Rüdiger Erben (SPD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin versucht, auf den Antrag der AfD zu schreiben: falscher Adressat - am besten zurück zum Absender. Denn die Aufforderung, dass die Landesregierung doch bitte die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung einstufen soll, ignoriert konsequent Grundregeln unseres Staates. 

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Entscheidung über die Einstufung einer Vereinigung als kriminell gemäß § 129 des Strafgesetzbuches obliegt nun einmal den Gerichten. Der Landtag und die Landesregierung haben darin nicht herumzufuschen. Das ist der Grundsatz der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit, wie in Artikel 20 Abs. 2 und in Artikel 92 unseres Grundgesetzes sowie in § 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes betont wird, also ein Eckpfeiler unseres Rechtsstaates, den die AfD bei jeder Gelegenheit vorgibt, schützen zu wollen. 

Nun kommen Sie, liebe Kollegen der AfD, und erheben den Einwand: Na ja, aber wenigstens soll die Justizministerin doch vielleicht von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch machen. Das stimmt. Damit ließe sich die Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft gegen die Letzte Generation anhalten. Dann erlauben Sie mir aber bitte, auf Ihren Antrag unter der Überschrift „Gewaltenteilung und unabhängige Justiz festigen“ vom 12. April 2022 hinzuweisen. Ich nenne Ihnen sicherheitshalber die Drucksachennummer: 8/1007. 

Ich zitiere:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, sich gegenüber den gesetzgebenden Organen der Bundesrepublik Deutschland für die Abschaffung der Einzelweisungsbefugnis gemäß § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) einzusetzen.“ 

Die Begründung lautete damals: Die Einzelweisungsbefugnis, die sich aus § 146 GVG ergibt, ist das Einfallstor politischer Einflussnahme der Politik auf die Justiz.

Gemessen an Ihren eigenen Maßstäben sollte gerade das nicht passieren, nämlich dass aufgrund einer Entscheidung der Landesregierung die Staatsanwaltschaft gegen irgendeine Gruppierung tätig wird, in diesem Fall die Letzte Generation. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig davon erlaube ich mir festzustellen, dass gegen die Letzte Generation - Frau Ministerin hat es bereits angesprochen - mehrere Verfahren deutschlandweit anhängig sind. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt derzeit gegen fünf Mitglieder wegen des Verdachtes auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, ebenso die Staatsanwaltschaft Potsdam und die Generalstaatsanwaltschaft München. 

In Sachsen-Anhalt ermittelt die Polizei wegen der Blockade des Flughafens Halle-Leipzig. Es steht außer Frage, dass dies aufgrund der von der Gruppe begangenen Straftaten notwendig ist. Es zeigt aber auch: Die Strafverfolgungsbehörden brauchen weder das Zutun des Landtags noch der Landesregierung, um tätig zu werden. Wir sollten es tunlichst vermeiden, die Entscheidung der Gerichte über Einstufung und Strafe vorwegzunehmen. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP)