Tagesordnungspunkt 22
Beratung
Land nicht aufs Abstellgleis schieben - weitere Ausdünnung im Schienenverkehr stoppen! Erhalt und Ausbau der Fernverkehrsanbindungen des Landes
Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4428
Einbringerin ist Frau Kerstin Eisenreich.
(Beifall bei der Linken)
Frau Eisenreich, Sie haben das Wort. Bitte.
Kerstin Eisenreich (Die Linke):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Bahn kommt“ - so warb die Bahn im Jahr 1998
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
für entspanntes Reisen mit der Familie in den Urlaub. Eine Werbekampagne aus den 1960er-Jahren pries die Bahn als wetterfest, weil sie bei jedem Wetter fahre.
(Vizepräsident Wulf Gallert lacht)
Diese Kampagnen, ebenso wie jener Slogan der Bundesbahn aus den 1970er-Jahren: „Wir fahren immer“, rufen bei Bahnreisenden, Pendlerinnen und Pendlern, soeben auch beim Herrn Präsidenten, sowie bei den leidgeprüften Beschäftigten heute Reaktionen hervor, die von einem müden, resignierten Lächeln bis zu Wutausbrüchen reichen dürften.
(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)
Das dürfte auch den meisten hier im Saal reichlich bekannt sein.
Die Bahn kommt,
(Kristin Heiß, Die Linke: Oder auch nicht!)
meistens aber zu spät oder auch gar nicht.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Genau!)
Österreichische Fußballfans drückten das zur EM aus meiner Sicht recht treffend aus - ich zitiere, aber nicht vollständig : Die deutsche Bahn ist im A… - Das sagt alles. Den Spott im Ausland, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir uns redlich verdient.
Marode Schienen, Weichen, Stellwerke, Brücken, Tunnel - alles, worauf die Züge unterwegs sind. Defekte Triebfahrzeuge, Klima- und Toilettenanlagen, die nicht funktionieren, Türstörungen, Fahrpläne, die diese Bezeichnung nicht verdienen, sondern nach Aussagen von Beschäftigten einem Glücksspiel gleichen. Lokführer und Zugbegleiter, die nicht rechtzeitig zum Einsatz kommen, Stellwerke, die nicht besetzt werden können. Der Investitionsstau in Höhe von 92 Milliarden € bei der Bahn zeigt sich an allen Ecken und Enden.
Doch während in Ländern wie Österreich und der Schweiz rund dreimal so viel pro Kopf der Bevölkerung in die Bahn investiert wird, wurde die Bahn hierzulande in den letzten 30 Jahren heruntergewirtschaftet und kaputtgespart. Man hat stattdessen auf Privatisierung und Profitstreben gesetzt. Es bleibt völlig unverständlich, warum an die Konzernspitzen millionenschwere Boni gezahlt werden.
(Beifall bei der Linken)
Wofür eigentlich? Welche Leistung rechtfertigt das? - Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt keine Rechtfertigung.
Chronische Unterfinanzierung, aber stetig steigende Preise. Seit Jahren wird hier nur noch Mangel verwaltet. Deshalb wurden und werden Strecken stillgelegt, Haltepunkte abgebaut, Zugverbindung gestrichen, ganze Regionen, insbesondere der ländliche Raum, vom Zugverkehr abgehängt. Gerade einmal 12 % des Netzes werden saniert. Wie sicher ist das Bahnnetz eigentlich noch?
Doch es wird weiter auf Verschleiß gefahren. Darüber hinaus soll nun noch massiv Kriegsgerät darüber geschickt werden. Wir finden, die Schiene gehört den Menschen und friedlichen und zivilen Zwecken.
(Beifall bei der Linken)
Auch in Sachsen-Anhalt wurde in den vergangenen 30 Jahren massiv Schieneninfrastruktur abgebaut und Verbindungen gestrichen. Das ist für die Reisenden und den Frachtverkehr täglich spürbar und aktuell leider auch wieder in der Debatte, weil die Bahn ihre eigene Unfähigkeit und den Mangel mit weiteren Einsparungen übertüncht, etwa mit den angekündigten Streichungen von Fernverkehrsverbindungen, von denen nun auch der Süden des Landes betroffen sein könnte. Gleichzeitig werden im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung Mittel für den Schienenverkehr zugunsten von Straßeninvestitionen umgeschichtet. So geht es nicht!
