Markus Kurze (CDU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. September 1939 um 4:45 Uhr eröffnete das Linienschiff Schleswig-Holstein das Feuer auf die polnische Halbinsel Westerplatte vor der Freien Stadt Danzig. Am selben Tag am Vormittag trat Hitler im Reichstag vor das Rednerpult und sagte: „Seit 5:45 Uhr wird [...] zurückgeschossen.“ Dieser deutsche Überfall auf Polen entfachte den schrecklichen Zweiten Weltkrieg mit mehr als 60 Millionen Toten.

Nach dem Krieg gab es in der sowjetischen Besatzungszone ab 1946 den Weltfriedenstag der Jugend und später in der DDR wurde der Tag, der 1. September, als Tag des Friedens begangen. In der Bundesrepublik hieß der 1. September fortan Antikriegstag.

Es tut gut, dass wir heute im Parlament daran erinnern. Denn im Krieg, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es nur Verlierer.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

85 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges scheint die längste Friedensperiode in Europa in Gefahr zu geraten durch den Krieg, den Russland völkerrechtswidrig mit dem Überfall auf die Ukraine entfacht hat. Helmut Kohl sagte 1992 auf dem CDU-Parteitag in Düsseldorf:

„Europa ist für Deutschland eine Schicksalsfrage“.

Das Zitat ist 32 Jahre alt und könnte doch aktueller nicht sein; Europa, die Schicksalsfrage für Deutschland, Europa als Friedensbringer, Europa als Bündnis, als starke Einheit.

Kurz vor der Einführung des Euro erklärte Helmut Kohl:

„Von dieser Entscheidung hängt ganz wesentlich ab, ob künftige Generationen in Deutschland und Europa dauerhaft in Frieden und Freiheit, in Wohlstand und sozialer Stabilität leben können.“

Die großen Aufgaben der Zukunft könnten die Völker Europas nur gemeinsam lösen, so der damalige Bundeskanzler. Auch das hat heute nicht nur Bestand, sondern es ist aktueller denn je.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Europa ist das Fundament für Frieden. Nur durch ein starkes Europa können Frieden und Freiheit dauerhaft gesichert werden. Eine demokratische Ordnung und die Achtung der Menschenrechte bilden das Fundament der Aussöhnung unter den europäischen Völkern. Sie bilden unseren Wertekompass, der uns den Weg zu Frieden und Freiheit zeigt.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Schon 1995 erkannte Kohl, anlässlich der Prüfung des Beitritts Russlands zur EU:

„Eine der großen Herausforderungen in den kommenden Jahren wird darin bestehen, dass auch Russland seine Zukunft als europäische Zukunft begreift, und zwar politisch, ökonomisch, in Fragen der Sicherheit und nicht zuletzt in der kulturellen Dimension.“

Damals wie heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, galt bzw. gilt, dass Europa nicht nur eine ökonomische, soziale und kulturelle Partnerschaft hat, sondern Europa muss auch ein starkes Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis sein. Es nützt nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man vor der brutalen Realität die Augen verschließt. Denn seit Februar 2022 haben wir täglich vor Augen, wie viele Menschen in diesem Angriffskrieg ums Leben kommen. Alle Träumereien von Frieden dürfen nicht darin münden, dass man glaubt, Sicherheit könne allein durch Reden erlangt werden.

Otto von Bismarck sagte am 6. Februar 1888 im Reichstag:

„Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt; und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“

Schon Bismarck hatte erkannt, dass der Frieden in Europa nur gelingt, wenn die großen und kleinen Nationen sich verstehen, sich respektieren und zusammenarbeiten. Denn Krieg kennt eben keine Gewinner, sondern nur Verlierer auf allen Seiten.

Selbstverständlich ist Diplomatie ein wichtiger Bestandteil der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Ich sage auch sehr deutlich: Zurzeit gewinne nicht nur ich den Eindruck, dass die Diplomatie ein wenig aus den Augen verloren wird.

(Zustimmung von Olaf Feuerborn, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Genau das sagen uns die Menschen auf der Straße. Denn sie haben zu Recht Angst, dass dieser Krieg zu einem Krieg in ganz Europa wird. Unser Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hat es vor wenigen Tagen auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass sich im Osten viele über Diplomatie so schnell wie möglich Frieden wünschen. Gleichwohl kann nur eine starke europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Verantwortung gerecht werden, die wir für unser Deutschland und auch für unsere europäischen Nachbarn tragen. Für uns als CDU-Fraktion ist die Stabilität Deutschlands als Wirtschaftsnation in der Welt von entscheidender Bedeutung für den Frieden in Europa und in der Welt. Eigentlich wollte ich größte Wirtschaftsnation sagen, aber seitdem die Ampel in Berlin regiert, allen voran die GRÜNEN, sind wir nicht mehr die größte Wirtschaftsnation.

(Zustimmung bei der CDU - Oh! bei der SPD und bei den GRÜNEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Herr Heuer hat gesagt: die Dritten!)

Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Zeit und auch das, Frau Lüddemann, muss man zur Kenntnis nehmen. Demokratie ist nicht immer einfach. Andere Meinungen und andere Reden zu akzeptieren und zu tolerieren, fällt den GRÜNEN hier im Parlament meist am schwersten.

(Zustimmung bei der CDU)

Nur gemeinsam sind wir als Europäer und gleichzeitig in transatlantischer Partnerschaft stark. Deshalb steht das europäische und transatlantische Verteidigungsbündnis für uns als CDU nicht zur Diskussion.

(Zustimmung von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

Den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilen wir. Dieser Krieg bringt unendlich viel Leid über Zehntausende Soldaten wie auch Zivilisten. Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Es ist unsere Pflicht, dass wir hier Verantwortung übernehmen, humanitäre wie auch militärische. Dazu gehört aber auch, dass die Verantwortung und die Hilfe keine Einbahnstraße werden dürfen. Wer uns ausnutzt, der muss nach der gelben die rote Karte bekommen. Wer uns wissentlich schadet, dem darf man in Berlin keinen Applaus spenden. Auch das sagen uns die Menschen auf der Straße. Dieser Krieg hat Angst, Sorgen und Unsicherheit nach Deutschland gebracht. Die Menschen sorgen sich um ihre Zukunft und auch damit hat Reiner Haseloff recht: Hier im Osten kennen wir die Russen gut und trauen ihnen vieles zu, auch einen atomaren Konflikt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kriegsgefahr ist real. Deshalb brauchen unsere Soldatinnen und Soldaten, die unser Land und die Länder unserer Partner mit ihrem Leben verteidigen, die bestmögliche Ausstattung und Ausbildung. Sie sind es, die für unsere Freiheit und für unseren Frieden kämpfen. Sie brauchen mehr Anerkennung und Achtung von Politik und Gesellschaft.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die CDU-Fraktion steht für eine europäische Verteidigungsgemeinschaft im Verbund der NATO. Wir brauchen Diplomatie und wir brauchen Abschreckung. Ich sage es noch einmal sehr deutlich: Wir brauchen kein überzogenes Säbelrasseln in Berlin. Jeder von uns, der Eltern und Großeltern hat, die den Krieg noch miterlebt haben, weiß aus Erzählungen, welches schreckliche Leid sie erfahren mussten, und zwar auf allen Seiten. Es ist eben, wie mein Kollege Herr Erben es schon gesagt hat, kein Computerspiel. Es ist brutal und kostet Leben und Wohlstand auf allen Seiten.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte meine Rede zu diesem Thema mit Carl von Clausewitz beenden.

(Rüdiger Erben, SPD, lacht)

- Da braucht man nicht Hmpf machen. Bei einem so ernsten Thema, muss man einfach auch einmal ernst bleiben. Clausewitz ist in der gesamten Welt anerkannt und zufälligerweise in Burg geboren.

(Rüdiger Erben, SPD: Für einen Burger Pflicht!)

„Selten ist in Europa überall Frieden, und nie geht der Krieg in anderen Weltteilen aus.“

Auch wenn wir es gern anders hätten, Carl von Clausewitz sollte mit dieser Aussage recht behalten. Sie beschreibt die Realität, eine Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren, der wir uns stellen müssen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Kurze. Es gibt eine Intervention von Herrn Zietmann. - Herr Zietmann, bitte.


Felix Zietmann (AfD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kurze, Sie haben wiedergegeben, dass der Zweite Weltkrieg mit der Beschießung der „polnischen Westerplatte“ durch das Linienschiff Schleswig-Holstein um 4:45 Uhr begann. Das stimmt insoweit - bis auf ein Detail: Die Westerplatte ist nicht Teil der polnischen Republik gewesen, sondern sie gehörte zur Freien Stadt Danzig, anders als das benachbarte Gdingen.

(Unruhe bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Zietmann. - Herr Kurze.


Markus Kurze (CDU):

Ich habe es ja so vorgetragen: Vor der Freien Stadt Danzig.

(Zustimmung bei der CDU)

Unsere Cornelia Pieper aus Sachsen-Anhalt hatte kürzlich ihr zehnjähriges Jubiläum als Generalkonsulin für unser Land in Danzig. Wir waren schon einmal dort und haben uns die Westerplatte angesehen und die Gedenkstätte. Das kann man nur allen empfehlen. - Danke schön.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Zietmann.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)


Felix Zietmann (AfD):

Herr Kurze, Sie haben gesagt, die „polnische Westerplatte“ und haben damit gesagt, dass es zur Republik Polen gehörte. Die Freie Stadt Danzig war aber ein eigener Staat seit den Versailler Verträgen.


Markus Kurze (CDU):

Das weiß ich, aber zu dieser Zeit war Danzig schon Deutschland eingeordnet und untergeordnet und die Halbinsel Westerplatte war noch polnisches Staatsgebiet.