Maximilian Gludau (FDP): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bauen in Deutschland ist über Jahrzehnte teurer und komplizierter geworden, um mit dem steigenden Bedarf mithalten zu können. In Sachsen-Anhalt führt dies aufgrund der demografischen Entwicklung Gott sei Dank nicht zu einer Wohnungsnot, sondern in unserem Land geht es vor allem darum, den Bestand aufzuwerten.

Ein Grund für die Preissteigerungen sind eben nicht nur die Löhne und das Material, sondern, wie bereits erwähnt, auch die ständig steigende Zahl der Bauvorschriften für Sicherheit, Brandschutz, Barrierefreiheit und energetische Standards. Die einzelnen Vorschriften sind für sich genommen sinnvoll oder, sagen wir einmal, in guter Absicht erlassen worden. Aber wenn man sie in Summe betrachtet, sind sie für den Einzelnen nur noch äußerst schwer durchschaubar.

Bei den Bürgerinnen und Bürgern entsteht so der Eindruck, dass sich Deutschland mal wieder selbst im Wege steht, und nicht zuletzt, dass alles bis ins Detail geregelt ist. Da bleibt nur wenig Spielraum für Innovation und Flexibilität. Die Einführung des Gebäudetyps E kann dieses Dickicht nicht beseitigen, sie kann es aber etwas lichten.

Im Prinzip steht dahinter eine auf den ersten Blick eine nicht besonders spektakuläre Idee: Bei allen baulichen Entscheidungen, die nicht unmittelbar die Zwecke und Schutzziele der Bauordnung berühren, etwa Sicherheitsaspekte, können Bauherren und Bauunternehmen ab sofort eigene Vereinbarungen treffen.

Die Branche geht davon aus, dass sich mit dem Verzicht auf nicht zwingend notwendige Komfort- und Ausstattungsstandards bis zu 10 % der Baukosten einsparen lassen. Die Bauminister haben sich bereits auf die Einführung einer solchen Regelung geeinigt. In Bayern, wo die Idee des Gebäudetyps E auch von der Architektenkammer entwickelt wurde, ist er seit diesem Jahr sogar Teil der Bauordnung.

Viele Modellprojekte wurden auf den Weg gebracht. Für die Bauwirtschaft wird der Gebäudetyp E aber erst wirklich interessant, wenn man auch das Bauvertragsrecht anpasst.

(Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Gludau, warten Sie einmal. - Also, ich kann ja durchaus verstehen, dass bei diesem Thema die Emotionen überkochen. Aber ich würde doch einmal darum bitten, dass die Gespräche und Bemerkungen dazwischen etwas leiser vollzogen werden. Dies betrifft in erster Linie die Regierungsbank. Wenn das möglich wäre, könnten Sie, Herr Gludau, jetzt weiterreden. - Danke. 


Maximilian Gludau (FDP): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Für die Bauwirtschaft wird der Gebäudetyp E erst wirklich interessant, wenn er auch im Bauvertragsrecht berücksichtigt wird. Dazu muss man freilich wissen, dass sich das deutsche Baurecht nicht nur auf feststehende Normen stützt, sondern dass in der Praxis ebenso die Einhaltung der bereits erwähnten sogenannten anerkannten Regeln der Technik verbindlich ist. Insbesondere bei späteren Rechtsstreitigkeiten über die Beschaffenheit eines Gebäudes werden in diesem Zusammenhang sehr schnell Minderungs- oder Schadensersatzansprüche geltend gemacht. 

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat kürzlich einen Gesetzentwurf zur Änderung des BGB vorgelegt, der von der Branche positiv aufgenommen wurde. Fachkundige Unternehmen sollen nun untereinander leichter eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik vereinbaren können. Sie können mit einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung auf Aufklärungspflichten verzichten, mit denen für die Auftragnehmer bislang häufig Rechtsunsicherheiten einhergehen. Auch soll beim Abweichen nicht mehr grundsätzlich ein Sachmangel - also als Rechtsbegriff - vorliegen, sofern die Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Gleichwertigkeit der Ausführung gewährleistet sind und vor der Ausführung über die Abweichung informiert wurde. 

Da diese Änderungen nicht für private Bauherren gelten, brauchen diese nicht die Sorge zu haben, mit solchen Abweichungen über den Tisch gezogen zu werden. Für alle Bauverträge soll es hingegen eine neue Vermutungsregelung geben, die bei den anerkannten Regeln der Technik für mehr Rechtssicherheit sorgen würde. Für reine Ausstattungs- und Komfortstandards soll zukünftig grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie nicht Teil der anerkannten Regeln der Technik sind, sicherheitsrelevante technische Normen hingegen sehr wohl. 

Unabhängig davon, ob das E nun für „experimentell“ oder „einfach“ oder, verehrter Herr Kollege Grube, für beides steht, es ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, dem sicherlich weitere folgen müssen. Inwieweit dieses Instrument in der Praxis mit Leben erfüllt wird, muss sich nun zeigen. Es besteht aber die berechtigte Hoffnung, dass es als gutes Beispiel weitere Blockaden lösen kann. 

Ich bitte um Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen. - Herzlichen Dank. 

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)