(Zustimmung bei der Linken)
All das passiert, obwohl die Bereitschaft und das Interesse der Menschen, mit dem Zug zu fahren, gestiegen sind. Das Fahrgastaufkommen steigt auch dank eines bisher noch attraktiven Deutschlandtickets, ebenso wie das Bewusstsein, dass die Schiene ein wichtiger Pfeiler der Verkehrswende für Mobilität und Umweltschutz ist.
Deshalb fordern wir mit unserem Antrag heute, dass sich die Landesregierung diesen Plänen der Bahn entgegenstellt und stattdessen den Ausbau der IC-Verbindungen fordert. Eine Verdichtung dieses Taktes auf mindestens zwei Stunden ist aus unserer Sicht eine sinnvolle Ergänzung zu dem Angebot im Regionalverkehr. Wir sind der Meinung, dass dies auch im Landesentwicklungsplan entsprechend festzuschreiben ist.
Wir erwarten, dass insbesondere Sie, Frau Ministerin Hüskens, bei Ihrem Amts- und Parteikollegen Herrn Wissing diesen Forderungen Nachdruck verleihen und ihm auch ganz deutlich klarmachen, dass der Bund mit der Umschichtung von Mitteln von der Schiene hin zur Straße in dem derzeitigen Haushaltsentwurf auf dem Holzweg ist und die Bahn nur noch weiter schwächt.
(Beifall bei der Linken - Guido Kosmehl, FDP: Sie kennen den Bundeshaushalt doch gar nicht! Der liegt doch noch gar nicht vor!)
Wir fordern daher, dass die Weichen wieder pro Schiene gestellt werden. Das betrifft Investitionen in die Infrastruktur, aber eben auch in den Waggonbestand und die Transportkapazitäten im Schienenpersonennahverkehr. Wir fordern eine Reform des Trassenpreissystems und eine auskömmliche Finanzierung durch den Bund für den Verkehr. Wir fordern auch ein klares Bekenntnis des Landes zur Bahn,
(Zustimmung bei der Linken)
das sich in einem entsprechenden Konzept der Landesregierung niederschlägt. Aus diesem sind die Forderungen an die Deutsche Bahn zu stellen. Dazu gehört auch, dass die Landeshauptstadt wieder an das ICE-Netz
(Guido Kosmehl, FDP: Oh!)
und die Bauhausstadt Dessau an den Fernverkehr angebunden werden.
(Beifall bei der Linken - Guido Kosmehl, FDP: Haben Sie in den letzten drei Jahren überhaupt irgendetwas zur Kenntnis genommen? - Eva von Angern, Die Linke: Wenn Sie schreien, dann haben wir alles richtig gemacht! - Guido Kosmehl, FDP: Nein!)
Enormer Nachholbedarf besteht weiterhin bei der Elektrifizierung. Manchmal hat man den Eindruck, dass dieses Thema von DB Netz nicht weiter angefasst wird, weil man auf Selbsterledigung hofft. Dabei würden insbesondere die in unserem Antrag genannten Strecken in den touristisch attraktiven Harz von Halle und Magdeburg aus enorm gewinnen. Auch die Strecke Glindenberg - Wolfsburg gehört dazu. Diese soll nach aktuellen Planungen bis 2030 ertüchtigt werden, aber eben ausdrücklich ohne Elektrifizierung. Das sollte aus unserer Sicht aber eigentlich zusammengehören, wenn man eine Strecke ertüchtigt.
(Beifall bei der Linken)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass viele Menschen in Sachsen-Anhalt zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln. Besonders prägnant sind sicherlich Halle und Magdeburg. Nun verkehren zwischen beiden Städten eben nicht nur Regionalbahnen, sondern auch IC. Deshalb finden wir die Initiativen in den Freistaaten Sachsen und Thüringen beispielhaft,
(Zustimmung von Stefan Gebhardt, Die Linke, und von Eva von Angern, Die Linke)
dass auf ausgewählten Strecken, stark frequentierten Nahverkehrsverbindungen, Verbindungen im IC-Netz auch mit dem Deutschland-Ticket genutzt werden können. Hierfür sollte das Land aus unserer Sicht ebenfalls aktiv werden.
