gleichgewicht herzustellen, dass wir wirklich einen Gesprächspartner haben. Ich habe es auch auf die Frage Ihrer Kollegin hin schon gesagt: Mit wem sollten wir im Moment in Russland reden?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Lüddemann, vielen Dank.