(Beifall bei der Linken)
Auch wenn wir es im Antrag nicht ausdrücklich formuliert haben, möchte ich sagen: Die Bahn muss endlich wieder ein attraktiver Arbeitgeber werden, um für die Beschäftigten gute Arbeitsplätze anbieten zu können.
(Beifall bei der Linken)
Und aus gegebenem - leider ganz aktuellem - Anlass noch eine Anmerkung. Es ging gerade eine ganz aktuelle Meldung über den Ticker: Dem Deutschland-Ticket drohe in Sachsen-Anhalt das Aus, weil - so die Landräte - die Fortsetzung angesichts der vom Ministerium für Finanzen in Aussicht gestellten Unterfinanzierung der Landkreise nicht mehr möglich sei. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss dringend verhindert werden.
(Beifall bei der Linken)
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Beifall bei der Linken)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich sehe eine Frage von Herrn Gürth.
(Kerstin Eisenreich, Die Linke, verlässt das Rednerpult)
Frau Eisenreich!
(Guido Kosmehl, FDP: Nein!)
Frau Eisenreich, wollen Sie die beantworten? - Aber sicher doch, oder? Ich habe es ein bisschen spät gesagt. - Herr Gürth, Sie können die Frage stellen.
Detlef Gürth (CDU):
Vielen Dank, Kollegin Eisenreich, für Ihren Antrag, gibt er doch die Gelegenheit, über das wichtige Thema Bahn noch einmal zu sprechen. Ich habe den Antrag gründlich gelesen. Unter Buchstabe d ist eine Forderung aufgetaucht, zu der ich eine Nachfrage habe.
Unter Buchstabe d fordern Sie die Elektrifizierung der Strecke Glindenberg - Wolfsburg. Ich dachte mir, der Grund kann nicht sein, dass Herr Gallert schnell im Outlet-Center in Wolfsburg ist, sondern es muss ein ganz wichtiger Grund sein.
(Andreas Silbersack, FDP, lacht)
Also bin ich aufs Lastenrad gestiegen und von Magdeburg-Rothensee, Kilometer 24,3, letzter Haltepunkt, losgefahren, an der Gleisharfe vorbei - zack, nach Glindenberg. Ich wollte mir den Bahnhof angucken, von wo aus ich dann elektrifiziert nach Wolfsburg fahren können soll. Ich habe ihn nicht gefunden. Wo ist in Glindenberg der Bahnhof? Mir wurde gesagt, die haben dort keinen.
Als ich mit meinem Lastenrad weiterfuhr, durch die Elbauen, habe ich noch nicht einmal ein Gleis gefunden. Können Sie mir das erklären? Von wo in Glindenberg soll die Elektrifizierung bis nach Wolfsburg losgehen?
(Zuruf von der CDU: Das wird wohl nichts mehr! - Guido Henke, Die Linke: Das heißt Abzweig Glindenberg! Das ist beantragt?)
- Pst, du bist doch gar nicht dran!
(Lachen bei der CDU - Unruhe - Eva von Angern, Die Linke: Er darf das! Er darf das!)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Eisenreich, Sie können antworten.
Kerstin Eisenreich (Die Linke):
Es gibt diesen Streckenabschnitt Glindenberg - Wolfsburg. Es ist geplant, dazu hatte ich ausgeführt, dass er ertüchtigt werden soll. Deshalb haben wir gefordert, die Elektrifizierung einzuplanen. Das hat nichts mit dem Bahnhalt zu tun, sondern es ist ein Streckenabschnitt.
(Beifall bei der Linken)
Vizepräsident Wulf Gallert:
In der Hoffnung, dass sich das Problem noch klären lässt, können wir jetzt in die Dreiminutendebatte einsteigen.